Anton von Schmerling
Anton Ritter von Schmerling (* 23. August 1805 in Wien; † 23. Mai 1893 ebenda) war österreichischer Politiker und Jurist. Im Jahre 1848 diente er als Reichsminister in der Provisorischen Zentralgewalt, der ersten gesamtdeutschen Regierung. Von 1860 bis 1865 wirkte der Liberale als Staatsminister und faktischer Regierungschef des Kaisertums Österreich; in dieser Zeit trat 1861 das Februarpatent in Kraft. Anschließend war Schmerling bis 1891 Präsident des Obersten Gerichtshofs.
Familie
Anton von Schmerling entstammte einer aus dem Herzogtum Kleve nach Österreich eingewanderten Familie, deren Angehörige 1707 von Kaiser Joseph I. als Reichsritter und Edle von Schmerling in den Adelsstand erhoben wurden. Sein Bruder Joseph (1806–1884) war k. k. Feldzeugmeister, 1860–1862 Stellvertreter des Kriegsministers und hatte ab 1868 maßgeblichen Anteil an Aufbau und Organisation der österreichischen k. k. Landwehr als Pendant zum k. u. Honvéd, der ungarischen Landwehr, die den Ungarn auf Grund des Ausgleichs von 1867 von Kaiser Franz Joseph I. als Territorialstreitkraft neben dem gemeinsamen Heer zugestanden wurde. Sein Bruder Rainer (1810–1892) war Militärarzt, Leibarzt von Feldmarschall Erzherzog Albrecht und Präsident des Wiener Medizinischen Doktorenkollegiums. Sein jüngster Bruder Moriz (1822–1882) war ebenfalls Jurist und Senatspräsident des 1867 gegründeten k.k. Verwaltungsgerichtshofes.
Seit 1835 war er mit der Malerin Pauline Freiin von Koudelka (1806–1840) verheiratet, mit der er zwei Töchter hatte:
- Violetta (* 26. September 1836; † 15. April 1907)[1] ⚭ 1860 Karl von Bienerth (* 20. April 1825; † 5. März 1882), Feldmarschalleutnant, Militärkommandant von Krakau, Eltern von Richard von Bienerth-Schmerling, k.k. Ministerpräsident
- Sylvia (* 19. November 1838; † 24. November 1919) ⚭ 1874 Béla von Rohonczy
Politik
Revolutionszeit 1848–1851
Schmerling war scharfer Gegner des auf Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung und Unterdrückung aller revolutionären Bewegungen gerichteten Metternichschen Systems. Er befürwortete stattdessen die Umgestaltung des Deutschen Bunds in eine konstitutionelle Monarchie.
Im Februar 1848, dem Beginn der Märzrevolution, gehörte Schmerling zu den Revolutionären, die in Wien die Nationalgarde aufstellten. Er war Mitglied im Vorparlament und in der Frankfurter Nationalversammlung. Er wurde von Reichsverweser Johann von Österreich am 15. Juli 1848 zum Reichsminister in der gesamtdeutschen Zentralgewalt ernannt. Als Vertrauter des Reichsverwesers stellte tatsächlich er die Regierungsmannschaft zusammen. Er bekleidete vom Juli bis Dezember 1848 durchgehend das Amt des Innenministers und zeitweise das des Außenministers; nach dem Rücktritt des Kabinetts Leiningen war Schmerling nicht offiziell, aber durch interne Absprache Vorsitzender des Ministerrats und damit Regierungschef eines Kabinetts Schmerling.
Schmerling sprach sich für eine die deutschen Gebiete Österreichs einschließende Großdeutsche Lösung aus. Als diese jedoch am Widerspruch des österreichischen Ministerpräsidenten Felix zu Schwarzenberg scheiterte und sich die Nationalversammlung für eine preußisch geführte kleindeutsche Lösung unter Ausschluss Österreichs aussprach, erklärte er im Dezember 1848 seinen Rücktritt, da er das Vertrauen der Mehrheit in der Casino-Fraktion verloren hatte. Da er einen kleindeutschen Nationalstaat als nicht in Österreichs Interesse sah, bewog er anschließend Schwarzenberg dazu, diese Variante durch einen Großösterreich-Plan zu torpedieren. Neuer Reichsministerpräsident wurde Heinrich von Gagern, der in gewisser Weise zu Schmerlings kleindeutschem Gegenspieler wurde.
