Auslandseinsätze der deutschen Polizei

Traditionell ist die deutsche Polizei ausschließlich zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung innerhalb der Bundesrepublik konzipiert. Dies ist auch entsprechend gesetzlich geregelt. In den letzten Jahren kamen zu diesen bisher gesetzlich geregelten Tätigkeiten allerdings auch Auslandseinsätze der deutschen Polizei hinzu. Die teilweise kritisierte Begründung hierfür lautet, dass Deutschland eine weltpolitische Verantwortung zur Schaffung humanitärer Lebensbedingungen sowie zur Hilfeleistung in Krisenregionen und zur Verhinderung von Mord, Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen habe.

166 deutsche Beamte sind im August 2020 weltweit in insgesamt 19 internationalen Polizeimissionen im Einsatz (inklusive FRONTEX und dem bilateralen Abkommen mit Afghanistan)[1].

Diskurs

Umstritten ist, ob das bundesdeutsche Engagement im Rahmen des internationalen Krisenmanagements auch tatsächlich zur Wahrung innenpolitischer Interessen beiträgt. Die Debatte ähnelt der aufgeflammten Diskussion darüber, ob die Bundesrepublik durch Bundeswehrsoldaten tatsächlich durch die deutsche Beteiligung am Krieg in Afghanistan „am Hindukusch verteidigt“ werden könne, was von Politikern sowohl benannt als auch bestritten wurde.

Die Befürworter der Einsätze argumentieren, durch die Stabilisierung nationaler und internationaler Sicherheit würden zudem weltweite Flüchtlingsströme verhindert, Flüchtlingen wird die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht. Außerdem diene die Stärkung des Rechtsstaates und der Zivilgesellschaft in den betroffenen Ländern letztlich auch der Bekämpfung grenzüberschreitender, organisierter Kriminalität, die sich fehlende rechtsstaatliche Strukturen in ehemaligen Kriegs- und Krisengebieten für ihre eigenen Zwecke zu Nutzen macht.

Einsätze

Deutsche Polizisten in Afghanistan
Deutsche Polizisten bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte

Seit August 1989 nehmen deutsche Polizisten an Auslandseinsätzen teil. Die ersten Bundesgrenzschutz-Beamten wurden im Rahmen der UNTAG in Namibia eingesetzt. Nach Einsätzen in Kambodscha (UNTAC 1992), der Westsahara (MINURSO 1993) und auf der Donau (WEU Danube 1993) traten auch deutsche Polizisten der Landespolizeien am 13. Oktober 1994 erstmals einen Einsatz im Ausland an. Sie unterstützten den deutschen WEU-Administrator Hans Koschnick bei seiner Mission in der Stadt Mostar während des Bürgerkrieges in Bosnien und Herzegowina.

Schwerpunktmäßig sind deutsche Polizisten auf dem Balkan (Bosnien und Herzegowina: WEU Mostar Administration, UNMIBH und EUPM; Albanien: WEU MAPE; Kroatien: OSCE PMG; Kosovo: OSCE KVM, UNMIK; Mazedonien: EU PROXIMA), aber auch in Georgien (UNOMIG), Afghanistan German Police Project Team (GPPT) und Liberia (UNMIL) sowie im Sudan (Darfur und Südsudan) mehr als 4.300-mal zum Einsatz gekommen. Viele Polizisten haben bis heute zum wiederholten Male an Auslandseinsätzen teilgenommen.

Im Krieg gegen den Terror treten deutsche Polizeikräfte bei ausländischen europäischen Sportgroßveranstaltungen auf. Rechtsgrundlage ist der Leitfaden für die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Terroranschlägen bei den Olympischen Spielen und anderen vergleichbaren Sportveranstaltungen des Europäischen Rates. Dort agieren sie ohne Hoheitsrechte. Gleiches galt für ausländische Polizeikräfte während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 (vgl. auch Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag). Nach Medienberichten sollen ausländische Polizisten Hoheitsrechte erhalten.

