Aranesische Sprache

Aranesisch (aranés)

Gesprochen in

Spanien Spanien (Katalonien Katalonien)
Sprecher4700 (Stand 2001)[1]
Linguistische
Klassifikation

Indogermanische Sprachen

Italische Sprachen
Romanische Sprachen
Gascognische Sprache
  • Aranesisch
Offizieller Status
Amtssprache inSpanien Spanien
Sprachcodes
ISO 639-1

oc (Okzitanisch)

ISO 639-2

oci (Okzitanisch)

ISO 639-3

oci (Okzitanisch)

Die aranesische Sprache (okzitanisch aranés, französisch aranais, katalanisch aranès, spanisch aranés) ist eine im Val d’Aran gesprochene Varietät (Dialekt) des Okzitanischen. Das Aranesische ist seit 2006 in ganz Katalonien, neben dem Katalanischen und Spanischen, Amtssprache. Im Val d’Aran sprechen (nach einer Volkszählung von 1996) 65 % der 6000 Einwohner Aranesisch. Etwa 90 % verstehen die Sprache.

Die aktuelle Situation

Das Aranesische ist in seiner Entwicklung und in seiner heutigen Ausprägung stark durch die „politische Trennung“ vom restlichen okzitanischen Sprachgebiet charakterisiert. Lexikografische und syntaktische Innovationen kommen häufig aus der katalanischen oder spanischen Sprache. Im Val d’Aran hat nicht der linguistische Ersatz stattgefunden, den das Okzitanische durch ein über viele Jahrhunderte praktiziertes, zentralistisch nach Paris ausgerichtetes Kultursystem in Frankreich erfahren hat. Ebenso wie die Katalanen halten die Aranesen auf das Entschiedenste an ihrer Sprache fest. Die administrative Abhängigkeit des Val d’Aran von Katalonien unterstreicht zusätzlich die auffallende Parallelität der Entwicklung der aranesischen und der katalanischen Sprache hinsichtlich formaler Aspekte. 1982/83 entwickelte und veröffentlichte die katalanische Regierung (Generalitat de Catalunya) orthografische Normen für das Aranesische, die sich an den Leitlinien des Instituts für okzitanische Studien (Institut d’Estudis Occitans)[2] für die Schreibweise des Gascognischen orientierten. Seit 1984 wird das Aranesische an Schulen als Fach- und als Unterrichtssprache verwendet. 1985 wurde ein Zentrum zur Förderung und Festigung der aranesischen Sprache (Centre de Normalització lingüística) gegründet. Erwachsenenbildung und Sprachberatung für diejenigen Bürger, die aufgrund der sprachpolitischen Geschichte nie die Chance hatten, die Schriftform ihrer Muttersprache zu erlernen, sind Hauptziele dieser Organisation. Größere lexikografische und grammatikalische Projekte, wie z. B. die Entwicklung von Wörterbüchern, Grammatiken und Lehrbüchern der aranesischen Sprache werden durch offizielle katalanische und aranesische Institutionen gefördert.[3] Alle Maßnahmen zur Förderung der aranesischen Sprache werden durch die katalanische Regierung (Generalitat de Catalunya) und den aranesischen Rat (Conselh Generau de Aran) organisiert und finanziert.[4] Diese parallel laufende Förderung der aranesischen und der katalanischen Sprache – auch normalització lingüística genannt – wurzelt in der gemeinsamen Unterdrückung beider Sprachen durch das Franco-Regime.

Mit dem neuen katalanischen Autonomiestatut aus dem Jahr 2006 wurde Aranesisch in den Rang einer Amtssprache auf dem gesamten Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien erhoben.

