Astrud Gilberto

Astrud Gilberto, Amsterdam, 1966
Astrud Gilberto, 1970

Astrud Evangelina Gilberto, geb. Weinert (* 30. März 1940 in Salvador da Bahia, Brasilien; † 5. Juni 2023 in Philadelphia, Vereinigte Staaten), war eine brasilianisch-US-amerikanische Sängerin von Jazz und Populärmusik im lateinamerikanischen Stil (Samba und Bossa Nova), oft im Grenzbereich zum Easy Listening. Weltberühmt wurde sie 1963 durch die von ihr gesungene Originalaufnahme von The Girl from Ipanema. 1965 wurde sie mit dem Grammy ausgezeichnet.

Leben

Astrud Gilberto war neben Eda und Iduna eine von drei Töchtern des in Salvador da Bahia lebenden deutschen Einwanderers Fritz Weinert aus dessen Ehe mit der Brasilianerin Evangelina Weinert, geb. Lobão. Ihr Vater war Sprachlehrer und unterrichtete Deutsch und Englisch. Er erwarb sich auch eine gewisse Reputation als Kunstmaler.

1947 zog die Familie mit Astrud nach Rio de Janeiro. Dort war sie einige Zeit am Colégio de Aplicação (Hochschule für angewandte Kunst) eingeschrieben. In Rio hatte sie immer an der Avenida Atlântica gelebt. Anfang 1960 heiratete sie standesamtlich in Copacabana den sanftstimmigen brasilianischen Musiker João Gilberto, den sie im Jahr zuvor in der Wohnung der Sängerin Nara Leão, mit der sie befreundet war, kennengelernt hatte. Trauzeuge war der bahianische Poet Jorge Amado, der diese Funktion noch öfter für João Gilberto ausüben sollte. Astruds Mutter war begeistert; sie hielt den Ehemann ihrer Tochter für den besten Sänger der Welt. Das Paar ließ sich in einem Apartment in der Rua Visconde de Pirajá in Ipanema nieder und erwartete dort alsbald die Geburt des Sohnes João Marcelo (* 1960; mit vollem Namen João Gilberto Prado Pereira de Oliveira). Ihren vielleicht ersten öffentlichen Auftritt als Sängerin hatte Astrud Gilberto am 20. Mai 1960 vor dreitausend Zuschauern im Amphitheater der Fakultät für Architektur am Praia Vermelha von Rio. am Fuß des Zuckerhuts. Sie trug neben zahlreichen Stars der noch jungen Bossa-Nova-Szene zur Gitarre und vokalen Harmonien ihres Ehemanns Lamento und Brigas nunca mais vor und fand Gefallen beim Publikum.[1]

Astrud Gilberto folgte ihrem Mann 1963 in die Vereinigten Staaten, wo er seit 1962 arbeitete. Ihre erste und berühmteste Aufnahme ist der Titel A Garota de Ipanema – The Girl from Ipanema auf dem Verve-Album Getz/Gilberto, das 1963 die ab 1958/59 (vor allem unter dem Einfluss von Antônio Carlos Jobim u. a.) in Brasilien entstandene Bossa Nova in den USA und der Welt bekannt machte. Die Produktion machte viele reich; Stan Getz kaufte sich ein Haus mit 20 Zimmern, und João Gilberto bekam Anfang 1964 23.000 Dollar als seine erste Tantieme. Astrud bekam 120 Dollar für die Aufnahme,[2] was damals das übliche Entgelt für Musiker für einen Abend war. Der Saxophonist Stan Getz war begeistert von ihr, und sie schloss sich dann auch bald seiner Gruppe an. Obendrein hatte sie eine längere Affäre mit dem bereits verheirateten Getz. 1964 endete die Zusammenarbeit mit Getz auf beiden Ebenen, wenngleich sie später wieder gemeinsam auftreten sollten. Auch ihre Ehe mit João kam zu einem Ende; nach einem eigens dafür anbraumten Treffen am 28. Dezember 1964 in Mexiko wurde das offiziell verkündet. João nahm die Gelegenheit auch gleich wahr, seine anstehende Heirat mit Eloísa „Miúcha“ Buarque de Hollanda, der Schwester von Chico Buarque, bekanntzugeben. Astrud erklärte in Mexiko, das an den Gerüchten über eine Beziehung zu Frank Sinatra nichts dran sei und sie und Stan Getz, mit dem sie eine „gute Freundschaft“ (boa amizidade) verband, nun getrennte Wege gingen.[3]

