Ardabil-Teppich (Zwillingspaar)

Der Ardabil-Teppich (auch Ardebil-Teppich; persisch قالی اردبیل, DMG qālī-ye Ardabīl) ist ein berühmter iranischer Perserteppich aus dem 16. Jahrhundert und gleichzeitig der älteste mit einem konkreten Herstellungsjahr versehene Teppich der Welt. Er wurde in zwei Exemplaren angefertigt, die sehr unterschiedliche Erhaltungszustände aufweisen. Sie befinden sich in der Sammlung des Victoria and Albert Museums (V&A) in London beziehungsweise der des Los Angeles County Museum of Art (LACMA) in Los Angeles.

Geschichte

Der berühmte „heilige Teppich“ im Victoria and Albert Museum in London aus dem Jahr 1539/1540

In Auftrag gegeben hatte die beiden Teppiche der Safawidenherrscher, Schah Tahmasp I. (1524–1576). Er wollte sie dem Schrein eines seiner Vorfahren, des Scheichs Safi d-Din Ardabili, in Ardabil widmen. Die Teppiche wurden 1539–40 (Ardabil - London) sowie kurz danach zu einem unbekannten Datum fertiggestellt (Ardabil - Los Angeles). Ältere datierte Teppiche sind nicht bekannt.

Der berühmtere der beiden „Ardabil-Teppiche“ befindet sich gut erhalten in London. Sein Name geht auf die Stadt Ardabil in der gleichnamigen Provinz im Norden des Iran am Kaspischen Meer zurück. Hier wurde er bis zu seinem Verkauf im Jahr 1890 in der Moschee aufbewahrt. Der Verkauf wurde notwendig, weil Geldmittel aufgetrieben werden mussten, um die Moschee renovieren zu können. Das Gewölbe des Betsaals war eingestürzt und musste aufwändig wiederhergestellt werden. Auch der zweite Ardabil-Teppich wurde verkauft. Zum Zeitpunkt des Verkaufs der Teppiche waren beide stark beschädigt und entsprechend reparaturbedürftig. Die Abwicklung des Geschäfts oblag Unterhändlern der englisch-persischen Manufaktur Ziegler aus Manchester. Ein britischer Teppichhändler der Firma Vincent J. Robinson & Co. kaufte beide auf, ließ den einen reparieren und nutzte den anderen selbst. Nacheinander verkaufte er sie später an das Museum in London (den reparierten Teppich) und an einen Privatsammler weiter. Der Preis lag für damalige Verhältnisse bei der ungeheuerlichen Summe von 2500 £, wofür ein Käuferkonsortium gegründet wurde. In England trug die neue Anschaffung den Namen „heiliger Teppich“.[1] Der zweite der beiden Prachtteppiche, der sich mittlerweile in Los Angeles befindet, wurde im Laufe seiner langen Geschichte zunehmend beschädigt und ist heute nur teilweise erhalten.

Beide Teppiche wurden nicht in Ardabil gefertigt, vielmehr in den Knüpfmanufakturen Kaschans (Provinz Isfahan) entworfen und nach relativ gesichertem Kenntnisstand unter den Fachleuten in Täbris gefertigt.

Der „heilige Teppich“ in London

Der für die Region Kaschan typische, äußerst fein geknüpfte Bodenbelag misst 11,52 auf 5,34 Meter und weist eine Knotendichte von über 520.000 Knoten pro Quadratmeter auf.[2] Insgesamt beinhaltet der Teppich über 61,5 m² gut 26 Millionen Knoten.[3] Das Muster des Teppichs ist außergewöhnlich dicht und ornamenthaltig und liegt auf indigoblauem Grund auf. Der Teppichgrund besteht in Schuss und Kette aus Seide, der Flor hingegen aus Wolle. Die Gesamtkomposition suggeriert nach Auffassung vieler Betrachter die „Illusion eines Himmelszeltes, bespickt von Sternen (in Form von gläsernen Moschee-Lampen), die sich in einem Wasserbad spiegeln, das selbst voll ist von der treibenden Blütenpracht der Lotusblumen“.[4]

