Astronomisches Observatorium Shanghai

Sheshan-Hügel mit Observatorium und Sheshan-Basilika, gelegen im Stadtbezirk Songjiang

Das Astronomische Observatorium Shanghai (chinesisch中国科学院上海天文台, englisch Shanghai Astronomical Observatory, SHAO) ist eine astronomische Forschungseinrichtung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, die im Jahr 1962 aus den Observatorien Sheshan und Xujiahui gebildet wurde. Direktor des Observatoriums ist seit dem 1. Januar 2018 Shen Zhiqiang (沈志强, *1965).[1][2]

Geschichte

Bereits ab 1865 hatte der Jesuitenpater Henri Le Lec, in China bekannt als Liu Deyao (刘德耀, 1832–1882), Naturkunde-Lehrer an der Mädchenschule des heutigen Muttergottes-Klosters in Xujiahui, fünfmal täglich mit aus Frankreich mitgebrachten Instrumenten Wetterbeobachtungen durchgeführt. Im August 1872 genehmigte dann Adrien-Hippolyte Languillat bzw. Lang Huairen, SJ (郎怀仁, 1808–1878), Titularbischof des Apostolischen Vikariats Kiangnan, den Bau eines meteorologischen Observatoriums in Shanghai (der zuerst ins Auge gefasste Standort Nanjing hatte sich als ungeeignet erwiesen). Am 1. Dezember 1872 begannen die astronomischen und meteorologischen Beobachtungen, zunächst von einer Plattform an der Ostseite des Pfarrhauses der heutigen Sankt-Ignatius-Kathedrale. Im Februar 1873 wurde mit den Bauarbeiten für ein eigenes Gebäude in der Puxi-Straße 221 begonnen, das im Juli 1873 fertiggestellt und in Betrieb genommen wurde. Ab 1874 wurden die Wetteraufzeichnungen jeden Monat in Tabellenform gedruckt veröffentlicht.[3]

Im November 1873 wurde Pater Marcus Dechevrens bzw. Neng Ensi, SJ (能恩斯, 1845–1923), der im meteorologischen Observatorium des Jesuitenkollegs Stonyhurst in Lancashire in der Messung des Erdmagnetfelds ausgebildet worden war – seit 1863 wurden dort jeden Monat geomagnetische Messungen durchgeführt, seit 1866 mit automatisch aufzeichnenden Magnetometern – nach Shanghai geschickt, mit dem Auftrag, im Xujiahui-Observatorium eine solche Messstation einzurichten. Am 29. November 1873 kam Dechevrens in Shanghai an, und 1874 begann er dann mit von Pater Stephen Joseph Perry, SJ (1833–1889) aus Stonyhurst geschickten Instrumenten mit einfachen Erdmagnetfeld-Beobachtungen. Dies war die erste Erdmagnetfeld-Messstation in China. 1876 übernahm Dechevrens die Leitung des Observatoriums von Pater Augustin Colombel bzw. Gao Longpan, SJ (高龙鞶, 1833–1905), der bis dahin die Geschäfte geführt hatte.

Der Neubau in der Puxi-Straße 166

In den folgenden Jahren begann man mit seismologischen Forschungen, und ab 1884 mit der Ermittelung der präzisen Sternzeit durch Himmelsbeobachtung, in China traditionell als 观星报时 (Pinyin Guānxīng Bàoshí) bezeichnet. Die exakte Zeit wurde als Dienstleistung für die Seeschiffahrt zunächst jeden Montag und Freitag Mittag per Signalkanone bekanntgegeben, dann, um die Verzögerung durch die Schallgeschwindigkeit zu eliminieren, mit einem elektrisch ausgelösten Zeitball am Hafen (siehe unten). Um dem erweiterten Aufgabenspektrum gerecht zu werden, wurde im Jahr 1900 hundert Meter westlich des alten Observatoriums, in der Puxi-Straße 166, ein Neubau errichtet, der am 1. Januar 1901 bezogen werden konnte. Da sich Zhang Zhidong, der Gouverneur von Hunan und Hubei, zusammen mit vier weiteren Provinzgouverneuren am 21. Juni 1900 geweigert hatte, einem Befehl von Kaiserinwitwe Cixi zur Ausländerbekämpfung nachzukommen, diesen vor der südchinesischen Bevölkerung geheim gehalten und stattdessen mit den Besatzungstruppen in Shanghai einen Waffenstillstand vereinbart hatte, blieb die Gegend vom Boxeraufstand unberührt.[4]

