Arthur Günsburg

Arthur Günsburg (* 18. Februar 1872 in Wien; † 1. Februar 1949 in Lissabon) war ein österreichisch-deutscher Theaterleiter sowie Regisseur und Produzent der Stummfilmzeit.

Leben und Wirken

Günsburg wurde 1872 als Sohn des Kaufmanns Semi Günsburg und seiner Frau Regina, geb. Klemperer, in Wien geboren.[1] Er lebte und arbeitete in Berlin und „stand dem Theater seit vielen Jahren nahe“, wie Siegfried Jacobsohn 1912 in seiner Schaubühne über ihn schrieb.[2]

Schon um die Jahrhundertwende war Günsburg als Textdichter zur Musik von Béla Laszky in Erscheinung getreten. Mit Theatertruppen ging er auf Gastspielreisen, u. a. nach Holland,[3] und war an verschiedenen deutschen Bühnen als Impresario tätig, etwa am Komödienhaus in Berlin und am Neuen Theater in Frankfurt am Main.[4][5]

Als Unternehmer betrieb er in Berlin die A.G. Filmfabrikation, später Herstellung von A.G.-Film Arthur Günsburg (1918–1929)[6], die bereits 1913 und dann wieder ab 1918 bis zum Ende der Stummfilmzeit Unterhaltungsfilme herstellte. Darunter war die Zweiakter-Serie Krause mit ihrem Hauptdarsteller Karl Neisser, für deren Folgen Papa Krause und Ganz ohne Krause (beide 1918) sowie Krause als Detektiv und Quatsch nicht, Krause (beide 1919) Leonhard Haskel das Manuskript schrieb; lediglich bei der letzten Folge Held Krause (ebenfalls 1919) war Walter Formes der Drehbuchautor.

Einen Namen machte Günsburg sich 1920 mit seinem Künstlerportrait Die Tragödie eines Großen (auch Rembrandt und seine Frauen) und 1922 mit seiner Opernverfilmung Die Stumme von Portici nach der gleichnamigen Oper von Daniel-François-Esprit Auber. Aufsehen erregte 1927 auch seine Filmfassung des 1924 erschienenen Romans Die glühende Gasse von Paul Rosenhayn, die in Österreich unter dem Titel Brennende Straße gezeigt wurde.[7]

Hausregisseur der A.G. Film war Lorenz Baetz. Günsburg selbst war vorwiegend als Produzent tätig, führte aber bei 15 Spielfilmen auch Regie; bei zweien hatte er die künstlerische Oberleitung. Bei vielen seiner Filme besorgte Otto Kanturek die Fotografie.

Im Oktober 1923 gründete Günsburg die Günsburg-Film Aktiengesellschaft (1923–1927), war Alleinvorstand, aber selbst nicht als Aktionär an der Firma beteiligt.[8] Zu den Aktionären gehörte u. a. der Regisseur Joseph Delmont. Vorsitzender des Aufsichtsrats war Georg Freiherr von Eppstein. Eppstein und Günsburg gründeten im Dezember 1930 die Helios-Lichtspiele GmbH.[9]

Günsburg war auch Vorstand bei der Berliner Sportpalast AG und ab März 1929 der Liquidator der Firma.[10]

Arthur Günsburg, seit 1904 mit Hulda „Hilda“ Stadthagen verheiratet,[11] emigrierte nach der NS-Machtergreifung 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft zusammen mit seiner Ehefrau aus dem Deutschen Reich. Die erste Station im Exil war Prag. Von dort wanderte das Ehepaar 1935 weiter nach Wien zu Verwandten. Ein geplanter Vertragsabschluss zur Übernahme eines Theaterbetriebs wurde durch den Einmarsch Hitlers in Österreich vereitelt. Nach Inhaftierung und verschiedenen Repressalien konnten Arthur und Hilda Günsburg schließlich im Frühjahr 1939 in die portugiesische Hauptstadt Lissabon auswandern, wo ihre Tochter verheiratet war. Sie verdienten sich dort ihren Lebensunterhalt mit einer kleinen Pension sowie Schreib- und Übersetzungsarbeiten. Arthur Günsburg starb 1949.[12]

Filmografie

Regisseur

  • 1918: Des Lebens Rutschbahn
  • 1918: Weib gegen Weib
  • 1919: Erste Liebe
  • 1920: Die Tragödie eines Großen
  • 1920: Verkommen
  • 1921: Zu Hilfe!
  • 1921: Retter aus der Not
  • 1922: Die Stumme von Portici
  • 1922: Der Gaukler von Paris
  • 1922: Wer wirft den ersten Stein
  • 1922: Das größte Zugstück der Welt
  • 1923: Kinder von heute
  • 1924: Spanische Gluten
  • 1924: Um eine Million
  • 1925: Ballettratten