Astrud Gilberto und Nick Lasorsa (1974)

Mitte 1966 erwarb Astrud Gilberto, zuletzt in New York lebend, ein herrschaftliches Haus in Philadelphia, das sie im brasilianischen Kolonialstil einrichtete. Grund war die anstehende Verehelichung mit Nicholas „Nick“ Lasorsa, einem ortsansässigen Besitzer zweier Nachtclubs.[4] Aus dieser Ehe sollte 1968 Gregory „Greg“ Lasorsa, der sich später auch als Gitarrist und Songwriter beschäftigte, hervorgehen. Die Ehe sollte bis in die 1980er Jahre bestehen und Philadelphia blieb bis zum Ende ihrer Tage Astruds Lebensmittelpunkt, wenngleich sie regelmäßig nach Brasilien zurückkehrte, wo sie dann auch wieder mit João und den anderen Pionieren der Bossa Nova Bewegung auftrat.

1965 nahm Astrud Gilberto mit The Astrud Gilberto Album ihr erstes eigenes Album auf. Hier sind, wie auch auf späteren Alben, vor allem Fremdkompositionen enthalten.[5] Ab dem Album Now (1972) versuchte sich Gilberto auch als Komponistin.[6] Die Abstände zwischen ihren Albumveröffentlichungen wurden immer größer. 1977 nahm sie für das Album That Girl from Ipanema eine Disco-Version ihres größten Hits auf.[7] 1983 entstand zusammen mit dem Jazz-Posaunisten Shigeharu Mukai das Album So & So: Mukai Meets Gilberto exklusiv für den japanischen Markt. Drei Jahre später folgte Plus, eine Kollaboration mit dem Bandleader und Komponisten James Last.

Darüber hinaus trat Astrud Gilberto in der ganzen Welt im Rahmen von Konzerten auf. In ihrer Heimat Brasilien trat sie allerdings nur 1965 in São Paulo in einem Konzert auf, wenngleich sie oft in kleinerem Rahmen zu sehen war.[8]

1992 erhielt sie die Auszeichnung Latin Jazz USA Award for Lifetime Achievement für ihr musikalisches Lebenswerk.

Astrud Gilberto hatte zwei Söhne, Marcelo Gilberto und Gregory Lasorsa. Mit diesen betrieb sie in den 1990er-Jahren den Musikverlag Gregmar Productions, Inc. 2001 zog sie sich aus dem Musikgeschäft zurück und widmete sich danach der Malerei. Darüber hinaus nutzte sie ihre anhaltende Popularität, um sich für Tierschutz und Tierrechte zu engagieren.

Astrud Gilberto starb im Juni 2023 im Alter von 83 Jahren.[9]

Auszeichnungen

Bei der 7. Grammy-Verleihung 1965 wurde das Album Getz/Gilberto als „Album des Jahres“ ausgezeichnet. Der Preis ging allerdings an Stan Getz und João Gilberto, da Astrud Gilberto lediglich bei den Liedern The Girl from Ipanema und Corcovado als Sängerin zu hören ist.[10] Für die Single The Girl from Ipanema erhielt Astrud Gilberto den Grammy gemeinsam mit Stan Getz.[11] Bei der Single-Version für den US-amerikanischen Markt fehlte João Gilbertos Gesang auf Portugiesisch. Bei dieser Fassung hört man lediglich Astrud Gilberto in englischer Sprache singen und eine verkürzte Fassung von Stan Getz’ Tenorsaxophon-Solo.[12]

Diskographische Hinweise

Alben

  • Stan Getz und Astrud Gilberto – Getz Au-Go-Go (Label Verve, 1964)
  • The Astrud Gilberto Album (Verve, 1964)
  • The Shadow of Your Smile (Verve, 1965)
  • Look to the Rainbow (Verve, 1965, The Gil Evans Orchestra)
  • Beach Samba (Verve, 1966)
  • A Certain Smile, a Certain Sadness mit Walter Wanderley (Verve, 1967)
  • Windy (Verve, 1968)
  • September 17, 1969 (Verve, 1969)
  • Gilberto Golden Japanese Album (Verve, 1969)
  • I Haven’t Got Anything Better to Do (Verve, 1970)
  • Astrud Gilberto with Stanley Turrentine (CTI, 1971)
  • Astrud Gilberto Now (Perception, 1972)
  • That Girl from Ipanema (Audio Fidelity, 1977, mit u. a. Chet Baker)
  • Astrud Gilberto Plus James Last Orchestra (PolyGram, 1987 und Universal 2009)
  • Live in New York (Pony Canyon, 1996)
  • Temperance (Album) (Pony Canyon, 1997)
  • Jungle (Magya, 2002)
  • Live at Berlin Jazz Festival 1966 (2021). mit Stan getz Quartet

