Australneger

Bildunterschrift: „Australneger mit einem Hundeschwanze am Barte als Schmuck.“ (Holzschnitt um 1890). Seine Arme und Brust sind deutlich skarifiziert. Aus seinem Haarschopf ragt über dem Kopfband eine Tabakpfeife heraus.

Mit dem Begriff Australneger wurde in der Vergangenheit im deutschsprachigen Raum die indigene Bevölkerung Australiens und Tasmaniens bezeichnet.[1] Dieser Begriff stammt aus den Rassentheorien, in der die Menschheit in verschiedene Rassen eingeteilt wurden. Diese Theorien, vor allem im 19. und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet und einflussreich, gelten heute als überholt und wissenschaftlich unhaltbar und die Verwendung des Begriffs als rassistisch.

Der Begriff Australneger wird heute nahezu nicht mehr verwendet, findet sich gelegentlich im völkischen und rechtsextremistischen Vokabular.

Name

Für die indigene Bevölkerung Australiens hat sich heutzutage im deutschsprachigen Raum der Begriff Aborigines durchgesetzt. Er wird auch so im Duden verwendet. Im englischsprachigen Raum wird der Begriff Aboriginal benutzt.

Erste Übersetzung als "Eingeborene"

Mit der Gründung der britischen Sträflingskolonie im Januar 1788 in Port Jackson, entwickelten sich die Kontakte von Europäern mit der indigenen Bevölkerung Australiens. Die Folge davon war die Verdrängung aus ihrem angestammten Lebensraum und daraus resultierend häufige, auch gewaltsame Auseinandersetzungen mit den kolonialen Siedlern. Die beiden ersten Aborigines, die im Jahr 1792 nach Europa reisten, waren Bennelong und Yemmerrawanne. Sie kamen in Begleitung des ersten britischen Gouverneurs Arthur Phillip von New South Wales nach England und wurden am 24. Mai 1793 König Georg III. vorgestellt. Im England stieg dadurch das Interesse an den indigenen Bewohnern Australiens an, was sich anschließend weiter über Europa verbreitete. In den folgenden Jahren wurden Reiseberichte in England publiziert und auch in die deutsche Sprache übersetzt. In den ersten deutschen Übersetzungen, beispielsweise in der Geschichte der brittischen Volkspflanzung in Neuholland oder Neusüdwales vom 13ten May 1788 bis zum September 1796, publiziert in Halle im Jahr 1799 von David Collins, wurde der damals verwendete, englische Wort Aborigines in der deutschen Ausgabe mit Eingeborene übersetzt.[2][3]

Begriffliche Verwendung

Wann der Begriff Australneger zum ersten Mal in Deutschland verwendet wurde, ist nicht genau bekannt. Das Handbuch der Geschichte der Medizin (1902) nutzt sowohl "Eingeborene Australiens" wie auch "Australneger". Der Verfasser bezeichnet die Eingeborenen Australiens als "Volksstamm", der "in kultureller Beziehung auf einer besonders niederen Stufe" stehe.[4]

Kaiserreich Deutschland

Wie sich der Begriff Australneger durchsetzen konnte, ist nicht erforscht. Verwendet wurde Australneger in der damaligen Literatur und im seinerzeit üblichen Sprachgebrauch, insbesondere gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Rassentheorien und die Gliederung in Rassen dienten im Deutschen Kaiserreich auch der Legitimierung einer geografischen Expansion und einer Eroberung von Kolonien. Unter der Kanzlerschaft von Otto von Bismarck (1871–1890) wurden die meisten deutschen Kolonien – teils gewaltsam – erobert. Damit sollte das Bild einer starken Nation ausgeprägt, geostrategische Stützpunkte befestigt und Rohstoffe, die die Wirtschaftsentwicklung förderten, gewonnen werden.[5]

Mit der Vorstellung einer niederen Rasse entstand ein „rassisches“ Menschenbild, das zwischen hohen und niederen Rassen unterscheidet. Die Verwendung einer „niederen Stufe“ ermöglicht den Schluss, dass man selbst auf einer höheren Stufe lebe. Damit sich derartige Menschenbilder verbreiten, benötigt man Medien. Hierbei spielten gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland Völkerschauen eine wichtige Rolle; diese hatte der Hamburger Carl Hagenbeck entwickelt. Es sollen um die 400 Schauen veranstaltet worden sein, die weitverbreitete Vorurteile über andere Völker, insbesondere über die sogenannten Wilden, bedienten.[5]