Im Jahr 1894 beschloss Pater Stanislas Chevalier bzw. Cai Shangzhi, SJ (蔡尚质, 1852–1930), seit 1888 Direktor des Observatoriums, ein eigenes astronomisches Observatorium zu errichten. Mit Spenden von britischen und französischen Reedereien, der ausländischen Niederlassungen in Shanghai sowie der katholischen Kirche konnte er in Paris ein Refraktor-Teleskop mit 40 cm Linsendurchmesser und 7 m Brennweite sowie eine dazu passende Stahlkuppel bestellen. Da der Boden im heutigen Stadtbezirk Xuhui weich und sumpfig ist und die mehr als 3 t schwere Konstruktion nicht tragen konnte, entschied man sich dafür, das Observatorium auf dem aus Fels bestehenden Sheshan-Hügel ca. 30 km westlich der Stadt zu bauen, wo die Jesuiten bereits ein Grundstück besaßen, auf dem die Vorgänger-Kirche der heutigen Sheshan-Basilika stand.[5] 1899 waren die Hauptgebäude fertiggestellt, und 1901 war das Teleskop mit Stahlkuppel installiert, dazu noch ein Meridiankreis. Stanislas Chevalier übernahm die Leitung des Sheshan-Observatoriums – das damals größte Observatorium in Ostasien – die er bis 1925 innehatte; die Leitung des meteorologischen Observatoriums in Xujiahui hatte bereits seit 1897 Pater Luis Marie Froc, auch bekannt als Aloysius Fros bzw. Lao Jixun, SJ (劳积勋, 1859–1932).[6][7]

1902 eröffneten die Besatzungsmächte eine Straßenbahnlinie nach Xujiahui. Die elektrische Straßenbahn störte beim Vorbeifahren die Erdmagnetfeld-Messgeräte. Pater Josephus de Moidrey bzw. Ma Delai, SJ (马德赉, 1858–1936), der Leiter der geomagnetischen Abteilung, protestierte immer wieder bei der ausländischen Verwaltung, bis diese im Jahr 1906 die Existenz des Problems anerkannte und 5000 liang (186,5 kg) Silber für eine Verlagerung der Erdmagnetfeld-Messstation zur Verfügung stellte. Die Wahl für den neuen Standort fiel auf Lujiabang (菉葭浜), die heutige Großgemeinde Lujia (陆家镇) in Kunshan, etwa 50 km westlich von Xujiahui. 1908 war die neue Messstation fertiggestellt, durch eine direkte Telegrafenleitung mit der Zentrale in Shanghai verbunden, um den Datenaustausch zu erleichtern. Zusammen mit dem Observatorium am Bund, das neben seiner Funktion als Zeitgeber auch Wetterinformationen an die Schiffe vermittelte, und dem Astronomischen Observatorium Sheshan, wo ab 1904 auch die Geodynamik angesiedelt war, besaß das Meteorologische Observatorium nun drei Außenstellen, die formal alle dem Generaldirektor in Xujiahui unterstanden, einer 1908 geschaffenen Position. In der Praxis operierten die Außenstellen aber weitgehend autonom. Neben der Wettervorhersage, besonders während der sommerlichen Taifun-Saison, befasste man sich, vor allem in Sheshan, auch mit Grundlagenforschung zu Sonnenflecken, Astrospektroskopie, Gravitationsmessung und Mikrobeben.[8][9]