Von 1849 bis 1851 war Schmerling, von Kaiser Franz Joseph I., der im Dezember 1848 den Thron übernommen hatte, ernannt, Justizminister der österreichischen Regierung unter Fürst Felix Schwarzenberg. Wegen des verschärften Neoabsolutismus in Österreich trat er zurück und wurde bis 1858 Senatspräsident am Obersten Gerichtshof (OGH). 1865–1891 war er Präsident des OGH.
Zweite Karriere in der österreichischen Regierung
Mit der von der Niederlage des Kaisers in der Lombardei 1859 ausgelösten Liberalisierung Österreichs begann er eine zweite politische Karriere. Am 13. Dezember 1860 wurde er Staatsminister und war der eigentliche Kopf der nominell von Erzherzog Rainer als Ministerpräsident geleiteten liberalen Regierung. Schmerling versuchte, den Vorsitz Österreichs im Deutschen Bund wirksam zu erhalten, scheiterte aber an der aggressiven Opposition Otto von Bismarcks.[2] Bis zum 27. Juli 1865, als der Kaiser der Regierung deswegen sein Vertrauen entzog, blieb er der einflussreichste Politiker dieser Jahre, allerdings nur mit Unterstützung der Deutschliberalen im Abgeordnetenhaus des Reichsrats, das wegen seines theaterähnlich errichteten provisorischen Gebäudes an der Währinger Straße 2–4 in Wien im Volksmund „Schmerling-Theater“ genannt wurde.
Schmerling hatte großen Anteil an der zentralistischen Februarverfassung von 1861, die unter anderem die Voraussetzung für die kommunale Selbstverwaltung in Österreich schuf und die in Cisleithanien bis 1918 gültigen Landesverfassungen der Kronländer enthielt.[3] Auch mit dem Protestantenpatent (1861), dem Gesetz vom 27. Oktober 1862 zum Schutz der persönlichen Freiheit[4] und dem Gesetz vom 27. Oktober 1862 zum Schutze des Hausrechts[5] wurden weitere, wesentliche Schritte zur Liberalisierung gesetzt. 1861 wurde Schmerling Ehrenbürger von Wien, Graz und Innsbruck und 1862 Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Schmerling gehörte seit 1867 auf Wunsch des Kaisers als Mitglied auf Lebenszeit dem Herrenhaus des österreichischen Reichsrats an, dem er ab 1868 als Vizepräsident und 1871 als Präsident vorstand. 1873, 1875, 1879 und 1891 war er Präsident der österreichischen Delegation bei den österreichisch-ungarischen Ausgleichsverhandlungen.
Grab, Wappen und Porträts
Schmerlings ehrenhalber gewidmetes Grab befindet sich auf dem Hietzinger Friedhof (Gruppe 05, Nr. 47).[6]
- Benennungen
Noch im Jahr seines Todes, 1893, wurde in Wien, Innere Stadt (1. Bezirk), unmittelbar neben dem Parlamentsgebäude der Schmerlingplatz nach ihm benannt, an den auch der Justizpalast grenzt. Der Platz verbindet somit die beiden Wirkungsbereiche Schmerlings, den politischen und den juristischen.
Auch in Brünn in Mähren wurde die noble Alleegasse, Brünns erster und bis heute einziger Boulevard, damals im Neubauviertel, am 13. Juni 1893 Schmerlingstraße benannt. Am 26. Juni 1919 wurde sie in der jungen Tschechoslowakei zur Legionärgasse, am 10. Jänner 1940 während der deutschen Okkupation zur Alleestraße, nach der Befreiung wieder zur třída Legionářů, und seit dem 12. Oktober 1950 heißt Brünns einzige echte Prachtstraße „Třída kapitána Jaroše“.
- Büste
Im Garten des Theresianums, 4., Favoritenstraße, Sitz der Diplomatischen Akademie Wien und eines traditionsreichen Gymnasiums, dessen Kurator Schmerling war, befindet sich eine Schmerlingbüste von Anton Dominik Fernkorn.
