Apologeticum

Das Apologeticum wurde im Jahr 197 vom frühchristlichen Kirchenschriftsteller Tertullian in lateinischer Sprache verfasst. Der Autor will in diesem Werk das Wesen des Christentums bekanntmachen, um zu vermeiden, dass es mangels Vertrautheit verurteilt wird. Dieses apologetische Buch wurde wahrscheinlich in mehreren Fassungen ediert; es ist die einzige seiner Schriften, die in vielen Handschriften überliefert ist, was auf eine weite Verbreitung hinweist. Wie der Titel sagt, dient diese Schrift der Verteidigung des Christentums[1].

Literaturgattung, Quellen und Adressate

In Abwehr der Christenverfolgung, die in einzelnen römischen Reichsteilen aufflammte, aber auch der Angriffe der Philosophen und des übelwollenden Geredes der Massen entwickelte sich die christliche Literaturform der Apologetik[2]. Vorformen finden sich bereits im Neuen Testament (Lk 12,11-12; Apg 22,1; 26,1-2.24 u.w.)[3], aber auch bei griechisch schreibenden Juden, insbesondere Flavius Josephus (Contra Apionem)[4]. Diese und frühchristliche Apologien in griechischer Sprache boten Tertullian die Grundstruktur sowie viele Themen und Beispiele, um sein Werk zu entwickeln. Vieles entnahm er aus den Apologien des Kirchenlehrers Justin der Märtyrer[5].

Das Werk zeigt verschiedene Themenschwerpunkte und richtet sich damit an verschiedene Lesergruppen[6]: Dem römischen Kaiser und den römischen Statthaltern soll die Unrechtmäßigkeit der Christenverfolgung nachgewiesen werden; mit paganen Philosophen wird in einen intellektuellen Wettkampf getreten. Es soll aber auch der innere Zusammenhalt der Christgemeinde gestärkt werden.

Inhalte und Themenschwerpunkte

Das Apologeticum umfasst sehr unterschiedliche Themenschwerpunkte, und Tertullian benutzt zur Darlegung seiner Thesen auch sehr unterschiedliche Stilmittel. Zum einen werden alle Register der Polemik gezogen, die gegnerische Position lächerlich gemacht und ihre Vertreter moralisch diskreditiert[7]. Andererseits finden sich auch Teile, die der forensischen Rhetorik verpflichtet sind und sogar gefühlvolle Passagen. Insgesamt gliedert sich der Text hauptsächlich in folgende Themenkreise[8]:

  • Die (juristische) Ungerechtigkeit des Vorgehens gegen die Christen (Apol. 1–6).
  • Erwiderung auf den Vorwurf insgeheim begangener Verbrechen, insbesondere Kindesmord und Inzest (Apol. 7–9).
  • Das überlegene Alter der christlichen Religion (Apol. 17–21). Tertullian nimmt dabei das Alter des Judentums und des Alten Testaments für das Christentum in Anspruch. In diesen Zusammenhang gehört auch die Aussage, dass die griechischen Dichter und Philosophen auf das Alten Testaments zurückgegriffen hätten (Apol. 42.2). Diese Gedanken konnte Tertullian bei Flavius Josephus (Contra Apionem, I.I 60[12]-218[23]) finden.
  • Dämonologie (Apol. 22–23).

Atque adeo dicimus esse substancies quasdam spirituales ... daemonas... (Und wir behaupten, dass es gewisse geistige Wesen gäbe ... Dämonen ...) (Apol. 22.1)

Tertullian beglaubigt die Existenz von Dämonen, die Trugbilder hervorbringen und Menschen schädigen. Allein das Christentum könne sie bekämpfen und der Ausspruch des Namens Christi treibe sie zurück (Apol. 23.15).