Charakteristika

Die für einen Außenstehenden zunächst sinnfälligsten Unterschiede des Aranesischen stellen die gegenüber den anderen Dialekten des Okzitanischen anders lautenden bestimmten Artikel und Personalpronomen dar:

Aranesisch: eth / era als bestimmter Artikel „der“ / „die“ (Plural: es), als Personalpronomen „er“ / „sie“ (Plural: eri / eres)[5]
Okzitanisch: lo (Plural: los) / la (Plural: las) als bestimmter Artikel „der“ / „die“, als Personalpronomen „er“ / „sie“.
Hinweisschilder in der Gemeinde Bossòst in Aranesischer Sprache

In einem Vergleich mit vier anderen romanischen Sprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch und Katalanisch) seien ausgehend von der lateinischen Sprache sieben wesentliche Entwicklungstendenzen des aranesischen Vokabulars dargestellt (siehe auch die zugehörige Vokabeltabelle):[6]

  1. Anlautendes lateinisches „F“ wird zu „H“: ferrum (dt.: Eisen) → hèr; filius (dt.: Sohn) → hilh
  2. Ein intervokalisches „N“ entfällt: farina (dt.: Mehl) → haria; una (dt.: eine, unbest. weibl. Artikel) → ua
  3. Aus einem endenden Silben-„L“ wird ein semivokalisches „U“: sal (dt.: Salz) → sau
  4. Das innenstehende und das endende lateinische „LL“ wird zum finalen „TH“: vitellus (dt.: Kalb) → vedèth; bellus (dt.: schön) → bèth
  5. Ein zwischenvokalisches „LL“ wird zu einem „R“: bella (dt. schön) → bèra; gallina (dt.: Henne, Huhn) → garia
  6. Einem anlautendem „R“ wird ein prothetisches „A“ vorangestellt und das „R“ wird zu „RR“ verdoppelt: rota (dt.: Rad) → arròda; radix (dt.: Wurzel) → arraïc
  7. Für das „R“ erfolgt häufig eine Umstellung (Metathese): ventrum (dt.: Magen) → vrente; capra (dt.: Ziege) → craba

Entwicklungstendenzen des aranesischen Vokabulars gemäß den sieben Ableitungsregeln im Vergleich zu vier anderen romanischen Sprachen.

Nr.LateinFranzösischItalienischSpanischKatalanischAranesischOkzitanischPortugiesischDeutsch
1afestafêtefestafiestafestahèstafèstafestaFest
1bfiliusfilsfigliohijofillhilhfilhfilhoSohn
2lunalunelunalunallunalualunaluaMond
3melmielmielemielmelmèumèl, mèumel [mɛʊ̯]*Honig
4castellumchâteaucastellocastillocastellcastèthcastèlhcasteloBurg, Schloss
5illaelleella/leiellaellaeraelaelasie
6ridererireriderereírriurearrirrirrirlachen
7caprachèvrecapracabracabracrabacavracabraZiege

* Aussprache in Brasilien

Die genannten sieben Ableitungsregeln gelten in ähnlicher Weise auch für das Gascognische.

Literatur

  • Claus D. Pusch, „Das aranesische Okzitanische“ In: H.-I. Radatz, A. Torrent-Lenzen (Hrsg.): Iberia polyglotta. Zeitgenössische Gedichte und Kurzprosa in den Sprachen der Iberischen Halbinsel (Sprachen in Lehre und Forschung; 5). Titz: Axel Lenzen Verlag, S. 279–283. (online)

Texte

  • Jèp de Montoya (Hrsg.): Vademecum aranense. Antologia de tèxtes en aranés, gascon des nautes sorces dera Garona, sègles XII–XX. Conselh Generau d’Aran, ohne Ortsang, 1999, ISBN 84-89940-32-0

Wörterbücher

  • Ryan Christopher Furness: Diccionari occitan (aranés) anglés / Dictionary English Occitan (Aranese). Pagès, Lleida 2006 (= Colleccion Garona, 16), ISBN 84-9779-362-5
  • Claudi Balaguer / Patrici Pojada: Diccionari Català – Occità / Occitan – Catalan, Libres de l’Index, Barcelona 2005, ISBN 84-95317-98-2 (führt aranesische Varianten an, sofern diese vom allgemeinen Okzitanischen abweichen)
  • Frederic Vergés Bartau: Petit Diccionari Aranes (Occitan) – Castelhan – Catalan – Frances. Conselh generau de Arán, Vielha 1991, ISBN 84-606-0175-7

