Anunnaki

Sumers Weltsicht mit Details, wie sie u. a. im Epos Gilgamesh und Enkidu Erwähnung finden und von der 'Oben-Unten'-Einteilung her die Hierarchie in der sumerischen Götterorganisation illustrieren: Unsere Erde tief unter Wasser (im kosmischen Urozean) mit oben anhaftender Atem-Luftblase, den Gebirgen des Libanon und Zagros (Stützen des Süßwasser-Himmels) und dem Tunnel, der es dem Sonnengott Shamash ermöglicht, des Nachts von West nach Ost zu eilen. Dort die Insel Dilmun, auf der Gilgamesh den späteren Noah aufspürt.Technisch wichtig sind die im Himmel eingelassenen Schleusen, durch die die in der Kunst des Bauens von Bewässerungsanlagen äußerst bewanderten Götter ihren Garten Eden mit Regen zu befruchten wussten, aber eben auch die Sintflut entfesselten.

Die Anunnaki (seit Adad-nīrārī III. selten auch dGÍŠ.U[1] auch Anunaki, Anunaku, Anunnaku, Anunnaka) verkörpern im mesopotamischen Schöpfungs-Mythos die Götter des oberen Süßwasser-Himmels, die denen im unteren Teil dieses kosmischen Ur-Ozeans, den Igigu, gegenübergestellt sind. Im Enūma eliš, eine in Babylon verfasste Version des sumerischen Schöpfungsberichts, müssen die Igigu für die Anunnaki arbeiten, bis sie dagegen rebellieren. Das Athrahasis-Epos führt aus, wie beide Götterparteien in auf verschiedene Gebiete spezialisierter Kooperation die mesopotamische Steppe "Eden" urbar machen, um sodann zu versuchen, ihren darüber ausgebrochenen Konflikt mittels der Herstellung eines ersten Paares von Menschen, ihren sich künftig übermäßig vermehrenden Arbeitssklaven, zu befrieden. Das von Enlil einseitig in Gang gesetzte Vorhaben eines die Menschheit wieder auslöschen sollenden Genizids – als Sintflut-Erzählung von der Bibel ebenso übernommen wie die Erschaffung des ersten Menschenpaares – scheitert infolge des weiter andauernden Konflikts.

Historische Einordnung

Sowohl die Igigu als auch die Anunnaki sind durch die Schicksalstafeln gebunden, über welche Enlil verfügt. In den ältesten sumerischen Mythen sind sie ihm von der Erdmuttergöttin Ninḫursanga verliehen (vgl. Anzu-Mythos). Sie geben ihm Macht über die Götter im ober- und unterhalb der Erde befindlichen kosmischen Ozean, aber auch die Fähigkeit, gegenwärtige Sachverhalte in ihren Urzustand zurückzuverwandeln und dadurch den Verlauf des Schicksals neu zu bestimmen.[2] Diese Tafeln sind mit einem Siegel versehen, ein mittels spezieller Technik mechanisch angebrachtes Zeichen, das im alten Mesopotamien als herrschaftliches Vertragssymbol galt und im Zusammenhang zu liefernder Waren (Nahrungsmittel; Tributsleistungen) Verwendung fand.

Der Autor des Epos Athrahasis lässt seinen Bericht mit den Worten beginnen: Als die Götter wie die Menschen arbeiten mussten (inuma ilu awilum = Als die Götter Menschen waren), gab es Streit zwischen den oberen Anunnaki und den Igigu, den niederen Göttern. In populärwissenschaftlichen Schriften werden die Anunnaki oft mit den Anunna gleichgesetzt, wahrscheinlich fälschlicherweise, da die Mythen mit letzteren eher den Ältestenrat dieser gesonderten Gruppierung unter allen sumerischen Göttern bezeichnen. Insgesamt lässt der sumerische Schöpfungsbericht mehrere männliche Götter-Gruppen an der Umgestaltung Edens (der Steppe) zu einer fruchtbaren Gartenlandschaft zunächst friedlich kooperieren, vertreten von ihren drei Anführern: Enlil, Anu und Enki. Die besondere Aufgabe der Reproduktion kam den sieben göttlichen Mutterleibern zu, den mythischen Schassuratu unter dem Vorsitz Ninḫursangas.

In der modernen Paläoanthropologie stellt K. Schmid, der Entdecker der Megalithmonumente von Göbekli Tepe, zwischen diesen ältesten bekannten Großbauten der Menschheitsgeschichte und der sumerischen Genesis einen expliziten Zusammenhang her (siehe Interview Eine Revolution im großen Stil).[3]

Pseudowissenschaft

In der Gegenwart kreisen zahlreiche pseudowissenschaftliche Spekulationen um die wahre Natur der Anunnaki. Der Prä-Astronautiker Zecharia Sitchin (1920–2010) deutete sie als humanoide Außerirdische vom (hypothetischen) Planeten Nibiru, welche die Menschen einst als Arbeitssklaven erschaffen hätten. Letzteres lehnt sich eng an die entsprechende Sequenz des Epos Athrahasis, ersteres setzt sich in Widerspruch zu der mythischen Gleichsetzung der Götter mit den Menschen. Nach dem Verschwörungstheoretiker David Icke (* 1952) handelt es sich bei den Anunnaki wiederum um vampirische Formwandler von ursprünglich reptiloider Gestalt aus dem Sternbild des Drachen, die unerkannt noch immer auf der Erde leben und eine totalitäre „Neue Weltordnung“ errichten wollen.[4]

Siehe auch

  • Gilgameš-Epos

Literatur

  • Brigitte Groneberg: Die Götter des Zweistromlandes. Kulte, Mythen, Epen, Artemis & Winkler, Stuttgart 2004, ISBN 3-7608-2306-8
  • Helmut Freydank u. a.: Lexikon Alter Orient. Ägypten * Indien * China * Vorderasien, VMA-Verlag, Wiesbaden 1997, ISBN 3-928127-40-3

Einzelnachweise

  1. Hayim Tadmor 1973, The Historical Inscriptions of Adad-Nirari III. Iraq 35/2, 145
  2. Groneberg 2004, S. 69
  3. Eine Revolution im großen Stil, auf spektrum.de
  4. Tyson Lewis und Richard Kahn: The Reptoid Hypothesis. Utopian and Dystopian Representational Motifs in David Icke's Alien Conspiracy Theory. In: Utopian Studies 16, 1 (2005), S. 51 ff.

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Sumers Kosmischer Ur-Ozean, abstrakt.jpg
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Erschaffung von Luft und Erde im kosmisschen Ur-Ozean, durch den Gott "Enlil". Bezug auf den sumerischen Begriff "apsu"