Mit Stand 23. August 2020 waren insgesamt 166 Beamte, davon 73 Beamte des Bundes und 93 Polizeivollzugsbeamte der Bundesländer im Auftrag von FRONTEX, der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingesetzt.[2] In den Einsatzgebieten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Afghanistan, Kosovo, Georgien, Liberia und im Sudan sind sie fester Bestandteil der friedenssichernden und -erhaltenden UN-Missionen oder engagieren sich im Rahmen des Zivilen Krisenmanagements der EU. Am 13. und 18. Juli wurden die bei UNMISS beteiligten deutschen Polizisten auf Grund der Sicherheitslage ausgeflogen. Als Reaktion luden die Vereinten Nationen Deutschland aus der Mission aus.[3] Das traditionell stärkste Landeskontingent im German Police Contingent (GEPOLCON) stellt Nordrhein-Westfalen.

Einsatzstärke deutscher Polizeieinheiten im Ausland (Stand: 13. August 2020)[2][4]
Nr.StaatName der MissionEingesetzte Polizisten[4]Beginn der MissionMandatende
1Palastina Autonomiegebiete PalästinaEUBAM Rafah0 PolizeivollzugsbeamterNovember 200530. Juni 2021
2Palastina Autonomiegebiete PalästinaEUPOL COPPS0 PolizeivollzugsbeamterJanuar 200630. Juni 2021
3Sudan Sudan (Darfur)UNAMID2 PolizeivollzugsbeamteJanuar 200831. Dezember 2020
4Georgien GeorgienEUMM Georgien10 PolizeivollzugsbeamteOktober 200814. Dezember 2020
5Afghanistan AfghanistanGPPT German Police Project Team (bilateral)20 PolizeivollzugsbeamteApril 200230. April 2021
6Moldau Republik Moldau / Ukraine UkraineEUBAM Moldova3 Zollbeamte / 2 PolizeivollzugsbeamteNovember 200530. November 2021
7Kosovo KosovoUNMIK3 PolizeivollzugsbeamteJuli 1999nicht festgelegt
8Kosovo KosovoEULEX Kosovo11 PolizeivollzugsbeamteJuni 200814. Juni 2021
9Liberia LiberiaUNMIL5 Polizeivollzugsbeamte (Stand März 2014)[5]November 2004März 2018
10Mali MaliMINUSMA10 PolizeivollzugsbeamteJuli 2013Juni 2021
11Ukraine UkraineOSCE SMM0 PolizeivollzugsbeamteMärz 201431. März 2021
12Ukraine UkraineEUAM Ukraine2 PolizeivollzugsbeamteJuli 201431. Mai 2021
13Irak IrakEUAM Irak3 PolizeivollzugsbeamteNovember 201730. April 2022
14Mali MaliEUCAP Sahel Mali0 PolizeivollzugsbeamterJanuar 201514. Januar 2021
15Niger NigerEUCAP Sahel Niger2 PolizeivollzugsbeamteDezember 201630. September 2022
16Libyen LibyenEUBAM Libyen0 PolizeivollzugsbeamteFebruar 201330. Juni 2021
17Haiti HaitiMINUJUSTH0 PolizeivollzugsbeamteOktober 201715. Oktober 2019[6]
18Somalia SomaliaUNSOM3 PolizeivollzugsbeamteMai 201631. August 2021[7]
19Griechenland Griechenland, Italien Italien, Bulgarien Bulgarien, Ungarn Ungarn,
Spanien Spanien, Zypern Republik Zypern, Georgien Georgien, Albanien Albanien
FRONTEX340 PolizeivollzugsbeamteNovember 2015nicht festgelegt
20Sudsudan SüdsudanUNMISS0 Polizeivollzugsbeamte[3]seit Juli 201115. März 2021[8]

Arbeitsschwerpunkte

Multikulturelle Kompetenz, Charakterstärke, Teamfähigkeit, hohe Einsatzbereitschaft, Selbstmanagement und diplomatisches Geschick sind die Grundvoraussetzungen für die deutschen Polizisten in internationalen Friedenseinsätzen. Die bundesweit zwei ausgewiesenen Trainingsstandorte für polizeiliche Auslandsverwendungen in Lübeck (Bundespolizei) und Brühl (Landesamt für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten – LAFP) tragen diesen Umständen durch eine gezielte Einsatzvorbereitung besondere Rechnung.

Je nach Missionsmandat ergeben sich für die deutschen Polizisten unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Ein Exekutivmandat übten sie exklusiv im Kosovo, im Rahmen der United Nation Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) aus. Die Beratung, Unterstützung und Überwachung des Aufbaus der lokalen Polizeiorganisationen steht normalerweise im Fokus der internationalen Gemeinschaft. Eine funktionierende, nach demokratischen Grundsätzen operierende, verlässliche und vertrauenswürdige Polizeiorganisation ist für die Stabilität und die Rekonstruktion eines Post-Konflikt-Gebietes von essentieller Bedeutung.

