Arbeiterviertel
Unter Arbeiterviertel versteht man ein Stadtviertel, häufig in Nähe von Fabriken oder größeren Bahnhöfen, in dem hauptsächlich Arbeiterfamilien wohnen. In Arbeitervierteln befinden sich vornehmlich Wohnungen niederen Standards, mit ökonomisch schwächer gestellten Menschen. Es handelte sich besonders in der Vergangenheit meist um arme, wenig instand gehaltene Areale.
Durch tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen der westlichen Welt gibt es hier immer weniger Arbeiterviertel im wörtlichen Sinn. Nachdem viele dieser Viertel besonders in Deutschland in neuerer Zeit durch Sanierungen baulich aufgewertet wurden, spricht man heute eher von Altbaugebieten oder zeitbezogen von Gründerzeitvierteln. Arbeiterviertel sind nicht zu verwechseln mit Arbeitersiedlungen, die auf Initiative gemeinnütziger Gesellschaften oder von Unternehmern planmäßig und teilweise in einem Zuge auf der grünen Wiese errichtet wurden.
Geschichte
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Schaffung von Arbeiterwohnungen zur Kernfrage. In der Anfangsphase der Industriellen Revolution entsprachen die Wohnverhältnisse der Arbeiter nicht den hygienischen Anforderungen. Zudem konnten sich die wenigsten eine angemessene Wohnung finanzieren, wodurch man vielerorts auf engstem Raum in teilweise weit überbelegten Mietskasernen hauste, die zum Symbol der Arbeiterviertel wurden. Durch solidarische Selbsthilfe, werkseigene Arbeitersiedlungen und Wohnungsbaugenossenschaften versuchte man dieser Probleme Herr zu werden.
In der westlichen Welt erfuhren viele dieser Viertel seit den 1960er Jahren durch Deindustrialisierung, Abwanderung und demografisch bedingter Einwohnerabnahme bei gleichzeitigem Zuzug von Migranten in die frei gewordenen Wohnungen einen nahezu kompletten Bevölkerungsaustausch (Segregation). In den USA verfielen durch enorme Deindustrialisierung, insbesondere im Rostgürtel, viele Arbeiterviertel vollständig oder wurden gar von der Natur zurückerobert.
Politik
In Arbeitervierteln waren im 19. Jahrhundert häufig Keimzellen der Arbeiterbewegung. Über den Berliner Wahlkreis VI, zudem der Arbeiterbezirk Wedding gehörte, begann maßgeblich seit 1877 der Aufstieg der SPD. Der große Pariser Arbeitervorort St. Denis wurde zu einer der ersten Hochburgen der französischen Arbeiterbewegung und der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF), die bis heute den Bürgermeister stellt.
Heutige Lage
Heute erleichtert der Staat durch Sozialen Wohnungsbau und die Vergabe von Wohngeld das Wohnen für einkommensschwache Familien. Diese Aufgabe wird von der jeweiligen Kommune durchgeführt.
Wohnungen sind in vielen deutschen Großstädten knapp. Die Nachfrage übersteigt in vielen Orten das Angebot. Deshalb werden die meist innenstadtnahen (einstigen) Arbeiterviertel zunehmend interessant und erfahren öfters Stadtumbau und Aufwertung. Manche dieser Viertel erleben eine weitere Aufwertung, in Folge Gentrifizierung, mit stark ansteigenden Mieten und Verdrängung der angestammten Bevölkerung.
Beispiele für Arbeiterviertel
Bekannte, große Arbeiterviertel, bzw. Arbeitervororte, sind der Berliner Wedding oder der Pariser Vorort St. Denis. Weitere deutsche Arbeiterviertel sind beispielsweise Ostheim in Stuttgart, Oberhausen in Augsburg, die Südstadt und Gibitzenhof in Nürnberg oder abseits der Metropolen das Bergl in Schweinfurt oder die Zellerau in Würzburg.
- Bau von Mietskasernen in Berlin
(Fr. Kaiser: Tempo der Gründerjahre)
um 1875 - St. Denis,
Quartier Gare Confluence
2010
Weblinks
- Bauart der Arbeiterviertel – Höfe und Hintergassen aus: Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845. online auf www.textlog.de
Quellen
- Brockhaus Enzyklopädie, Zweiter Band, F. A. Brockhaus-Verlag Mannheim, 19. Auflage, 1987, ISBN 3-7653-1100-6
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Arbeiterzug in der Neckarstraße in Stuttgart am 1. Mai 1900, fotografiert um 14:30 Uhr vom Gebäude Neckarstraße 34 aus. Ein Arbeiter trägt die rote Fahne.
(c) Bundesarchiv, Bild 183-1986-0526-308 / CC-BY-SA 3.0
Autor/Urheber: Eric Bajart, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Port street, Area of Saint-Denis Confluence Station (France), before renovation
Umgebung der Ackerstraße 132 - Meyers Hof - in Berlin-Wedding (von Ackerstraße, Benauerstraße und Bergstraße - Nordlich der Stettiner/Nord Bahnhof), 1910
Autor/Urheber: Flickr user: John Seb, Lizenz: CC BY-SA 2.0
Roof-tops of the common red brick through terraces in Headingley, Leeds. Taken on the 17th of September 2006.
Zwischen 1864 bis 1871 stieg Berlins Bevölkerunszahl von 633.000 auf 826.000 Menschen an, für deren Unterbringung neue Mietshäuser benötigt wurden. Kayser zeigt hier die Erschließung solcher neuen Wohnquartiere, die vor allem im Norden der Stadt, in der Nähe der ebenfalls neu enstehenden Fabrikanlagen errichtet wurden; Bau der Grenadierstraße (heute Almstadtstraße)