Arztwerberecht

Werbeschild einer Arztpraxis

Das Arztwerberecht in der Bundesrepublik Deutschland ist die Gesamtheit der Bestimmungen, die die Möglichkeiten und Grenzen der Werbung von Ärzten und Zahnärzten regeln. Gesetzliche Grundlagen des Arztwerberechts sind insbesondere die jeweiligen Berufsordnungen der Landes(zahn)ärztekammern in den einzelnen Bundesländern und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).[1]

Grundsätze des Werberechts

Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte

Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe, sondern seiner Natur nach ein freier Beruf (§ 1 Abs. 1 Satz 2 MBO-Ä; § 2 Abs. 1 MBO-ZÄ).

Traditionell war Ärzten daher fast jede Werbung untersagt. Im Zuge der liberalisierenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Werberecht der Freiberufler wurden die Bestimmungen gelockert. Seit 2002 (105. Ärztetag in Rostock) sind nach § 27 der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer (MBO-Ä)[2] sowie der Bundeszahnärztekammer (MBO-ZÄ)[3] und allen Berufsordnungen der Landes(zahn)ärztekammern „sachliche berufsbezogene Informationen“ gestattet. Diese umfassen insbesondere nach der Weiterbildungsordnung erworbene Bezeichnungen, nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erworbene Qualifikationen, als solche gekennzeichnete Tätigkeitsschwerpunkte und organisatorische Hinweise (§ 27 Abs. 4 MBO-Ä).

Berufswidrige Werbung ist dagegen untersagt (§ 27 Abs. 3 MBO-Ä). Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung (§ 27 Abs. 3 Satz 2 MBO-Ä; § 21 MBO-ZÄ).

Mit diesen weiterhin geltenden Einschränkungen sollen sowohl der Patientenschutz gewährleistet als auch eine dem ärztlichen Selbstverständnis zuwiderlaufende Kommerzialisierung des Arztberufs vermieden werden (§ 27 Abs. 1 MBO-Ä). Weiterhin verboten sind damit z. B. Blickfangwerbung, Superlative, Eigenlob, Hinweise auf Empfehlungsschreiben und Danksagungen, wobei nach Ansicht juristischer Autoren die örtliche Übung und der Adressatenkreis der Werbung berücksichtigt werden soll.[4]

Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Stand: 14. Juli 2012) lehnt einschränkende Auslegungen ab.[5][6] Hiernach sind berufsrechtlichen Regelungen für (Zahn-)Ärzte in verfassungskonformer Weise auszulegen, so das BVerfG. Dabei ist insbesondere im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich zu fordern, dass ein Werbeverbot anhand von plausiblen Gründen nachvollziehbar und keineswegs nur pauschal begründet wird. Die Tragweite des Grundrechts auf Berufsfreiheit wird dabei regelmäßig dann verkannt und damit in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn bei der Ermittlung des (Werbe-)Begriffsverständnisses bestimmte, auf der Hand liegende, für die Aussage des Begriffs erkennbar relevante Aspekte entweder gar nicht erörtert werden oder ihre Berücksichtigung mit unvertretbarer Argumentation abgelehnt wird.[7]

Im Zuge der Liberalisierung ist die Unterscheidung zwischen Klinikärzten und niedergelassenen Ärzten inzwischen aufgegeben worden, so dass auch niedergelassene Ärzte im selben Umfang werben dürfen. Auch die im HWG gesetzlich untersagte Selbstdarstellung in Arztkleidung ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshof erlaubt.[8] Gewinnspiele sind nach neuerer Rechtsprechung zumindest bei Zahnärzten erlaubt.[9]

Produktwerbung

Die Mehrzahl der Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) reguliert die Werbung für Arzneimittel. Diese und sonstige Werbung für gewerbliche Produkte oder Dienstleistungen ist Ärzten im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit schon nach den Berufsordnungen untersagt (§ 27 Abs. 3 S. 4 MBO-Ä). Das HWG ist aber für Ärzte ergänzend von Bedeutung, wenn sie für konkrete Verfahren und Behandlungen zur Erkennung, Beseitigung und Linderung von Krankheiten werben. Daneben werden auch plastisch-chirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit, also insbesondere Schönheitsoperationen, erfasst (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG).[10]