Bei der Ausrüstung von Beamten der deutschen Polizei im Auslandseinsatz sind einige Besonderheiten zu beachten, so ist die Verwendung der Polizei-Einsatz-Patrone nach der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung in Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten nicht erlaubt. Als permanente Ausrüstung sind Schutzwesten Schutzklasse 4 und Feld- und Biwakausrüstung für Überlandeinsätze notwendig und bei diesen mitzuführen.

Belastungen

Die Einsatzdauer beträgt für die deutschen Polizisten grundsätzlich bis zu 12 Monaten. Für besondere Funktionen ist eine Einsatzverwendung, die von vornherein mehr als 12 bis zu 24 Monate betragen soll, möglich, sofern die AG IPM dies für das jeweilige Missionsgebiet beschlossen hat[9]. In den Einsätzen tragen sie deutsche Uniformen, an denen zusätzlich eine Deutschlandflagge und die Hoheitssymbole der Mandatsgeber angebracht werden.

Besonders die europäischen Polizisten werden in den Missionsgebieten mit belastenden Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert, die mit den nationalen einheimischen Verhältnissen nicht vergleichbar sind. In der Regel ist die Infrastruktur des Einsatzgebietes zerstört. Die deutschen Polizisten sind im Gegensatz zu den Bundeswehrsoldaten nicht in Gemeinschaftsunterkünften oder Feldlagern untergebracht. Durch Selbstmanagement organisieren sie ihre Unterkünfte für die Einsatzdauer auf dem jeweiligen „freien Wohnungsmarkt“. Engpässe bei der Wasser-, Gas- und Stromversorgung sind so die Regel. Umwelt- und Luftverschmutzung, ein chaotischer Straßenverkehr, hohe Gewaltbereitschaft und Kriminalitätsraten, sowie die Tragödien durch Elend und Vertreibung sind alltägliche und allgegenwärtige Stressoren. Bei der Neuorganisation der häufig korrupten und in der Regel nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen agierenden Polizeiorganisationen in den jeweiligen Einsatzgebieten stehen deutsche Polizisten immer wieder im Brennpunkt innerstaatlicher Spannungen, ethnischer, religiöser und sozialer Konflikte.

In Einsatzgebieten mit erhöhter Anschlaggefahr und in Bürgerkriegsgebieten wie in Afghanistan sind Polizisten von Einsatzmissionen auch zum Teil in den Feldlagern der Bundeswehr untergebracht und werden über die Versorgungseinrichtungen der Bundeswehr versorgt und betreut.

Siehe auch

Belege

  1. Bundespolizei - Internationale Aufgaben - Internationale Polizeimissionen der Bundespolizei. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. September 2020; abgerufen am 31. August 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundespolizei.de
  2. a b bundespolizei.de
  3. a b tagesschau.de:Das falsche Signal zur falschen Zeit (Memento vom 22. Juli 2016 im Internet Archive)
  4. a b Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: erstes und zweites Quartal 2020). (PDF) In: BT-Drs. 19/21625, S. 3 f. Abgerufen am 22. November 2020.
  5. Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: erstes und zweites Quartal 2014). (PDF) In: BT-Drs. 18/1321, S. 2 f. Abgerufen am 22. November 2020.
  6. minujusth.unmissions.org
  7. un.org
  8. unmiss.unmissions.org
  9. Bundespolizei - Internationale Aufgaben - Internationale Polizeimissionen der Bundespolizei. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. September 2020; abgerufen am 31. August 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bundespolizei.de

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The German Police Project Team oversees a series of Afghan National Police training stations ranging from physical fitness testing and self defense to riot control and handcuffing Oct. 20 at Camp Shaheen, Afghanistan, during the ANPs six-week training course. The mentors are assisting the Afghan government in building and strengthening their police force to ensure that ANP are increasingly able to perform their duties independently and assume responsibility for internal security.
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German Minister of the Interior Thomas Maiziere takes a look at German Forces assisting in the instruction of the Afghan National Police at a basic training facility in Mazar-e-Sharif. (Photo by Mass Communication Specialist Second Class Daniel Stevenson)