Augusta Kaiser

Augusta Kaiser, Fotografie um 1920;
Familienarchiv Marsh, London

Augusta (Gust) Kaiser (* 16. Januar 1895 in Niederbrechen; † 27. September 1932 in Wiesbaden) war eine deutsche Bildhauerin und Keramikerin der Moderne, die sich ab 1922 auch Gust Kaiser nannte; im Zusammenhang mit der Kieler Kunst-Keramik ist sie auch unter dem Namen Gustl Kaiser bekannt.

Leben

Monogramm Augusta Kaiser

Augusta Theodora Priscilla Kaiser war die Tochter des Volksschullehrers Peter Josef Kaiser und seiner Ehefrau Augusta Kaiser geb. Schneider. Seit 1906 arbeitete der Vater in Wiesbaden, wo Augusta die Schloßplatzschule besuchte, an der sie 1915 die Reifeprüfung ablegte. Danach besuchte sie die Kunstgewerbeschule Mainz, der eine Modellierschule angegliedert war. Aufgrund ihres Zeugnisses „sehr gut mit Auszeichnung“ und der ihr von der städtischen Schuldeputation Wiesbaden attestierten besonderen Begabung setzte sie ihre künstlerische Ausbildung an der Kunstakademie Karlsruhe fort.[1][2]

Vieles spricht dafür, dass sie als Meisterschülerin in der benachbarten Großherzoglichen Majolika-Manufaktur ihre beachtlichen keramischen Fachkenntnisse erwarb, wohl in den dort ab 1921 eingerichteten Meisterateliers, geleitet von Max Laeuger, Ludwig König und Paul Speck. 1922 lernte sie die akademische Malerin Hedwig Marquardt kennen,[3] die zu der Zeit als Keramikmalerin bei der Majolika-Manufaktur angestellt war. Als deren Lebenspartnerin ging sie im April 1924 mit ihr nach Kiel zu der neu gegründeten Kieler Kunst-Keramik AG, in der beide als maßgebliche Künstlerinnen bis zum 31. März 1925 tätig waren.[4]

Anschließend arbeiteten sie als freie Künstlerinnen in Biere, nahe Magdeburg, in der von ihnen eigens gegründeten Werkstätte für angewandte Kunst, die sie jedoch schon im Jahre 1927 wieder aufgeben mussten, da sie sich nicht rentierte. Danach lebte Kaiser mit ihrer Lebenspartnerin in Hannover, wo diese eine Anstellung als Kunsterzieherin angenommen hatte. Sie selbst trat als Künstlerin nicht mehr hervor. Nach jahrelanger, schwerer Krankheit kehrte sie in ihr Elternhaus in Wiesbaden zurück, wo sie 1932 verstarb.

Kieler Kunst-Keramik AG

Kieler Kunst-Keramik AG, Meerreiter, 1924, Höhe 42 cm. Entwurf: Augusta Kaiser
Kieler Kunst-Keramik AG, Elefantenreiter, 1924, Höhe 27,3 cm, Entwurf: Augusta Kaiser
Portalgiebel für das Jugendheim im Werftpark Kiel-Gaarden von Augusta Kaiser, 1924/1925

Augusta Kaiser war – ebenso wie Hedwig Marquardt – Künstlerin der ersten Stunde der Kieler Kunst-Keramik AG (KKK).[5] Sie entwarf in der kurzen Zeit ihrer Zugehörigkeit zur Kieler Manufaktur den Großteil der feinkeramischen Produktion, figürliche Kleinplastiken und Gefäßkeramiken, orientiert an der neuzeitlichen Formensprache des Art déco, auch wenn noch etwas beeinflusst durch den Jugendstil, sowie Werke für die baukeramische Abteilung.

Das von Augusta Kaiser erst Ende August 1924 entworfene Künstlermonogramm „GK“ (ligiert) auf feinkeramischen Gegenständen der KKK steht für „Gust Kaiser“; so nannte sie sich schon seit Mitte 1922 in Karlsruhe. Im September 1924 nahm die KKK an der Grassimesse in Leipzig mit zahlreichen feinkeramischen Exponaten teil, die hauptsächlich auf Entwürfe von Augusta Kaiser und Hedwig Marquardt zurückgingen.