Schwangerschaftsabbruch

§ 219a Strafgesetzbuchstellte bis 18. Juli 2022 die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft unter Strafe, wobei dessen Absatz 4 seit 2019 Ausnahmen für Ärztinnen und Ärzte, die nur auf die Tatsche hinweisen, dass sie straflose Schwangerschaftsabbrüche vornahmen bzw. auf Informationen zuständiger Behörden, Beratungsstellen oder einer Ärztekammer hinwiesen, vorsah.

Die Ärztin Kristina Hänel erhob gegen ihre entsprechende strafgerichtliche Verurteilung im Februar 2021 Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.[11][12]

Am 24. Juni 2022 beschloss der Deutsche Bundestag die Aufhebung des § 219a StGB. Am 8. Juli 2022 passierte die Aufhebung den Bundesrat, ohne dass dieser Einspruch einlegte. Die Aufhebung wurde am 11. Juli vom Bundespräsident ausgefertigt und am 18. Juli 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet[13]. Strafgerichtliche Urteile, die aufgrund des § 219a StGB nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, wurden ebenfalls aufgehoben. Zugleich wurde der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) erweitert um das Verbot der irreführenden Werbung für Schwangerschaftsabbrüche (§§ 1, 3, 14, 15 HWG). Damit will der Gesetzgeber „der Gefahr begegnen, dass nach Aufhebung des § 219a StGB unsachliche oder gar anpreisende Werbung für Schwangerschaftsabbrüche betrieben wird“.[14]

Internetpräsenz

Ärzte dürfen eine Internetpräsenz haben. Für die Gestaltung ist neben den Vorgaben des Berufsrechts, des Heilmittelwerbegesetz (HGW) und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auch das Telemediengesetz (TMG) zu beachten, außerdem können das Datenschutzrecht (§ 13 TMG, § 33 BDSG), der Medienstaatsvertrag (MStV) für journalistisch-redaktionelle Inhalte sowie Regelungen aus dem Marken- und Namensrecht (Markengesetz, § 12 BGB) und dem Urheberrecht (UrhG; Kunsturhebergesetz) einschlägig sein.[15]

Pflichtangaben

Zu den berufsrechtlichen Pflichtangaben zählen die Angaben, die gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 MBO-Ä auch auf einem Praxisschild gemacht werden müssen.[16]

Das sind

Außerdem bestehen die allgemeinen Informationspflichten (Impressumspflicht) gem. § 5 TMG. Dazu zählen

  • der Vor- und Zuname des Anbieters,
  • seine postalische Anschrift,
  • die Mail-Adresse oder Telefonnummer der Praxis,
  • die Rechtsform
  • die gesetzliche Berufsbezeichnung (Arzt/Ärztin)
  • der Staat, der die Berufsbezeichnung verliehen hat
  • die Angabe der zuständigen Landesärztekammer
  • die Bezeichnung und Zugänglichmachung der einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen
  • bei Vertragsärzten die zuständige Kassenärztliche Vereinigung.

Da die Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt oder Zahnarzt erbracht werden, umsatzsteuerfrei sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 14a UStG), muss keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben werden, auch keine Steuernummer oder steuerliche Identifikationsnummer.

Die Wahl des Domain-Namens darf weder irreführend noch anpreisend sein.

Freiwillige Angaben

Berufsrechtlich zulässig sind weitere organisatorische Angaben im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 MBO-Ä, beispielsweise

  • zu Sondersprechstunden
  • zur Erreichbarkeit außerhalb der Sprechstunde
  • zu Urlaubszeiten und zur Vertretung
  • und zur Praxisgröße, zu den Praxisräumen und zur Ausstattung, beispielsweise der Barrierefreiheit.

Angaben zur Berufshaftpflichtversicherung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 11 DL-InfoV sind bei der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen vom Anwendungsbereich der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) ausgenommen (§ 1 DL-InfoV, Art. 2 Abs. 2 lit. f Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt).