Sprachatlas

  • Antonio Griera: Atlas lingüístic de la Vall d’Aran. Ed. Polígrafa, Barcelona 1973, ISBN 84-343-0177-6

Grammatik

  • Aitor Carrera: Gramatica aranesa. Pagès, Lleida 2006 (= Garona Estudis, 1), ISBN 978-84-9779-484-8
  • Conselh Generau d’Aran: Faltblatt (fünf-seitig) „Er Aranés – Er occitan dera Val d’Aran“ (Das Aranesische – Das Okzitanische des Val d’Aran), ohne Jahresangabe, ausgegeben unter anderem als Beilage zu dem Buch: Frederic Vergés Bartau: Petit diccionari Aranés

Untersuchungen

  • Jordi Suïls Subirà: Aportacions a la teoria de la interdependència lingüística: anàlisi de tres models d’escolarització plurilingüe a la Vall d’Aran. In: Treballs de sociolingüística catalana 16 (2002), S. 261–274
  • Joan Coromines: El parlar de la Vall d’Aran. Gramàtica, diccionari i estudis lexicals sobre el gascó. Curial Edicions, Barcelona 1990, 2. Ausg. 1991, ISBN 84-7256-345-6
  • Otto Winkelmann: Untersuchungen zur Sprachvariation des Gaskognischen im Val d’Aran. Niemeyer, Tübingen 1989 (= Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, 224), ISBN 3-484-52224-0
  • Gerald Bernhard: Die volkstümlichen Pflanzennamen im Val d’Aran (Zentralpyrenäen). Egert, Wilhelmsfeld 1988 (= Pro lingua, 1), ISBN 3-926972-00-9
  • Alain Viaut: L’occitan gascon en Catalogne espagnole: le Val d’Aran, du vernaculaire au formel. Maison des sciences de l’homme d’Aquitaine, Talence 1987 (= Publications de la Maison des Sciences de l’homme d’Aquitaine, 105), ISBN 2-85892-109-1
  • Teresa Climent: Realitat lingüística a la Val d’Aran. Generalitat de Catalunya, Barcelona 1986 (= Publicacions de l’Institut de sociolingüística catalana, 2), ISBN 84-393-0460-9
  • Alain Viaut: L’occitan gascon en Espagne: le Val d’Aran. Pré-rapport de recherche. Maison des sciences de l’homme d’Aquitaine, Bordeaux 1984
  • Casimiro Ademá Mora: Estudio sobre el dialecto aranés. 2. verb. Ausg., Ed. Occitania, Barcelona 1969
  • Joan Coromines: Vocabulario aranés. Tesis doctoral, Imprenta de la Casa de la Caridad, Barcelona 1930

Weblinks

Wiktionary: Wörterbuch Aranesisch – Deutsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Sprachenzensus 2001 (PDF; 52 kB), Generalitat de Catalunya
  2. Das Institut d’Estudis Occitans ist eine nicht öffentliche, wissenschaftlich und kulturell ausgerichtete Organisation, die sich der globalen Förderung der okzitanischen Kultur verschrieben hat. Sie wurde 1945 in Toulouse gegründet.
  3. Als Beispiel mag hier das Wörterbuch von Balaguer/Pojada dienen.
  4. Die Darstellung dieses Absatzes erfolgte nach: Gran Enciclopèdia Catalana, Band 3, S. 53, Artikel „aranès –esa“, Barcelona 1986, ISBN 84-85194-85-3
  5. Siehe auch die aranesischen Sprachbeispiele mit deutschen Übersetzungen in den referenzierten Wiktionary-Einträgen.
  6. Alle Informationen nach dem Faltblatt: „Er Aranés – Er occitan dera Val d’Aran“ (dt.: Das Aranesische – Das Okzitanische des Val d’Aran), herausgegeben vom Conselh General d’Aran, ohne Jahresangabe, erhalten 10/2007 als Beilage zu einem aranesischen Wörterbuch.

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(c) I, Icmontreal, CC BY 2.5
Des panneaux en aranais à Bossòst
Flag of Catalonia.svg
Die senyera, die Flagge Kataloniens, die auch von einigen Territorien und Gemeinden der ehemaligen Krone von Aragon benutzt wird