- Wappen
Das 1707 definierte Wappen der Familie Schmerling wurde wie folgt beschrieben: Quadrierter Schild: 1 in Silber ein goldgekrönter, schwarzer Doppeladler; 2 in Rot ein silberner, mit drei roten Rosen belegter Balken; 3 in Rot ein auf dem Gipfel eines grünen Berges wurzelschlagendes silbernes Kreuz; 4 in Silber ein roter, einwärtsgekehrter, aufgerichteter, doppelschwänziger Löwe, in seinen Pranken einen Baum mit silbernem Stamm und grünem Laub haltend. Auf dem Schild zwei goldene, gekrönte Helme. In dem rechten, auf einem grünen Samtkissen zwischen zwei ausgebreiteten, schwarzen Flügen, steckt das Kreuz aus dem Schild. Auf dem linken der Löwe von 4 nun wachsend, in seinen Pranken den Baum ganz in Grün haltend. Die Decken sind vorne rot-silbern, hinten schwarz-golden. Schildträger sind zwei aufgerichtete, auswärtssehende, natürliche Tiger.[7]
- Medaillen
- Silber- und Bronzeprägemedaille 1879, auf sein 50-Jahre-Beamtenjubiläum, 67 mm, von Anton Scharff (1845–1903), Medailleur
- Silber- (Unikum) und Bronzegussmedaille (wenige Exemplare) 1885, auf seinen 80. Geburtstag, 175 mm, von Anton Scharff
- Silber- und Bronzeprägemedaille 1890, auf sein 25-Jahre-Jubiläum als Kurator des Theresianums, 66 mm, von Anton Scharff
Siehe auch
Literatur
- Siebmacher: Der niederösterreichische ständische Adel
- Constantin von Wurzbach: Schmerling, Anton Ritter von. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 30. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1875, S. 172–186 (Digitalisat).
- Alfred von Arneth: Anton Ritter von Schmerling. Episoden aus seinem Leben 1835, 1848–1849. Wien, 1895
- Franz Ilwof: Schmerling, Anton Ritter von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 54, Duncker & Humblot, Leipzig 1908, S. 56–72.
- K. Vocelka: Schmerling Anton von. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 10, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1994, ISBN 3-7001-2186-5, S. 234 f. (Direktlinks auf S. 234, S. 235).
- Lothar Höbelt (Hrsg.): Österreichs Weg zur konstitutionellen Monarchie: Aus der Sicht des Staatsministers Anton von Schmerling (= Rechts- und sozialwissenschaftliche Reihe, Band 9), Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien 1994, ISBN 3-631-47167-X.
- Helmut Rumpler: Schmerling, Anton Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 132–134 (Digitalisat).
- Biographische Daten von Anton von Schmerling. In: Niederösterreichische Landtagsdirektion (Hrsg.): Biographisches Handbuch des NÖ Landtages: 1861–1921. NÖ Landtagsdirektion, St. Pölten, Druck: ISBN 3-85006-166-3 (Stand 1. Jänner 2005). Online-Version: PDF, 843 kB
Weblinks
- Eintrag zu Anton von Schmerling im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Literatur von und über Anton von Schmerling im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Entdeckungen und Begegnungen, Parlamentskorrespondenz 2001 des Österreichischen Parlamentes
Einzelnachweise
- ↑ Gothaisches genealogisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, 1889, S.61
- ↑ Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Band 5, Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 106 f.
- ↑ Die Verfassung der österreichischen Monarchie, nebst zwei Beilagen (Grundgesetz über die Reichsvertretung sowie Landes-Ordnung und Landtags-Wahlordnung für die 17 cisleithanischen Kronländer), RGBl. Nr. 20 / 1861 vom 28. Februar 1861 (= S. 69 ff.)
- ↑ RGBl. Nr. 87 / 1862 (= S. 243 f.)
- ↑ RGBl. Nr. 88 / 1862 (= S. 245 f.)
- ↑ Website von Hedwig Abraham: Kunst und Kultur in Wien
- ↑ Nach Johann Siebmacher: „ Johann Siebmacher’s großes Wappenbuch“, Band 27, Verlag Bauer & Raspe, Neustadt an der Aisch 1984, S. 341
Personendaten | |
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NAME | Schmerling, Anton von |
ALTERNATIVNAMEN | Schmerling, Anton Ritter von (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Jurist und Politiker, Landtagsabgeordneter |
GEBURTSDATUM | 23. August 1805 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 23. Mai 1893 |
STERBEORT | Wien |
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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:
Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“
Anton von Schmerling (1805-1893), österreichischer Politiker und Jurist
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Imperial Coat of Arms of the Empire of Austria, used from 1815 to 1866.
Wappen der Reichsritter und Edlen von Schmerling 1707
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Lithographie von Ernst Schlack. “Orest und Pylades”, 1848. Heinrich von Gagern und Anton von Schmerling.
Signatur Anton_von_Schmerling