Bei Kaisers Baukeramik ist hervorzuheben das farbige Eingangsportal des Jugendheims[6] im Werftpark Kiel-Gaarden mit dem aufwendigen symmetrischen Giebelrelief sowie die ebenfalls farbige klinkerkeramische Fassade der Milchhalle Hirte, Hamburg-Altona,[7][8] beides im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die zeitgenössische Fachliteratur lobte Kaisers bildhauerische und malerische Entwürfe für die KKK und nannte sie eine hochbegabte Künstlerin.

2014 wurde in der Ausstellung Entartete Keramik 1919 - 1939 exhibit - 1930s German ceramic art on display at the Lopez Library im US-Bundesstaat Washington Augusta (Gustl) Kaiser und ihre Arbeit für die Kieler Manufaktur vorgestellt unter Einbeziehung ihrer Lebensgefährtin Hedwig Marquardt und unter Hinweis darauf, dass sie nicht nur weil sie Frauen waren an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, sondern vielleicht hauptsächlich, weil sie offen und kompromisslos als lesbisches Paar auftraten.

Literatur (Auswahl)

  • Wilhelm Conrad Gomoll: Neues schleswig-holsteinisches Kunstgewerbe. In: Die Buchgemeinde. Heft 8, 1926, S. 336–341.
  • Wilhelm Conrad Gomoll: Kieler Kunst-Keramik. In: Alexander Koch (Hrsg.): Deutsche Kunst und Dekoration, Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur. Darmstadt 1926, Bd. 58, S. 389–394, mit zahlreichen Abbildungen
  • Thomas Habeck: Die „Kieler Kunstkeramik AG“ und ihre Beziehung zur Baukunst der 20er Jahre in Schleswig-Holstein. Phil. Diss. Univ. Kiel, Kiel 1981, S. 54, 205–208.
  • Joachim und Angelika Konietzny: Augusta Kaiser – die Gustl Kaiser der Kieler Kunstkeramik – und ihr Leben mit Hedwig Marquardt. Nachwort: Laurence Marsh. Pansdorf 2011, ISBN 978-3-00-034515-9.
  • Joachim und Angelika Konietzny (Hrsg.): Hedwig Marquardt, Augusta Kaiser: ein Künstlerinnenpaar; Briefe an Lotte Boltze aus den Jahren 1922–1931. Mit einem Essay von Laurence Marsh. Pansdorf 2013, ISBN 978-3-00-042262-1.
  • Joachim und Angelika Konietzny (Hrsg.), Ostholstein-Museum Eutin (Hrsg.), Ausstellungs-Publikation Kieler Kunst-Keramik 1924-1930. Augusta Kaiser, Hedwig Marquardt und weitere Künstler, Eutin 2015, ISBN 978-3-00-047621-1.
  • Joachim und Angelika Konietzny (Hrsg.), Augusta Kaiser, Bildhauerin und Keramikerin. Ihr Werk für die Kieler Kunst-Keramik AG. Essay von Laurence Marsh. Nachdruck der Netto-Preislisten der Kieler Kunst-Keramik AG als gesonderte Beilage. Pansdorf 2017, ISBN 978-3-00-055613-5
  • Bärbel Manitz, Hans-Günther Andresen: Kieler Kunst-Keramik. Neumünster 2004, ISBN 3-529-02662-X.
  • Christel Marsh: Ends and Beginnings. London 2004, S. 277–284 und S. 292 u. 293, ISBN 0-9549274-0-0.
  • Julia Meyer-Brehm: Hedwig Marquardt und Augusta Kaiser. In: Tobias Hoffmann / Anna Grosskopf (Hrsg.): Ansehen! Kunst und Design von Frauen 1880–1940. Hirmer, München 2022 (Veröffentlichungen des Bröhan-Museums; 43), ISBN 978-3-7774-4009-5, S. 122–129.
  • Richard B. Parkinson: A Little Gay History: Desire and Diversity Across the World. British Museum Press, 2013, ISBN 978-0-7141-5100-7.
  • Otto Riedrich: Neue Baukeramik Schleswig-Holsteins mit einem Einblick in die Baukunstgedanken der Gegenwart. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch. 1927, S. 23–38.
  • Ernst Sauermann: Neue Wege. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch. 1925/26, S. 105 ff.
  • Konrad Strauß: Deutsche Keramik der Gegenwart. Halle/Saale 1927, S. 21 u. 22 und Abb. S. 7 u. 8
  • Maria-Gesine Thies: Die Kieler Kunst-Keramik AG: Keramik der 1920er Jahre in Kiel. Phil. Diss. Univ. Kiel, Kiel 1988.