Als im Jahr 1885 in Münster Australneger in einer derartigen Völkerschau gezeigt wurden, schrieb die regionale Presse über sie, dass sie „auf der tiefsten Stufe der Cultur“ stünden, dass „Buschmänner und Neger“ an „Hässlichkeit miteinander wetteifern“, und dass diese Menschen keinen „zur Auswanderungslust ins Land der Colonien […] reizen“ würden.[6]

Die Völkerschauen zielten auf Stimmungen und nicht auf Aufklärung. Dies zeigte sich beispielsweise im Karneval in Köln als Australneger auf einem Karnevalswagen auftraten, die zuvor in einem Kölner Kuriositätenkabinett als Neger gezeigt worden waren.[7]

In Berlin führte man Australneger auf einem öffentlichen Platz vor, die Sensationen als Schaukämpfe veranstalten mussten, die das Publikum erschrecken sollten.[5]

Nationalsozialismus

Die nationalsozialistischen Rassenvorstellungen gingen von einer Einteilung der Menschheit in drei geografischen „Großrassen“ Europide, Mongolide, Negride aus, die in jeweils zahlreiche Rassen unterteilt wurden. Die Nationalsozialisten hingen im Wesentlichen den rassistischen Vorstellungen des Anthropologen und Ethnologen Egon von Eickstedt an. Von Eickstedt verglich die Aborigines, neben anderen Völkern, mit jungen Gorillas.[8]

Aktuelle Verwendung

In den 1970/1980er Jahren kam der Begriff Neger in die öffentliche Diskussion und die Verwendung dieses Begriffs entspricht heute nicht einer politischen Korrektheit. Die Einteilung in drei „Großrassen“ hat sich in deutschsprachigen Enzyklopädien bis in die 1990er Jahre erhalten. Heute wird der Begriff Australneger kaum mehr verwendet. Australneger wird lediglich hin und wieder von Rechtsextremen verwendet, so beispielsweise in der jüngeren Vergangenheit von Horst Mahler, ehemals ein RAF-Mitglied.[9]

Einzelnachweise

  1. Meyers Konversationslexikon, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885–1892. https://www.retrobibliothek.de/retrobib/kuenstler/index_kuenstler_AE.html, abgerufen am 19. September 2021.
  2. David Collins: Geschichte der brittischen Volkspflanzung in Neuholland oder Neusüdwales vom 13ten May 1788 bis zum September 1796, Halle 1799, Digitalisat. Abgerufen am 9. Oktober 2016
  3. An Account of the English Colony in New South Wales with Remarks on the Dispositions, Costums, Manners, etc. of the naitiv Inhabitants of that Country. To which are added, some particulars of New Zealand; complied, by Permission, from the MSS. of Lieutenant-Governor King, auf gutenberg.org. Abgerufen am 9. Oktober 2016
  4. Arndt et al: Handbuch der Geschichte der Medizin, S. 19 ff. Hrsg. v. Max Neuburger, Julius Pagel. Paul Fischer Verlag. Jena 1902. Abgerufen am 9. Oktober 2016
  5. a b c „Die Australneger in Berlin“: Ein Beispiel für die Erfindung des Wilden (Memento vom 10. Oktober 2016 im Internet Archive), auf www.crieur-public.com, vom 2. Mai 2014.
  6. Völkerschauen im alten Zoo von Münster., auf sto-ms.de. Abgerufen am 9. Oktober 2016
  7. „Held Carneval als Colonisator“ Köln, Karneval und Kolonien, auf www.kopfwelten.org. Abgerufen am 9. Oktober 2016
  8. Egon von Eichstedt: Die Forschung am Menschen. S. 53 f. Band 1. Enke Verlag. Stuttgart 1938
  9. Verfassungsschutzbericht 2004.In: SPD Oelshausen, vom 17. Mai 2005. S. 104

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Holzstich um 1890. Text unter Bild: "Abb. 10. Australneger mit einem Hundeschwanze am Barte als Schmuck."