Nach der Gründung der Volksrepublik China wurden die Einrichtungen – 1932 war das Geomagnetische Observatorium von Lujiabang auf den Sheshan-Hügel verlegt worden – auf der Basis eines Befehls der Militärregierung von Shanghai (海市军事管制委员会, Pinyin Shànghǎi Shì Jūnshì Guǎnzhì Wěiyuánhuì) vom 11. Dezember 1950, der wiederum auf einer Weisung des Außenministeriums in Peking beruhte, am 12. Dezember 1950 verstaatlicht. Die meteorologischen Abteilungen wurden vom Büro für Meteorologie der Militärregierung (军委气象局, Pinyin Jūnwěi Qìxiàng Jú) übernommen, während die Geodynamik, die Erdbebenforschung und die Astronomie in den Apparat der im November 1949 gegründeten Chinesischen Akademie der Wissenschaften übergingen.[10] 1962 wurden die Abteilungen in Sheshan und Xuhui – nach der Gründung der Volksrepublik China war der Stadtbezirk umbenannt worden – zum Astronomischen Observatorium Shanghai (上海天文台, Pinyin Shànghǎi Tiānwéntái) vereinigt.

Schon ab Mai 1914 hatte das Observatorium in Xujiahui per Funk ein Zeitsignal ausgesandt, und ab 1930 arbeitete es mit dem Bureau International de l’Heure bei der Bestimmung der Universal Time zusammen. 1956 begann das Observatorium damit, unter dem Rufzeichen BPV Zeitzeichen auszusenden, und von 1958 bis 1981 war es der zentrale Zeitgeber für China.[11] Nach einem Treffen mit Premierminister Zhou Enlai am 30. September 1960 begann man mit der Entwicklung von Atomuhren, zunächst mit Ammoniak-Molekülen, dann Caesium und schließlich Wasserstoff-Maser-Uhren. Von letzteren hat das Observatorium bislang über 100 Stück für den Verkauf hergestellt und ist damit der größte Produzent von Atomuhren in China.[12][13] 1999 zog die Zentrale in einen 19-stöckigen Neubau in der Nandan-Str. 80 im Xuhui-Bezirk im Zentrum Shanghais.

Forschungsbereiche

Die heutige Zentrale in der Nandan-Str. 80

Die 46 am Observatorium fest angestellten Wissenschaftsräte (研究员) im Rang von Professoren (Stand März 2019)[14] betätigen sich mit ihren Doktoranden – das Observatorium ist ein Campus der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften – und zahlreichen weiteren Wissenschaftlern derzeit in fünf Bereichen, wobei die Grenzen zwischen reiner Astronomie und angewandter Raumfahrttechnik fließend sind:

Zentrum für astro-geodynamische Forschung

Im Zentrum für astro-geodynamische Forschung beschäftigen sich seit Juli 1995 rund 60 Wissenschaftler und 80 Studenten mit Forschungen auf folgenden Gebieten:

– Messung, Analyse und Vorhersage der Veränderung der Erdrotation; Erforschung der Mechanismen, die die Veränderung der Erdrotation auslösen; Messung der Meeresgezeiten und Erdgezeiten; Bestimmung astronomischer Konstanten; Erforschung des inneren Aufbaus der Planeten, der dort auftretenden hydrodynamischen und magnetohydrodynamischen Prozesse sowie der Mechanismen ihrer Kopplung.

– Bestimmung der Kontinentaldrift sowie örtlicher Veränderungen der Erdkruste; Bestimmung der Veränderung der Position von Messstationen auf der Erdoberfläche in Bezug auf den Erdmittelpunkt; Bestimmung der Position und Eigenbewegung von Sternen und kompakten Radioquellen; Erstellung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von astronomischen Bezugsrahmen, Vergleich und Verknüpfung derselben; Forschungen auf dem Gebiet der Relativitätstheorie in der Astronomie.