Der Teppich weist Inschriften auf. Einerseits sind dies Couplets aus einem Ghasel (eine Liedform, die im 8. Jahrhundert im südasiatischen Raum zwischen Indien und Persien entstanden ist) des persischen Dichters Hafis.[3] Im Zierrahmen befindet sich in einem rechteckigen weißen Feld am Kopf des Teppichs das Herstellungsdatum eingeknüpft, die islamische Jahreszahl 947 (entspricht dem Jahr 1540/41). Daneben findet sich der Name des Knüpfmeisters, „Maqsud Kaschani“.

Der Medaillon-Teppich zeigt zahllose „Moschee-Ampeln“ – vasen- und kelchförmige Gefäße – die von der Decke herabhängen, um die Moschee zu beleuchten. Das Medaillon selbst ist gelb gehalten und gefüllt mit sich entrollenden Ranken, die aus kräftigen Zweigen herausstreben und mit prächtig gebogenen Wolkenbändern verflochten sind, die das blaue Feld des Zentrums anstreben. An den Blattspitzen hängen sechzehn Schmuckelemente (ogees), die sternförmig ausgerichtet sind. Die auf der Hauptachse gelegenen Elemente weisen einen grünen Grund auf. Andere haben einen roten oder weißen Grund.[3]

Das Gesamtensemble um das Medaillon flankieren zwei unterschiedlich große rote Lampenmotive, die mit floralen Strukturen aufgefüllt sind. Diese sind an vier Kettengliedern der ogees der Hauptachse aufgehängt. Heute erkennen Fachleute in der unterschiedlichen Größe der Lampenmotive eine stilistische Absicht des Herstellers: Wird der Betrachtungswinkel des Teppichs von der Seite des kleineren Lampenmotivs aus eingenommen, wirken beide gleich groß.[5] In den Zwickeln des Teppichs tauchen Ausschnitte des Medaillons erneut auf, jedoch ohne Andeutung eines Lampenmotivs. Das indigoblaue Hauptfeld des Teppichs ist angefüllt mit floralen Motiven und weist eine hohe gestalterische Komplexität auf.

Die Bordürenkanten verlaufen links und rechts der Hauptachse des Teppichs seltsamerweise unsymmetrisch. Rote Zierrahmen und grüne Vielpassmotive wechseln in stetiger Reihenfolge, jedoch auf unterschiedlicher Höhe des Teppichs im linken beziehungsweise rechten Verlauf der Bordüre ab. Im Außenband der Bordüre weisen die Palmetten trotz gleichmäßigen, reziproken Verlaufs unterschiedliche Konzeptionen auf.[3]

Der britische Kunstgewerbler William Morris war beim Ankauf des Teppichs für das Victoria and Albert Museum mit einem Gutachten behilflich (Inv. Nr. 272 des Jahres 1893).[5] Bis 2006 hing der Londoner Teppich im Victoria and Albert Museum in einer Dauerausstellung und befindet sich seither in einem Glaspavillon mitten in der Hauptgalerie für Islamische Kunst. Aus Erhaltungsgründen wird das Licht rar gehalten.

Der Teppich in Los Angeles

Der im englischen Sprachgebrauch gerne als „secret carpet“ reputierte Zwilling des „heiligen Teppichs“ ist schmaler und damit kleiner.[6] Heute weist er keine Bordüren mehr auf, es fehlen gar ganze Teile des Teppichs. Er ist teils rekonstruiert und wurde teils aufgebessert durch Fragmente, die von Zeit zu Zeit auftauch(t)en. Andere Fragmente wurden zu Sonderschaustücken diverser Museen. Beispielsweise seien genannt das Museum Rietberg in Zürich-Enge, die Burrell Collection in Glasgow oder das Teppichhaus „Carl Zopf“ in Stuttgart. Angeblich soll die Anzahl der Knoten dieses Kunstwerks gar die des „heiligen Teppichs“ übersteigen.[5]