Museumsbesitz

  • Kieler Stadtmuseum, Kiel
  • Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig
  • The British Museum, London
  • Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig
  • Bröhan-Museum, Berlin

Ausstellungen

  • 2013/2014 Augusta Kaiser und Hedwig Marquardt - ein Künstlerinnenpaar. Frauenmuseum, Wiesbaden, 3. November 2013 bis 31. Mai 2014.[9]
  • 2014 Entartete Keramik 1919 - 1939 exhibit. 1930s German ceramic art on display at the Lopez Island Library, WA; 14. Februar bis 31. März 2014.[10]
  • 2015 Kieler Kunst-Keramik 1924 - 1930. Augusta Kaiser, Hedwig Marquardt und weitere Künstler. Ostholstein-Museum Eutin, 27. Februar bis 26. April 2015.[11]

Einzelnachweise

  1. Hessisches Hauptstaatsarchiv, Akte Abt. 650/B Nr. 2525
  2. Wilhelm Conrad Gomoll: Neues schleswig-holsteinisches Kunstgewerbe. In: Die Buchgemeinde, Jahrgang 1926, Heft 8, S. 340.
  3. Biografische Daten in: Christel Marsh: Hedwig Marquardt (1884 Biere – 1969 Hannover), Einführung zum Ausstellungs-Katalog 1989. John Denham Gallery, London 1989, S. 1 u. 8
  4. Briefe von Hedwig Marquardt und Augusta Kaiser aus der Zeit von 1922 bis 1933, verwahrt im Familienarchiv Marsh, London, ausgewertet in: Joachim und Angelika Konietzny: Augusta Kaiser. Die Gustl Kaiser der Kieler Kunst-Keramik und ihr Leben mit Hedwig Marquardt.
  5. Dieter Zühlsdorff: Keramik-Marken Lexikon, Porzellan und Keramik Report 1885–1935. Stuttgart 1994, S. 533.
  6. Dörte Beier: Kiel in der Weimarer Republik. Die städtebauliche Entwicklung unter der Leitung Willy Hahns, Kiel 2004, S. 218, 219, Abb. 85
  7. Milchhalle Hirte Hamburg - Altona-Altstadt (online auf: bildindex.de)
  8. E. Rich. Schubert: Warum Ziegelbau? Eine Antwort aus Geschichte und Leistung der Ziegelindustrie. Werbebuch für die Ziegelindustrie, Bd. I, Berlin 1926, Abb. S. 50.
  9. Mitteilung zur Ausstellung, abgerufen am 5. August 2014
  10. History and Ceramics:1930s German ceramic art on display at the Lopez Island Library (Memento vom 10. Mai 2016 im Internet Archive)
  11. Kieler Kunst-Keramik 1924 - 1930. Augusta Kaiser, Hedwig Marquardt und weitere Künstler, abgerufen am 4. Dezember 2015

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Augusta Kaiser, Fotografie um 1920

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Klinkerkeramischer Portalgiebel von Augusta Kaiser für das Jugendheim im Werftpark Kiel-Gaarden, 1924/1925; beschrieben und abgebildet in: Konietzny 2017, Katalog-Nr. 54. und 54.1. Werkaufnahme in der Manufaktur (12,4 cm x 17,4 cm), rückseitig bezeichnet: „Gust Kaiser. Giebel Werfthaus Kiel 2 m H 3 m B“; aus dem Nachlass.
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Augusta Kaisers Monogramm „GK“ (Gust Kaiser), von ihr als „Manufakturzeichen“ benannt, als zeichnerischer Entwurf erstmals vorgestellt in dem Brief vom 26.08.1924 aus Kiel an Lotte Boltze. Hier auf dem Boden der Kieler Kunst-Keramik „Junge (Blumenhalter)“, Formnummer 401, 1924, unglasiert, Norddeutsche Privatsammlung
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Kieler Kunst-Keramik AG, Meerreiter, 1924, Height 42 cm. Design: Augusta Kaiser, Norddeutsche Privatsammlung
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Kieler Kunst-Keramik AG, Elefantenreiter, 1924, Höhe 27,3 cm, Entwurf: Augusta Kaiser, Norddeutsche Privatsammlung