– Forschungen zu Theorie und Praxis der präzisen Bestimmung des Orbits von Raumfahrzeugen; Forschungen zu Theorie und Praxis von Satelliten-Navigationssystemen wie Beidou oder GPS unter den Aspekten Positionsbestimmung, Weltraumwetter und Meteorologie.

Satelliten-Laserentfernungsmessung und Entwicklung neuer Technologien hierfür; Entwicklung von Technologien für die Laserentfernungsmessung von unkooperativen Zielen, Unterstützung der breiten Anwendung besagter Technologien in China für Zwecke der Überwachung von Zielen im Weltraum und rechtzeitiger Warnung vor Gefahren für Luft- und Raumfahrt; Entwicklung von Technologien für den Zeitvergleich mittels Laser, Synchronisierung der Zeit- und Frequenzgeber-Systeme von Satellit und Bodenstation sowie Abschätzung der Funktionsfähigkeit des Zeit- und Frequenzgebers auf dem Satelliten; Entwicklung neuer Technologien für auf Satelliten montierte Laserreflektoren.

– Messung und Simulation des Schwerefelds der Erde sowie die Erstellung eines hochpräzisen Modells desselben; Ableitung der Massenverschiebungsprozesse auf der Erdoberfläche und im Erdinneren mittels der Daten des simulierten Schwerefelds sowie Forschungen bezüglich der langfristigen Klimaveränderungen auf der Erde.

– Entwicklung von Technologien für die Erforschung von Planeten, Erforschung der Vorgänge und Dynamik in Atmosphäre, Ionosphäre und auf der Oberfläche erdähnlicher Planeten sowie der wechselseitigen Beeinflussung besagter Phänomene unter Verwendung globaler Navigationssatellitensysteme, Radar- und optischer Sensoren, Gravimetern, Höhenmessern und Radiometern.

– Forschungen bezüglich der Theorie und Fehleranalyse bei Messungen und Datenverarbeitung in allen Bereichen der Weltraumtechnologie, Erstellung und Verbesserung von Software zur Datenverarbeitung in besagten Bereichen; Sammeln und Ordnen aller Arten von Beobachtungsdaten, Einrichtung von Datenbanken, Schutz und Anwendung derselben.[15][16]

Abteilung für Astrophysik

Die Abteilung für Astrophysik ist stark vernetzt und betreibt gemeinsam mit der Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik das Schwerpunktlaboratorium der Chinesischen Akademie der Wissenschaften für Galaxien und Kosmologie (中国科学院星系和宇宙学重点实验室) sowie ein Gemeinsames Zentrum für Astrophysik (天体物理联合中心) mit der Xiamen-Universität. Außerdem nimmt die Abteilung an zahlreichen nationalen und internationalen Astronomie-Projekten teil, wie zum Beispiel dem LAMOST-Spektroskopieteleskop in Chengde, dem Hard X-ray Modulation Telescope im Weltraum, dem FAST-Radioteleskop in Guizhou, dem Sloan Digital Sky Survey, dem 30-m-Spiegelteleskop in Hawaii oder dem Large Synoptic Survey Telescope in Chile. Vor Ort in Shanghai betätigen sich rund 45 Wissenschaftler und 80 Studenten auf vier großen Gebieten:

– Erstellung von theoretischen Modellen aktiver Galaxienkerne, insbesondere der Akkretionsscheiben aktiver Galaxienkerne niedriger Leuchtkraft; Beobachtung der Besonderheiten und Veränderungen im Radiowellen-Spektrum aktiver Galaxienkerne; Rückkoppelung in aktiven Galaxienkernen; theoretische Behandlung, Beobachtung und Erstellung von Statistiken der Wechselwirkung zwischen aktivem Galaxienkern und der ihn umgebenden Galaxie; Untersuchung von Röntgendoppelsternen mit einem Schwarzen Loch oder einem Neutronenstern als kompaktem Partner; Analyse der Theorien zur Akkretion bei Schwarzen Löchern und ihrer Anwendungen in der Astrophysik; Untersuchung der Erwärmungs- und Abkühlungs-Ströme im Intracluster-Medium, Rückkoppelung desselben mit aktiven Galaxienkernen, Entstehung und Auswirkungen kosmischer Strahlung; Beobachtung und Erstellung eines theoretischen Modells der Radioquelle Sagittarius A* sowie Forschungen zu Entstehung und Effekten der Fermi-Blasen im Zentrum der Milchstraße.