Ahndung von Verstößen

Verstöße gegen die Berufsordnungen der Kammern werden von den Berufsgerichten geahndet.[17]

Wettbewerbsrechtlich unzulässige Handlungen begründen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern gem. § 8 UWG.[18]

Wer dem Verbot der irreführenden Werbung gem. § 3 HWG vorsätzlich zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft (§ 14 HWG). Fahrlässige Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit geahndet (§ 15 Abs. 2 HWG). Soweit ein Verstoß gegen das HWG zugleich einen Rechtsbruch im Sinne des § 3a UWG darstellt, bestehen auch wettbewerbsrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Diese können auch im Wege der Verbandsklage geltend gemacht werden.[19]

Literatur

  • Beate Bahner: Das neue Werberecht für Ärzte. 2. Aufl., Springer, Berlin 2004. ISBN 3-540-00036-4.
  • Christoph Kretschmer: Ärztliche Werbung im europäischen Kontext. Peter Lang, Frankfurt am Main, 2006. ISBN 3-631-55734-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. P. Hüttl, J. Heberer, M. von Knoch, M. Siegert: Das Werberecht der medizinischen Leistungserbringer. Teil 3: Das ärztliche Werberecht nach den Vorgaben des UWG. Der Chirurg 2008, S. 28–32.
  2. (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 in der Fassung des Beschlusses des 124. Deutschen Ärztetages vom 5. Mai 2021 in Berlin.
  3. Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer Stand: 16. November 2019.
  4. vgl. P. Hüttl, J. Heberer, M. von Knoch, M. Siegert: Das Werberecht der medizinischen Leistungserbringer. Teil 3: Das ärztliche Werberecht nach den Vorgaben des UWG. Der Chirurg 2008, S. 28–32.
  5. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2012, AZ: 1 BvR 407/11
  6. Beschluss vom 7. März 2012; AZ: 1 BvR 1209/11
  7. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2012, AZ: 1 BvR 407/11
  8. Deutsche Krankenhausgesellschaft: Erläuterung zum Urteil (Memento desOriginals vom 8. April 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dkgev.de Stand: 23. August 2009
  9. BGH: Werbung vom Zahnarzt mit Gewinnspiel und weiteren Informationen auf Internetseite erlaubt (MacDent) (Memento desOriginals vom 21. August 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jur-blog.de Stand: 23. August 2009
  10. Arzt – Werbung – Öffentlichkeit. Hinweise und Erläuterungen Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 2017, S. 1–7, S. 3 f.
  11. Ärztin informierte über Abtreibung: Kristina Hänel zieht nach Verurteilung vor Bundesverfassungsgericht Der Tagesspiegel, 19. Februar 2021.
  12. Frauke Brosius-Gersdorf: Der Fall Kristina Hänel: Zur Verfassungswidrigkeit des § 219a Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 StGB (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) Rechtsgutachten im Auftrag des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw), August 2020.
  13. Bundesgesetzblatt. Abgerufen am 19. Juli 2022.
  14. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch. BT-Drs. 20/1635 vom 2. Mai 2022, S. 2.
  15. vgl. Landesärztekammer Baden-Württemberg: Der Internetauftritt von Ärztinnen und Ärzten (Memento desOriginals vom 9. August 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aerztekammer-bw.de Merkblatt, Stand: August 2013.
  16. vgl. Ärztekammer Nordrhein: Praxisschilder/Anzeigen für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte Stand: 17. April 2013.
  17. vgl. beispielsweise BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 1 BvR 407/11 unzulässige Bezeichnung einer Berufsausübungsgemeinschaft als „Zahnärztehaus.“
  18. vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – I ZR 104/10 Werbung mit dem Begriff „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum.“
  19. vgl. beispielsweise LG Hamburg, Urteil vom 18. September 2015 - 315 O 115/15 Werbung mit einer kostenlosen Beratung für Brustvergrößerungen durch eine private Fachklinik für plastische und ästhetische Chirurgie.

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