Auflassung

Unter Auflassung versteht man heute im deutschen Grundstücksrecht die dingliche Einigung zwischen Käufer und Verkäufer über die Übereignung eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts.

Begriff

Früher (noch heute in Österreich) bezeichnete man als Auflassung auch das Ende der Nutzung oder die Aufgabe einer Sache, wobei diese oft der Verwahrlosung preisgegeben wird (z. B. Festungen, Eisenbahnstrecken,[1] Gräber[2] oder Kanäle). Otto Mayer erläuterte 1896, dass das Kollektiveigentum an öffentlichen Sachen seiner öffentlich-rechtlichen Natur durch die zuständige Behörde entkleidet werden könne (durch Auflassung, Aufhebung, Deklassierung, Entwidmung). Diese Auflassung bewirke, dass das Grundstück dem Staat als Privateigentum zustehe.[3] Die Auflassung sei das Gegenstück der Widmung.

Das Verb auflassen hatte noch weitere, teilweise regional begrenzte Bedeutungen wie verzichten, übergeben, feierlich übertragen.[4]

Recht

Heute bezieht sich der Rechtsbegriff im Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausschließlich auf die zur „Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers über die Eigentumsübertragung“.[5]

Rechtsgeschichte

Die Auflassung ist in ihrer ältesten Gestalt als prozessuale Auflassung überliefert. Die zur Besitzräumung verurteilte Partei erteilte dem Sieger im Rechtsstreit auf das Gerichtsurteil hin sofortige Auflassung und Investitur. Das Gericht stellte darüber eine „unscheltbare“ (unanfechtbare) Königsurkunde aus.[6]

Im älteren deutschen gemeinen Recht musste sich der Veräußerer anscheinend von seinem Grundstück lossagen,[7] was durch Renunziation (Verzicht, Besitzübertragung) auf dem Grundstück etwa durch feierliches Verlassen geschah.[8] Die Übertragung erfolgte auch durch einen feierlichen Akt, oft verbunden mit einer Symbolik wie der Übergabe einer Erdscholle mit Zweig, wodurch der Begünstigte gerichtlich geschützte Gewere erwarb.[9] Das Hamburger Stadtrecht des Ordelbok von 1270 erwähnte den Begriff „uplaten“ in I Art. 6.[10] Diese frühe Art der Auflassung löste eine große Zahl eher traditioneller, ritualisierter deutsch-rechtlicher Formen der Grundstücksübereignungen ab. Diese, auf dem Boden des Veräußerers selbst vorzunehmenden Übereignungsarten waren allesamt bestimmt durch den Bestandteil des Verzichts (lateinisch resignatio, abdicatio), bei dem der Veräußerer das Grundstück verlässt. Das Deutsche Rechtswörterbuch geht bei der Auflassung vom lübischen Recht aus dem Jahre 1294 aus.[11] In Köln verlangte man 1390, dass die Auflassung „mit hande, mit halme, mit munde, mit metze ind wasem ind mit upgeworpen gelde in de lüycht“.[12] Sprachgeschichtlich kam später zum Begriff des Verlassens die Eigentumsübertragung auf den Erwerber hinzu. So ist es beispielsweise im Hamburger Stadtrecht von 1603 formuliert: „Aber unbewegliche Erbe und Zinse sollen für sitzenden Rath in offener Audientz verlassen und auffgetragen werden [...]“ (II tit 4 Art. 4).[13]

Johann Heinrich Zedler verstand 1732 im ehelichen Güterrecht unter Auflassung, „wenn Eheleute einander beiderseits übergeben, was sie haben…“.[14] Der Begriff der Auflassung verlor danach an Bedeutung, denn weder der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (Januar 1756), der Codex Theresianus (Oktober 1766), noch das Allgemeine Preußische Landrecht (Juni 1794) erwähnten ihn.[15] Auch das österreichische ABGB vom Januar 1812 kennt das Wort nicht. Erst Friedrich Carl von Savigny belebte die Auflassung in seiner 1840 begründeten Lehre vom dinglichen Vertrag.[16] In dieser Form fand sie Eingang in das im Januar 1900 in Kraft getretene BGB.

Rechtsfragen

Der Rechtsbegriff Auflassung umfasst gemäß § 925 Abs. 1 BGB die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 BGB erforderliche dingliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers, die nach dieser Legaldefinition bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer „zuständigen Stelle“ (regelmäßig dem Notar) erklärt werden muss. Eine Stellvertretung ist zulässig, die Vertragsparteien können sich jeweils durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Auflassung ist bedingungsfeindlich (eine Grundstücksveräußerung unter Eigentumsvorbehalt ist nicht möglich) und darf auch nicht unter einer Zeitbestimmung erfolgen (§ 925 Abs. 2 BGB). Jedoch ist es statthaft, den Vollzug der Eintragung in das Grundbuch von einer Bedingung (z. B. Kaufpreiszahlung) oder einer Befristung abhängig zu machen (vgl. Anderkonto).