– Dynamik von Planeten und Planetensystemen, Aufbau und Dynamik im Inneren von Planeten; protoplanetare Scheiben und die Entstehung von Planeten; Exoplaneten.

– Kompakte Sterne wie Weiße Zwerge oder Neutronensterne; Forschungen zu komplexen, aus Sternen bzw. Doppelsternen und Planeten zusammengesetzten Sternsystemen, Entstehung, Struktur und Evolution von Sternen und Doppelsternen, Wechselwirkungen zwischen Sternen und Planeten; Forschungen zu offenen Sternhaufen und Kugelsternhaufen in der Milchstraße; Beobachtung und Erstellung theoretischer Modelle zur chemischen Evolution der Milchstraße und dem Problem des Mangels an Roten Zwergen mit geringer Metallizität; Forschungen zu den Besonderheiten in der Dynamik der galaktischen Scheibe und ihrer Spiralarme sowie deren Wechselwirkungen mit dem galaktischen Halo.

– Entstehung, Evolution und Verteilung von Galaxien; Struktur und Wachstumsgeschichte des diese umgebenden Dunklen Halos; Forschungen zur kosmischen Reionisierung; die Koevolution von Galaxien und aktiven Galaxienkernen; die chemische Evolution naher Galaxien.[17][18]

Abteilung für Wissenschaft und Technik der Radioastronomie

Die Abteilung für Radioastronomie, die mit dem Bau des 25-m-Radioteleskops 1986 in Sheshan gegründete wurde, ist ebenfalls stark vernetzt. Ihr Zentrum für neue Wege in der radioastronomischen Forschung und Technologie (射电天文研究与技术创新中心) nimmt an mehreren langfristigen Projekten wie dem Square Kilometre Array in Südafrika und Australien teil.[19][20] Rund 50 weitere Wissenschaftler beschäftigen sich in der Radioastronomischen Beobachtungsbasis (射电天文观测基地) in Sheshan, im Radioastronomischen Laboratorium (射电天文技术实验室) in der Nandan-Straße sowie im VLBI-Zentrum (VLBI中心) in Tianma mit folgenden Projekten:

– Suche nach Pulsaren sowie Studium von Strahlungsmechanismen, Evolutionsverlauf und innerem Aufbau derselben mit Hilfe des 65-m-Radioteleskops in Tianma, um Daten für die Etablierung einer Pulsar-basierten Standardzeit sowie für die automatische Navigation im tiefen Weltraum zu erhalten.

– Koordinierung des Chinesischen VLBI-Netzwerks (中国VLBI网) für die Bahnverfolgung der Sonden des Mondprogramms der Volksrepublik China in der VLBI-Beobachtungsbasis Sheshan (佘山VLBI观测基地); Entwicklung der eVLBI-Software für schnelle Datenübertragung zwischen den Antennen in Ürümqi, Miyun, Kunming, Tianma sowie Sheshan und der Basis.

– Datenverarbeitungs-Dienstleistungen des VLBI-Zentrums Tianma als Korrelator für den Internationalen VLBI-Service für Geodäsie und Astrometrie (IVS), das Ostasiatische VLBI-Netzwerk (EAVN), das Crustal Movement Observation Network of China (CMONOC), wo örtliche Veränderungen der Erdkruste in China gemessen werden, sowie für die Bahnverfolgung chinesischer Raumsonden im tiefen Weltall.

