Anten

Goldene Schnalle (6. Jahrhundert, Ungarn) mit eingepunzter Nennung der Anten

Die Anten waren ein spätantiker Volksstamm nördlich des Schwarzen Meeres, der ursprünglich wohl aus der südlichen Ukraine zwischen Dnepr und Don stammte, im 6. Jahrhundert jedoch auf der Balkanhalbinsel auftauchte. Die in der älteren Forschung häufig vorgenommene Zuordnung der Anten zu den Ostslawen ist in der modernen Forschung umstritten.

Der Name Anten (Antes, Antai) lässt sich möglicherweise aus dem Mittelpersischen ableiten (im Sinne von „am Ende befindlich“).[1] Eine slawische Herkunft ist nicht belegt.

Geschichte

Die genaue Herkunft der Anten ist unbekannt, die verstreuten Quellen sprechen aber dafür, dass sie ursprünglich aus der Region der heutigen Ukraine stammten.[2] Die früheste Erwähnung von Anten findet sich in der Spätantike beim Geschichtsschreiber Jordanes. Demnach hätten Goten im 4. Jahrhundert die Anten besiegt und ihren König Boz getötet.[3] Es mag sich dabei um eine frühe Gruppe der Anten gehandelt haben. Der oströmische Geschichtsschreiber Prokopios von Caesarea hingegen berichtet, dass die Anten, die er als primitive und barbarische Nomaden beschreibt, keinen König hätten; ihr loser Stammesverbund sei „demokratisch“ verfasst, was in der modernen Forschung recht unterschiedlich interpretiert wurde.[4] Die Anten werden zudem noch in anderen spätantiken Quellen erwähnt.[5]

Die Anten werden in der Forschung oft als ein mit den frühen Slawen verwandter Stamm angesehen.[6] Sowohl Jordanes als auch Prokopios schildern, dass Anten und Sklabenoi (wie Prokopios die frühen Slawen nennt) eine sehr ähnliche Lebensweise führen und gleiche Sitten haben, wenngleich sie oft miteinander kämpfen würden.[7] Diese Aussagen werden in Teilen der modernen Forschung jedoch kritisch betrachtet, ebenso wird der archäologische Befund in neuerer Zeit unterschiedlich bewertet.[8] Es kann davon ausgehend nicht festgestellt werden, dass die Anten slawischer Herkunft seien.[9]

Es wurden mehrere Herkunftshypothesen aufgestellt, etwa eine iranische oder sogar eine germanische Herkunft.[10] Für eine eher iranische Herkunft hat kürzlich Eduard Mühle plädiert.[11] Eine von Gottfried Schramm 1997 geäußerte Hypothese auf philologischer Grundlage ist, dass die Anten ursprünglich von einer iranischen Führungsschicht beherrscht wurden, germanischen (gotischen) Einflüssen ausgesetzt waren, später das Volk aber stark slawisch geprägt wurde.[12]

Im Jahr 518 griffen die Anten erstmals selbstständig oströmisches Gebiet an. In der Regierungszeit Justinians I. sind dann weitere Angriffe in den 30er Jahren des 6. Jahrhunderts belegt; Justinian legte sich in diesem Zusammenhang den Siegerbeinamen Anticus zu. Es folgten Auseinandersetzungen zwischen Anten und Sklavinen (Slawen) in den 540er (und wieder in den 580er) Jahren.[13]

Die Anten wurden 545 zu Verbündeten Ostroms und erhielten die verlassene Stadt Turris an der Donau geschenkt.[14] Im Gegenzug hielten sie einen Teil der Donaugrenze gegen die einfallenden „Barbaren“. Die Anten betrieben, nachdem sie sesshaft geworden waren, Ackerbau und Viehzucht. Ihre Gesellschaft war patriarchalisch und stammesrechtlich organisiert. Sie erfüllten ihre Vertragspflichten gegenüber Ostrom, bis sie zu Beginn des 7. Jahrhunderts (um 602) ein Opfer der Expansion der Awaren wurden, die auch die Slawen unterwarfen. Die Niederlage der Anten wird noch von Theophylaktos Simokates beschrieben, anschließend verschwinden sie aus den Quellen.

Bekannte Personen

  • Boz, 4. Jh., legendarischer Anführer, historische Existenz nicht sicher
  • Dabragezas, 554–555 byzantinischer Heerführer
  • Idarizios, um 561, Anführer
  • Kelagastos, um 561 möglicherweise Anführer
  • Mezameros, um 561, Gesandter der Anten bei den Byzantinern

Literatur

  • Gottfried Schramm: Ein Damm bricht: die römische Donaugrenze und die Invasionen des 5.–7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. München 1997.
  • Alexander Sarantis: Justinian's Balkan Wars. Campaigning, Diplomacy and Development in Illyricum, Thace and the Northern World A.D. 527-65. Francis Cairns, Prenton 2016.
  • Bartlomiej Szymon Szmoniewski: The Antes. Eastern „Brothers“ of the Sclavenes? In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Brepols, Turnhout 2010, S. 53–82.
  • Omeljan Pritsak: Antae. In: The Oxford Dictionary of Byzantium (ODB). Bd. 1, New York/Oxford 1991, S. 108 f.
  • Florin Curta: The Making of the Slavs. History and Archaeology of the Lower Danube Region, C. 500–700. Cambridge 2001.