  • Das römische Reich und der römische Kaiser (Apol 15.34). Tertullian verwahrt sich auf das entschiedenste gegen den Vorwurf, dass das Christentum das römische Reich oder den Kaiser schädigen wolle. Im Gegenteil trage das Gebet der Christen dazu bei, die gewaltige Katastrophe, die das römische Reich bedrohe, zu verzögern.
  • Christentum und philosophische Schulen (Apol. 46–50). Im Gegensatz zu den griechischen Apologeten grenzt sich Tertullian scharf gegenüber der paganen Bildungswelt ab. Da Philosophen bestenfalls nach Wahrheit streben, die Christen aber für ihr Heil Sorge tragen (Apol. 46.7), sieht er einen grundsätzlich unterschiedlichen Ansatz. Er scheut aber auch nicht vor Polemik zurück, wenn er verschiedene philosophische Ansätze beliebig und widersprüchlich aneinanderreiht (Apol. 47.6) und Sokrates als Verderber der Heranwachsenden anklagt (Apol. 46.10).

Überlieferung und Weiterleben

Das Apologeticum steht in engster, auf weite Strecken Wort für Wort belegbarer, Beziehung zu einem anderen apologetischen Werk, dem Octavius des Minucius Felix, das zwar fast zeitgleich aber doch nach der Schrift des Tertullian geschrieben wurde.[9] Diese Meinung hat sich nach längerer Diskussion der Fachwelt durchgesetzt. Aber auch andere Schriftsteller, wie Cyprian von Karthago, Arnobius der Jüngere und Laktanz haben ihn verwendet.[10] Obwohl er durch seine spätere Hinwendung zum Montanismus unter Häresievorwurf stand, wurden zahlreiche Handschriften erstellt, die sich zum Teil erhalten haben. Dass die Schrift Anfang des dritten Jahrhunderts ins Griechische übersetzt wurde, zeigt ebenfalls, welche Bedeutung man ihr beimaß.[11]

Das Apologeticum ist in zwei deutlich differierenden und voneinander weitgehend unabhängigen Traditionssträngen überliefert.[12] Die Edition von Heinrich Hoppe (1939) versucht, beiden Versionen gerecht zu werden. Es liegen zwei Übersetzungen in die deutsche Sprache vor (siehe unten).

Textausgaben und Übersetzungen

  • Carl Becker: Tertullian: Apologeticum, München 1952
  • Tobias Georges: Tertullian. Apologeticum (= Kommentar zu frühchristlichen Apologeten (KfA). Band 11). Herder, Freiburg u. a. 2011, ISBN 978-3-451-29048-0 (deutsche Übersetzung mit ausführlichem Kommentar).
  • Heinrich Hoppe: Quinti Septimi Florentis TERTULLIANI APOLOGETICUM, Wien/Leipzig 1939

Literatur

  • Henrike Maria Zilling: Tertullian, Untertan Gottes und des Kaisers, Paderborn 2004
  • Susanne Hausammann: Alte Kirche, "Apostolische Väter", Häresie, Apologeten, Neukirchen-Vluyn 2001
  • Eva Schulz-Flügel: Tertullian. In: Siegmar Döpp, Wilhelm Geerlings (Hg.): Lexikon der antiken christlichen Literatur. Herder, Freiburg 1998, ISBN 3-451-23786-5, S. 583.
  • Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum, Paderborn 2000
  • Bernhard Kytzler: M. Minucius Felix: Octavius, Nachwort, Stuttgart 1977

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schulz-Flügel E., s.v. Tertullian, in: Lexikon der antiken christlichen Literatur, 1998, S. 583; A. Wlosok: s.v. Tertullian, in: Lexikon der Alten Welt, 1965, Nachdruck 1990, ISBN 3-7608-1034-9, Bd. 3, Sp. 3017.
  2. Bernhard Kytzler: M. Minucius Felix: Octavius, Nachwort, S. 157
  3. Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum, S. 27
  4. Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum, S. 29f
  5. Tobias Georges: Tertullian. Apologeticum, Anmerkungen, Register S. 328
  6. Henrike Maria Zilling: Tertullian, Untertan Gottes und des Kaisers, S. 93–103
  7. Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum, S. 148
  8. Henrike Maria Zilling: Tertullian, Untertan Gottes und des Kaisers, S. 108–136
  9. Bernhard Kytzler: M. Minucius Felix: Octavius, Nachwort, S. 161f
  10. Tobias Georges: Tertullian. Apologeticum, S. 45
  11. Carl Becker: Tertullian: Apologeticum, S. 46
  12. Tobias Georges: Tertullian. Apologeticum, S. 47