– Bau einer Station für das VLBI Global Observatory System (VGOS) in Sheshan, mit einer kleinen, schnell schwenkbaren Parabolantenne mit einem Durchmesser von 13,2 m.[21] Unter Einbeziehung globaler Navigationssatellitensysteme und von Satelliten-Laserentfernungsmessung unterstützt Sheshan mit seiner 25-m-Antenne den International Terrestrial Reference Frame.

– Weitere Verbesserung des selbst entwickelten Datenerfassungssystems, nach der englischen Bezeichnung „Chinese VLBI Data Acquisition System“ international mit „CDAS“ abgekürzt und in allen Stationen des Chinesischen VLBI-Netzwerks installiert.[22][23]

Labor für optische astronomische Instrumente

Seit mehr als 50 Jahren beschäftigen sich hier rund 30 Wissenschaftler und Ingenieure mit der Entwicklung verschiedener Arten von optischen Teleskopen, so zum Beispiel 1987 das oben auf dem Sheshan-Hügel installierte 1,56-m-Spiegelteleskop. Derzeit arbeitet man in folgenden Bereichen:

CCD-Teleskope.

– Verbesserungen am 1,56-m-Spiegelteleskop für präzise Satellitenbeobachtung.

– Ferngesteuerte und automatische Himmelsbeobachtung.[24][25]

– Optische Interferometrie mit Mehrfach-Teleskopen.[26][27]

Labor für Zeit- und Frequenzgeber

Der Zeitball des Observatoriums am Bund (1897)

Diese Abteilung geht auf das „Observatorium am Bund“ (外滩天文台) zurück, in Wahrheit nur ein Signalturm des meteorologischen Jesuiten-Observatoriums in Xujiahui (徐家汇观象台), wo ab 1884 mit einem Zeitball-Mechanismus den Seeleuten die Gelegenheit gegeben wurde, ihre Schiffschronometer zu überprüfen.[28] Heute arbeiten dort rund 30 Wissenschaftler und Ingenieure auf folgenden Gebieten:

– Verbesserung der Zuverlässigkeit von aktiven Wasserstoff-Maser-Uhren.

– Entwicklung von aktiven Wasserstoff-Maser-Uhren für Raumstationen.

– Entwicklung verschiedener Arten von passiven Wasserstoff-Maser-Uhren.

– Entwicklung von passiven Wasserstoff-Maser-Uhren für Satelliten.

– Forschungen zu Theorie, Technologie und Methodik für Zeit- und Frequenzmessung.

– Forschungen zur Technologie von Zeitgebern für Navigationssatelliten.

– Forschungen zu neuen Formen von Frequenzstandards.

– Herstellung von Wasserstoff-Maser-Uhren für den Verkauf.[29][30]

Teleskope

Radioteleskope

Astronomisches Observatorium Shanghai (Volksrepublik China)
Tian Ma
Sheshan
Standorte der Radioteleskope
  • 25 Meter Sheshan (SH25) bei Shanghai.[33] Dieses Radioteleskop liegt nur wenige Kilometer entfernt vom neuen 65-Meter Tianma-Radioteleskop und kann zusammen mit diesem betrieben werden wie ein einziges Teleskop mit besseren Leistungen. Die Station in der Cassegrain Beam Waveguide Bauform wurde 1986 erbaut und verfügt über 6 Empfänger mit den Frequenzbereichen 1,3, 3,6/13, 5, 6 und 18 cm und ist seit 1993 beteiligt am European VLBI Network.[34] 31° 5′ 57″ N, 121° 11′ 58″ O
  • 65 Meter Tianma-Radioteleskop bei Shanghai (SH65). Voll beweglich, adaptive Anpassung der Oberfläche mit Aktuatoren. Empfangsbereich 1–50 GHz, Empfänger für die Frequenzbänder L, S, X, C, Ku, K, Ka, Q. Baubeschluss war 2008, Grundsteinlegung Ende 2009, Baubeginn 2010, Erstes Licht war am 26. Oktober 2012 und zwei Tage später wurde die Station offiziell eröffnet. Der Ausbau der oberen Frequenzbänder erfolgte bis 2015.[35] Höhe 79 Meter, Gewicht 2.700 Tonnen.[36][37] 31° 5′ 31,6″ N, 121° 8′ 11,4″ O