Neben der Auflassung ist materiell-rechtlich noch die Eintragung im Grundbuch erforderlich, erst dann ist die Übereignung bei einem Grundstückskaufvertrag rechtswirksam. Die Übereignung ist ein Verfügungsgeschäft. Es ist zum Eigentumswechsel erforderlich, weil nach dem Trennungsprinzip ein Eigentumswechsel nicht bereits mit dem Verpflichtungsgeschäft (dem Grundstückskaufvertrag) stattfindet.

Eine Beurkundung der Auflassung schreibt das BGB nicht vor, sie ist jedoch formell-rechtlich gegenüber dem Grundbuchamt zum Nachweis der Auflassung erforderlich, damit dieses die Eintragung ins Grundbuch vornehmen kann (siehe § 20 GBO, § 29 GBO). Außerdem tritt durch die Beurkundung auch eine Bindung an die Einigung ein, da dingliche Einigungen grundsätzlich bis zur Vollendung des Rechtserwerbes frei widerruflich wären (§ 873 Abs. 2 BGB). Aus diesen Gründen wird in der Praxis die Auflassung als dingliches Rechtsgeschäft zusammen mit dem schuldrechtlichen Grundstückskaufvertrag von dem Notar auch beurkundet.

International

Anders als das deutsche Recht kennt das österreichische Recht den Begriff der Auflassung nicht, insbesondere ist keine gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsparteien erforderlich.[17] Es spricht vielmehr von der Aufsandungserklärung (§ 32 Abs. 1 lit. b GBG). Die in § 883 ABGB postulierte Formfreiheit gilt auch für Kaufverträge des § 1053 ABGB. Deshalb ist sogar der mündlich geschlossene Grundstückskaufvertrag bindend, es bedarf jedoch der „Verbücherung“ des Eigentumsübergangs durch beglaubigte Urkunde (§ 432 ABGB), deren Inhalt in § 433 ABGB vorgeschrieben ist. Eine Eintragung ins Grundbuch („Einverleibung“ oder „Intabulation“) ist nur mit einer beglaubigten Aufsandungserklärung möglich. Dies ist die schriftliche Erklärung des Verkäufers, dass er mit der Eintragung im Grundbuch einverstanden ist. Aus § 431 ABGB ergibt sich, dass das Erwerbsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher (Grundbuch) eingetragen wird.

In der Schweiz ist der Grundstückskaufvertrag beurkundungspflichtig (Art. 216 OR, Art. 657 Abs. 1 ZGB). Zusätzlich zum Abschluss des beurkundeten Kaufvertrages ist für den Erwerb des Grundeigentums die Eintragung in das Grundbuch erforderlich (Art. 656 Abs. 1 ZGB). Für die eigentliche dingliche Einigung zwischen Käufer und Verkäufer von Grundstücken gibt es in Österreich und der Schweiz keinen besonderen Rechtsbegriff.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Auflassung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. J. Ferdinand Heßler (Red.): Encyclopädische Zeitschrift des Gewerbewesens, Band 3, 1843, S. 485.
  2. § 4 Abs. 4 Friedhofsgebührensatzung der Gemeinde Neuried. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Internetseite Gemeinde Neuried. 19. Dezember 2013, archiviert vom Original am 3. Januar 2019; abgerufen am 2. Januar 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.neuried.de
  3. Otto Mayer: Deutsches Verwaltungsrecht, 1896, S. 25
  4. Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch, Band I, 1914, Sp. 891 f.
  5. Gerhard Köbler: Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995, S. 29.
  6. Ursula Floßmann: Österreichische Privatrechtsgeschichte. Wien 1983, S. 159.
  7. Gerhard Köbler: Verzicht und Renuntiation, in: ZRG GA 85, 1968, S. 214.
  8. Ulrike Köbler: Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010, S. 371.
  9. Achilles Renaud: Lehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts, Band 1, 1848, S. 454 f.
  10. Christian Daniel Anderson: Ordelbok von 1270, in: ders. Hamburgisches Privatrecht, Teil 1, 1782, S. 8.
  11. Johann Friedrich Hach (Hrsg.): Das alte Lübische Recht, 1839, S. 258.
  12. „Mit Hand, mit Halm, mit Mund, mit Messer...und mit in die Luft hochgeworfenem Geld“ zu vollziehen sei: Hermann Aubin (Hrsg.): Die Weistümer des Kurfürstentums Köln, Band 1, 1913, S. 229.
  13. Georg Beseler: System des gemeinen deutschen Privatrechts, Band 1, 1866, S. 348 (FN 24)
  14. Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Band II, 1732, Sp. 798.
  15. Ulrike Köbler: Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010, S. 372.
  16. Friedrich Carl von Savigny: System des heutigen Römischen Rechts, Band III, 1840, S. 321.
  17. Susanne Frank, Thomas Wachter (Hrsg.): Immobilienrecht in Europa, 2015, S. 1002.