Aufnahmen in Alben anderer Musiker und Gemeinschaftsproduktionen

  • Stan Getz und João Gilberto – Getz/Gilberto (Verve, 1963)
  • Quincy JonesThe Deadly Affair (Verve, 1965; Filmmusik)
  • Shigeharu Mukai und Astrud Gilberto – So & So – Mukai Meets Gilberto (Denon, 1982)
  • Michael FranksPassionfruit (Album) (Warner, 1983)
  • James LastPlus (Album) (Polydor, 1986)
  • Étienne DahoEden (Album) (Virgin, 1996)
  • George MichaelLadies and Gentleman – Best of George Michael (Sony, 1998)

Literatur

  • P. Welding: Astrud Gilberto/Stanley Turrentine (Review), In: Down Beat. 38, Nr. 20, 1971, S. 19.
  • C. Groome: The Girl from Ipanema’s a Lady Now. In: EAR: New Music News. 6/5–7/1, 1987, S. 13.
  • Ruy Castro: Bossa Nova: The Story of the Brazilian Music that Seduced the World, A Cappella Books (Chicago Review Press), 2000 (Originalveröffentlichung in Brasilien als Chega a Saudade, 1990)
  • G. Rava: The Lady from Ipanema. In: Jazz Magazine (Paris). 323, 1983, S. 42.
  • Leonard Feather: The Encyclopedia of Jazz in the Sixties. Da Capo, New York 1986, ISBN 978-0-306-80263-8 (Nachdruck der Auflage von 1966).
  • J. A. Tynan: Caught in the Act: Stan Getz – Astrud Gilberto, In: Down Beat. 31, Nr. 24, 1964, S. 35.
  • H. J. Rippert: Astrud Gilberto. In: Jazz-Podium. 39, Nr. 7–8, 1990, S. 55.

Weblinks

Commons: Astrud Gilberto – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Musikbeispiele

Einzelnachweise

  1. Marcos Massolini: Foto do mês: Festival de Bossa Nova na Faculdade de Arquitetura do Rio de Janeiro ( 20/05/1960), Almanaque do Malu, 27. Juni 2017
  2. Willi Winkler: Nachruf auf Bossa-Nova-Sängerin Astrud Gilberto. 7. Juni 2023, abgerufen am 17. Juni 2023 (In dem Artikel meint der Autor: "Der Legende nach bekam Astrud Gilberto gerade mal 120 Dollar für diesen Song - und machte Stan Getz reich.").
  3. Eli Halfoun: João Desquitea-se de Astrud no Mexico e se Casa Com outra Brasileira Nos EUA, Ultima Hora (RJ), 9. Januar 1965; Revista, S. 2
  4. Jornal do Brasil, 28. Juli 1966, Caderno B, S. 3
  5. https://www.discogs.com/Astrud-Gilberto-The-Astrud-Gilberto-Album/release/386072
  6. https://www.discogs.com/Astrud-Gilberto-Now/release/1135662
  7. Astrud Gilberto – That Girl From Ipanema. Abgerufen am 25. März 2022 (englisch).
  8. http://www.astrudgilberto.com/interview.htm
  9. Cantora Astrud Gilberto, um dos maiores nomes da bossa nova, morre aos 83 anos. In: globo.com. Abgerufen am 6. Juni 2023 (portugiesisch).
  10. https://www.discogs.com/Stan-Getz-Joao-Gilberto-Featuring-Antonio-Carlos-Jobim-Getz-Gilberto/release/170884
  11. https://www.grammy.com/grammys/awards/7th-annual-grammy-awards
  12. https://www.grammy.com/grammys/artists/astrud-gilberto

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Astrud Gilberto 1966.jpg
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Optreden van de Amerikaans-Braziliaans zangeres Astrud Gilberto, Amsterdam 1966.
Astrud Gilberto - Nick Lasorsa (1974).jpg
Brazilian Singer Astrud Gilberto and her husband Nicholas Lasorsa
Astrude Gilberto (1970).tif
Imagem do Fundo Correio da Manhã.