Diese beiden Radioteleskope können mit den Stationen in Ürümqi (UR25), Miyun und Kunming (KM40) zusammengeschaltet werden und bilden auf diese Weise das Chinesische VLBI-Netzwerk (CVN), ein VLBI-Teleskop in der Größe Chinas. Die Auswertung geschieht über das Sheshan VLBI Center. Beide Teleskope sind auch Teil des Chinesischen Deep-Space-Netzwerks.[38]

  • Am 8. März 2017 fand die Grundsteinlegung für das 13,2-m-VGOS-Radioteleskop auf dem SH25-Gelände in Sheshan statt.[39] Durch die räumliche Nähe zu der größeren Parabolantenne bestand das Problem der Verschattung, was dadurch gelöst wurde, dass die neue Antenne auf einen 14,5 m hohen Sockel gesetzt wurde.[40] Am 14. September 2018 fanden die ersten Probemessungen mit der Antenne statt.[41] Die für eine Lebensdauer von mindestens 20 Jahren ausgelegte Antenne soll zunächst im Frequenzbereich 2–14 GHz arbeiten, mit der Option, sie später auf das Ka-Band zu erweitern. Durch ihre relativ kleine Größe kann die Antenne rasch geschwenkt werden, horizontal mit einer Geschwindigkeit von 12°/s, vertikal mit 6°/s.[42]