Produzent

  • 1913: Carriere
  • 1913: Fritze sucht Stellung
  • 1913: Lorbeerbaum und Bettelstab
  • 1913: Zwischen Schwarz und Blond
  • 1918: Am Glück vorbei
  • 1918: Des Lebens Rutschbahn
  • 1918: Die Ehe der Lea Psantir
  • 1918: Ganz ohne Krause
  • 1918: Papa Krause
  • 1918: Weib gegen Weib
  • 1918/19: Bergsünden
  • 1919: Christus
  • 1919: Der Kampf unter dem Meeresspiegel
  • 1919: Die Medaille der Republik
  • 1919: Die Rächerin
  • 1919: Die Tochter der Berge
  • 1919: Erste Liebe
  • 1919: Held Krause
  • 1919: Krause als Detektiv
  • 1919: Quatsch nicht, Krause
  • 1920: Das Barmädel oder der Goldfasan
  • 1920: Der verflixte Aberglaube
  • 1920: Die andere Welt
  • 1920: Die Tragödie eines Großen
  • 1920: Verkommen
  • 1921: Zu Hilfe!
  • 1921: Es waren zwei Königskinder...
  • 1922: Das größte Zugstück der Welt
  • 1922: Die Stumme von Portici
  • 1922: Wer wirft den ersten Stein
  • 1923: Kinder von heute
  • 1924: Des Blinden bester Freund
  • 1927: Die glühende Gasse

Künstlerische Oberleitung

  • 1919: Christus
  • 1927: Die glühende Gasse

Liedtexte

  • Secessions-Gesänge / 2: Das verliebte Paar, ein Tanzduett für eine Männer- und eine Frauenstimme / Albert Béla Laszky. [Text]: Arthur Günsburg. Apollo-Verlag, Berlin 1900.

Literatur

  • Oksana Bulgakowa (Hrsg.): Die ungewöhnlichen Abenteuer des Dr. Mabuse im Lande der Bolschewiki. Das Buch zur Filmreihe „Moskau-Berlin“. Verlag Freunde der Deutschen Kinemathek, Berlin 1995, ISBN 3-927876-10-0, S. 284 f., 289.
  • Sebastian Hesse: Kamera-Auge und Spürnase. Der Detektiv im frühen deutschen Kino. Stroemfeld-Roter Stern, Frankfurt am Main/Basel 2003, ISBN 3-87877-765-5.
  • Siegfried Jacobsohn (Hrsg.): Die Schaubühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1905–1918. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1980.
  • Wolfgang Jacobsen (Hrsg.): Babelsberg. Das Filmstudio. 3. Auflage. Verlag Argon, Berlin 1994, ISBN 3-87024-291-4, S. 352 f.
  • Alfred Krautz: International Directory of Cinematographers. Set- and Costume Designers in Film. Band 4 Germany (from the Beginnings to 1945). K. G. Saur Verlag, München 1984, ISBN 3-598-21434-0, S. 341, 347, 421.
  • Ronny Loewy (Hrsg.): Von Babelsberg nach Hollywood. Filmemigranten aus Nazideutschland. Exponatenverzeichnis. Ausstellung vom 26.5.–9.8.1987. (Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt). Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-88799-010-2.
  • Helmut Morsbach, Babett Stach: German Film Posters: 1895–1945. De Gruyter, Berlin 1992.
  • Paul Rosenhayn: Die glühende Gasse. Roman. E. Keils Nachf., Leipzig 1924.
  • Georges Sturm: Die Circe, der Pfau und das Halbblut. Die Filme von Fritz Lang 1916–1921. Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2001, S. 61, 241.
  • Michael Wedel: Der deutsche Musikfilm. Archäologie eines Genres. Edition text + kritik, München 2007, ISBN 978-3-88377-835-8.

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Geburtsregister der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Nr. 2887/1872 (online auf FamilySearch, anmeldepflichtig).
  2. Die Schaubühne. Jahrgang 8, Nr. 5, 1. Februar 1912, S. 120 (Textarchiv – Internet Archive).
  3. Die Schaubühne. Jahrgang 8, Nr. 1, 4. Januar 1912, S. 8 (Textarchiv – Internet Archive).
  4. Deutscher Bühnen-Verein und Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (Hrsg.): Neuer Theater-Almanach. F. A. Günther & Sohn, Berlin 1914, S. 775.
  5. Deutscher Bühnen-Verein und Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnen-Jahrbuch. F. A. Günther & Sohn, Berlin 1915, S. 314.
  6. Handelsregister Berlin HRA Nr. 47359.
  7. Der Film sollte zunächst mit Zensurbescheid vom 7. Oktober 1927 verboten werden, das Verbot wurde jedoch nach Schnittauflagen für Gewalt- und Sexszenen von der Oberprüfstelle mit Bescheid vom 12. Oktober 1927 zurückgenommen und auf ein Jugendverbot abgemildert.
  8. Handelsregister Berlin HRB Nr. 32882.
  9. Handelsregister Berlin HRB Nr. 45365.
  10. Reichs- und Staatsanzeiger. Nr. 111, 15. Mai 1929.
  11. Landesarchiv Berlin, Heiratsregister Standesamt Berlin VIII, Nr. 13/1904 (online auf Ancestry, kostenpflichtig).
  12. Arquivo Nacional da Torre do Tombo, Registo de Óbito (3ª Conservatória do Registo Civil de Lisboa), Nr. 164/1949 (online).