Anmerkungen

  1. Zur Ableitung (Antya) siehe Gottfried Schramm: Ein Damm bricht: die römische Donaugrenze und die Invasionen des 5.–7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. München 1997, S. 178ff.
  2. Ausführlicher Überblick zur Forschung bei Bartlomiej Szymon Szmoniewski: The Antes. Eastern „Brothers“ of the Sclavenes? In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Turnhout 2010, S. 53–82.
  3. Jordanes, Getica 48, 247 ff. Der Name Boz lässt sich nach Gottfried Schramm: Ein Damm bricht: die römische Donaugrenze und die Invasionen des 5.–7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. München 1997, S. 182, wie auch einige andere antische Personennamen, weder dem Slawischen noch dem Germanischen oder Iranischen zuordnen.
  4. Prokop, Historien VII 14. Überblick dazu bei Florin Curta: The Making of the Slavs. History and Archaeology of the Lower Danube Region, C. 500–700. Cambridge 2001, S. 311 ff.
  5. Bartlomiej Szymon Szmoniewski: The Antes. Eastern „Brothers“ of the Sclavenes? In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Turnhout 2010, hier S. 63ff.
  6. The Oxford Dictionary of Late Antiquity. Bd. 1 (2018), S. 81 (...related to the *Slavs, with whom they shared the same language and customs...).
  7. Vgl. Prokop, Historien VII 14.
  8. Bartlomiej Szymon Szmoniewski: The Antes. Eastern „Brothers“ of the Sclavenes? In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Turnhout 2010, hier S. 67ff.
  9. Bartlomiej Szymon Szmoniewski: The Antes. Eastern „Brothers“ of the Sclavenes? In: Florin Curta (Hrsg.): Neglected Barbarians. Turnhout 2010, hier S. 82 (Despite the past and current desire of many to recruit the Antes for Slavic history, there is currently no agreement as to the Slavic origin of the Antes.).
  10. Vgl. Oxford Dictionary of Byzantium, Bd. 1, S. 108.
  11. Eduard Mühle: Die Slaven im Mittelalter. Berlin/Boston 2016, S. 4.
  12. Gottfried Schramm: Ein Damm bricht: die römische Donaugrenze und die Invasionen des 5.–7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. München 1997, S. 178ff., zusammenfassend ebd., S. 181.
  13. Zusammenfassend und mit ausführlichen Belegen Florin Curta: The Making of the Slavs. History and Archaeology of the Lower Danube Region, C. 500–700. Cambridge 2001, S. 75 ff. Siehe nun auch Alexander Sarantis: Justinian's Balkan Wars. Campaigning, Diplomacy and Development in Illyricum, Thace and the Northern World A.D. 527-65. Prenton 2016, speziell S. 247ff.
  14. Alexander Sarantis: Justinian's Balkan Wars. Campaigning, Diplomacy and Development in Illyricum, Thace and the Northern World A.D. 527-65. Prenton 2016, S. 250f.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Keszthely-Fenékpuszta (Castellum) - Germanic gold buckle, Hungary.jpg
Autor/Urheber: James Steakley, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Goldene Schnalle aus dem Gräberfeld Flur Ödenkirche von Keszthely-Fenékpuszta
  • Komitat Zala, Ungarn

Germanische Schilddornschnalle, aus Gold gegossen. Auf dem ovalen Rahmen sind zwei Tierköpfe mit geöffnetem Maul, am Dornansatz zwei Vogelköpfe und am untersten Dornende ein weiterer Vogelkopf mit Schnabel dargestellt. Auf der Unterseite steht die griechische Inschrift ANTIKOY, "Besieger der Anten", die aus einzelnen Punkten mit einem Stichel punziert wurde. Der Beiname weist darauf hin, dass der hier Bestattete führend an dem Feldzug gegen das Volk der Anten teilnahm. Die Schnalle stellt als archäologisches Objekt einen einzigartigen Beleg für deren Nennung dar.

Geborgen wurde dieses Objekt in Grab A des Gräberfelds Flur Ödenkirche von Keszthely-Fenékpuszta. In den 130 Gräbern an dieser Stelle wurden neben den charakteristischen Gegenständen der frühen Keszthely-Kultur (6.-7. Jahrhundert) auch typisch germanische Gegenstände geborgen. Bei Grab A handelt es sich um ein großes, westöstlich orientiertes Kammergrab aus Holz eines erwachsenen, robusten Mannes von 1,88 m Größe. Obwohl das Grab bald nach dem Einsturz der Holzkonstruktion geplündert wurde, blieben einige wichtige Gegenstände wie diese Schilddornschnalle erhalten.

  • Exponat in der Ausstellung „Die Langobarden. Das Ende der Völkerwanderung“ vom 22.08.2008-11.01.2009 im Rheinischen LandesMuseum Bonn. Leihgabe aus dem Balaton-Museum Keszthely.