Einzelnachweise

  1. 历任领导. In: shao.cas.cn. Abgerufen am 16. März 2022 (chinesisch).
  2. 现任领导. In: shao.cas.cn. Abgerufen am 16. März 2022 (chinesisch).
  3. Agustín Udías Vallina: Searching the Heavens and the Earth: The History of Jesuit Observatories. Springer Science+Business Media, Dordrecht 2003, S. 158. Wenn auch das Tragen chinesischer bzw. mandschurischer Kleidung bei den Jesuiten umstritten war, so passten sich doch die katholischen Missionare u. a. durch das Annehmen von chinesischen Namen wesentlich stärker an ihre Umgebung an als ihre protestantischen Kollegen, wodurch sie weniger in Schwierigkeiten mit der örtlichen Bevölkerung gerieten.
  4. Larry Clinton Thompson: William Scott Ament and the Boxer Rebellion: Heroism, Hubris, and the "Ideal Missionary". McFarland & Company, Jefferson 2009, S. 84f.
  5. Katholische Kirchen in Shanghai. (PDF) In: http://www.china-zentrum.de/. Abgerufen am 20. März 2019 (chinesisch).
  6. 王雷 et al.: 上海气象志 第十六编 徐家汇观象台 第一章 沿革 第一节 创建概要. In: shtong.gov.cn. 30. Oktober 2003, abgerufen am 6. Oktober 2022 (chinesisch).
  7. 林清: 百年沧桑的上海天文台. In: cnki.com.cn. 10. Januar 2008, abgerufen am 6. Oktober 2022 (chinesisch).
  8. Agustín Udías Vallina: Searching the Heavens and the Earth: The History of Jesuit Observatories. Springer Science+Business Media, Dordrecht 2003, S. 164.
  9. 简逢敏 et al.: 上海测绘志 第一篇 大地测量 概述. In: http://www.shtong.gov.cn/. 25. Februar 2003, abgerufen am 22. März 2019 (chinesisch).
  10. 王雷 et al.: 上海气象志 第十六编 徐家汇观象台 第一章 沿革 第一节 创建概要. In: http://www.shtong.gov.cn/. 30. Oktober 2003, abgerufen am 17. März 2019 (chinesisch).
  11. History----Shanghai Astronomical Observatory,Chinese Academy of Sciences. Abgerufen am 25. November 2017.
  12. 中心简介. In: http://fts.shao.cas.cn/. Abgerufen am 23. März 2019 (chinesisch).
  13. Development History. In: http://english.ntsc.cas.cn/. 18. Juni 2009, abgerufen am 23. März 2019 (englisch).
  14. Faculty. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (englisch).
  15. Center for Astro-geodynamics Research. In: http://english.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (englisch).
  16. 天文地球动力学研究中心. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (chinesisch).
  17. Astrophysics Division. In: http://english.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (englisch).
  18. 天体物理研究室. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (chinesisch).
  19. Projects. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 12. März 2019 (englisch).
  20. 科研项目. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 12. März 2019 (englisch).
  21. List of VGOS Sites. (PDF) In: https://ivscc.gsfc.nasa.gov/. November 2018, abgerufen am 13. März 2019 (englisch).
  22. Division of Radio Astronomy Science and Technology. In: http://english.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (englisch).
  23. 射电天文科学与技术研究室. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (chinesisch).
  24. The Laboratory of Technologies for Optical Astronomy. In: http://english.shao.cas.cn/. 4. September 2014, abgerufen am 7. März 2019 (englisch).
  25. 光学天文技术研究室. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (chinesisch).
  26. Optical Interferometry Laboratory of Shanghai Astronomical Observatory. In: http://optical.shao.cas.cn/. 22. August 2016, abgerufen am 15. März 2019 (englisch).
  27. 实验室概况. In: http://optical.shao.cas.cn/. Abgerufen am 15. März 2019 (chinesisch).
  28. 中心简介. In: http://fts.shao.cas.cn/. Abgerufen am 16. März 2019 (chinesisch).
  29. Time & Frequency Research Center. In: http://english.shao.cas.cn/. 24. Juli 2014, abgerufen am 7. März 2019 (englisch).
  30. 时间频率技术研究室. In: http://www.shao.cas.cn/. Abgerufen am 7. März 2019 (chinesisch).
  31. The Laboratory of Technologies for Optical Astronomy----Shanghai Astronomical Observatory,Chinese Academy of Sciences. Abgerufen am 25. November 2017.
  32. The 60cm Laser-Ranging Station----Shanghai Astronomical Observatory,Chinese Academy of Sciences. Abgerufen am 25. November 2017.
  33. Shanghai Astronomical Observatory. Abgerufen am 17. November 2017.
  34. The 25m Radio Telescope Observing Station - Shanghai Astronomical Observatory, Chinese Academy of Sciences. Abgerufen am 25. November 2017.
  35. Tian Ma 65-m Radio Telescope. (Online [PDF]).
  36. Tianma Telescope and Observation Station----Shanghai Astronomical Observatory,Chinese Academy of Sciences. Abgerufen am 23. Februar 2019.
  37. 系统效率. In: http://radio.shao.cas.cn/. Abgerufen am 14. März 2019.
  38. 刘庆会: 火星探测VLBI测定轨技术. In: jdse.bit.edu.cn. 5. Mai 2018, abgerufen am 23. April 2021 (chinesisch).
  39. Wang Guangli et al.: The Sheshan VGOS station progress on construction. (PDF) In: https://www.chalmers.se/. 11. Mai 2017, abgerufen am 14. März 2019 (englisch).
  40. 李金岭 et al.: 佘山25 m与13 m射电望远镜互掩问题分析. In: http://xb.sinomaps.com/. 15. Oktober 2017, abgerufen am 14. März 2019 (chinesisch).
  41. 李金岭 et al.: 佘山13 m口径射电望远镜指向扫描数据解析. In: ch.whu.edu.cn. 17. Mai 2019, abgerufen am 23. April 2021 (chinesisch).
  42. Wang Guangli: An Introduction to the Sheshan VGOS Station Project. (PDF) In: http://ivscc.bkg.bund.de/. Abgerufen am 14. März 2019 (englisch).

Weblinks

Koordinaten: 31° 5′ 57″ N, 121° 11′ 58″ O

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der Shanghaier Bund im Jahr 1897

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Sheshan Hill in Shanghai