Der Teppich ging nach seinem Verkauf im Jahr 1890 in der langen Folgezeit durch die Hände vieler wohlhabender Geschäftsleute. Darunter waren Finanziers wie Clarence Mackay, Charles Tyson Yerkes und die „De la Mare art collections“, schließlich wurde der Teppich bei einer Ausstellung 1931 in London der Weltöffentlichkeit gezeigt. Vorangegangen waren Ausstellungen in den 1920er Jahren in amerikanischen Städten wie St. Louis, Chicago und 1930 in Detroit. Der amerikanische Industrielle J. Paul Getty sah den Teppich in der Ausstellung und kaufte ihn ein paar Jahre später von Joseph Duveen für 70.000 USD. Ein Angebot des ägyptischen Königs Faruq, den Teppich für 250.000 USD zu erwerben, schlug er aus. Faruq wollte das Sammlerstück als Hochzeitsgeschenk seiner Schwester für die Ehe mit Mohammad Reza Pahlavi, dem späteren Schah von Persien (ab 1941), erwerben.[7] Getty schenkte den Teppich 1953 dem Los Angeles County Museum of Art.

Imitationen

Die beiden Teppiche sind die bedeutendsten im Iran geschaffenen Perserteppiche. Somit konnte nicht ausbleiben, dass sie nahezu endlos in allen Varianten der Teppichknüpfkunst kopiert wurden. Ein sogenannter 'Ardabil' schmückt heute beispielsweise das Residenzzimmer des Premierministers des Vereinigten Königreichs in der 10 Downing Street. Adolf Hitler hatte einen 'Ardabil' in seinem Berliner Büro.[8][9]

Literatur

  • Kurt Erdmann: Siebenhundert Jahre Orientteppich. Zu seiner Geschichte und Erforschung. Busse, Herford 1966
  • Natalie Rothstein: Victoria & Albert Museum Masterpieces: The Ardabil Carpet, Victoria and Albert Museum, 1976 - 2 Seiten
  • Sheila S. Blair: The Ardabil Carpets in Context. In: Andrew J. Newman (Hrsg.): Society and culture in the early modern Middle East. Studies on Iran in the Safavid Period, Brill, Leiden 2003, ISBN 90-04-12774-7, S. 125–144.
  • May H. Beattie: Carpets of Central Persia - With special Reference to Rugs of Kirman, World of Islam Festival Publishing Company Ltd., Sheffield 1976 ISBN 0-905035-17-8
  • Josef Günther Lettenmair: Das Grosse Orientteppichbuch. Welsermühl Verlag, Wels, München 1962
  • Rexford Stead (Hrsg.): The Ardabil carpets. Malibu 1974

Weblinks

Anmerkungen

  1. Anmerkung: Eine Bezeichnung, die von christlichen Journalisten gewählt wurde; ein Moslem würde einen Teppich niemals als 'heilig' bezeichnen.
  2. Ardebil-Teppich: Getrennter Zwilling
  3. a b c d The 'Holy' Carpet of Ardebil, Ausführungen von Einzelheiten, S. 29 ff.
  4. Fred S. Kleiner, Christin J. Mamiya, Gardner's Art Through the Ages: Non-Western Perspectives, S. 140.
  5. a b c Lynda Hillyer, Boris Pretzel, The Ardabil Carpet - a new perspective, Victoria and Albert Museum
  6. Exhibition at the Los Angeles County Museum of Art
  7. A Classification of American Wealth, Jean Paul Getty art collector and hotel owner
  8. Jennifer Wearden, The Surprising Geometry of the Ardabil Carpet
  9. Abstracts - ARS Textrina, International Textiles Conference, July 10 - 12, 1995, University of Leeds, England

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