Anselm von Havelberg

Anselm von Havelberg (* um 1099; † 12. August 1158 bei Mailand) war ein Reichspolitiker, theologischer Gelehrter und Bischof von Havelberg sowie Erzbischof von Ravenna.

Leben

Anselm von Havelberg, vermutlich aus der Gegend von Lüttich oder aus Lothringen oder auch Italien stammend[1], studierte an der Domschule im nordfranzösischen Laon, unter anderem bei dem Benediktiner Anselm von Canterbury – einem der bekanntesten Theologen und Philosophen des Mittelalters und Begründers der Scholastik sowie Heiligem (1494) und Kirchenlehrer (1720). Durch die Abtei Prémontré, dem Mutterhaus des Prämonstratenserordens, und der Gründung des Prämonstratenserstifts St. Martin in Laon wurde er Schüler Norberts von Xanten und schließlich Prämonstratenser-Chorherr.[2] Anselm war seit früher Jugend ein enger Freund und später ein enger politischer Gefährte von Wibald von Stablo.[3]

1129 wurde Anselm als Prämonstratenser-Chorherr zum Bischof von Havelberg ernannt und von Norbert von Xanten, damaliger Bischof von Magdeburg, geweiht. Nach dem Tod Norbert von Xantens 1134 übernahm Anselm dessen diplomatischen Aufgaben. Er diente drei römisch-deutschen Reichsoberhäuptern (Lothar III., Konrad III., dieser erlangte als erster Monarch des Reichs, nicht die Kaiserkrone, und Friedrich I. Barbarossa) als Diplomat. Die Gründung des Prämonstratenser-Klosters Jerichow im Jahr 1144, die maßgeblich auf Anselm zurückgeht, diente auch der Wiederherstellung des Bistums Havelberg. Zudem erhielt er von König Konrad III. einen Schutzbrief für sein Bistum Havelberg, das durch den Wendensturm zum Teil entvölkert worden war. Somit konnten aus anderen Gegenden Kolonisten kommen, die von Abgaben und Dienstleistungen befreit waren. 1147 nahm er als päpstlicher Legat von Papst Eugen III. am Kreuzzug gegen die Wenden teil. Danach konnte in Anselms Pontifikat der Bau des Domes und der Wiederaufbau der Stadt erfolgen. 1150 gründete der Bischof schließlich das Prämonstratenser-Kloster am Dom zu Havelberg und erhob das Stiftskapitel zum Domkapitel des Bistums Havelberg.[2]

Im Auftrag Kaiser Lothars hielt Anselm sich 1135[4]/1136[5] am byzantinischen Hof in Konstantinopel auf, um Bündnisverhandlungen zu führen. Auf Anregung des byzantinischen Kaisers disputierte er mit dem Erzbischof Niketas von Nikomedien und Basileios von Achrida, Erzbischof von Thessaloniki über die dogmatischen Unterschiede zwischen römischer und griechischer Lehre. Darüber berichtete er in den in lateinischer Sprache verfassten Niederschriften Anticimenon (auch Dialogi oder Dialogorum libri tres bezeichnet) mit Band I. Entwicklung des Glaubens im Alten und Neuen Testament und in der Kirche sowie Band II. und III. Dogmatische Lehrgegensätze zwischen der römischen und der griechischen Kirche; das Werk gilt als Hauptschrift von Anselm.[2]

Nach Thronbesteigung von Friedrichs I. 1152 als römisch-deutscher König wurde er dessen Gesandter in Rom, wo er 1153 einen bedeutenden Beitrag leistete zum Abschluss des Konstanzer Vertrages zwischen Papst Eugen III. und König Friedrich I. für dessen Bedingungen für eine Kaiserkrönung als Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Er wurde 1155 als Dank von Friedrich I. zum Erzbischof und Exarch von Ravenna ernannt und erhielt am 18. Juni 1155, am Tag der Kaiserkrönung Friedrich I. Barbarossa, das erzbischöfliche Pallium aus der Hand von Papst Hadrian IV.[2]

Er war Teilnehmer am Zweiten Italienzug von Friedrichs I. und starb während der Belagerung von Mailand 1158 im Heerlager. Er wurde in der Kathedrale von Ravenna bestattet.[2] Die Sarginschrift lautet Anselmus, servus servorum Dei, divina gratia sanctae Ravennatis Ecclesiae Archiepiscopus et eiusdem civitatis Exarchus.[6]

Literatur

  • Johann W. Braun: A. von Havelberg. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 1. Artemis & Winkler, München/Zürich 1980, ISBN 3-7608-8901-8, Sp. 678 f.
  • Sebastian Sigler: Anselm von Havelberg: Beiträge zum Lebensbild eines Politikers, Theologen und königlichen Gesandten im 12. Jahrhundert. Aachen: Shaker 2005 ISBN 3-8322-3916-2
  • Hans Lauerer: Die theologischen Anschauungen des Bischofs Anselm von Havelberg gestorb. 1158: auf Grund der kritisch gesichteten Schriften dargestellt, Erlangen: Junge & Sohn 1911.
  • Hans PrutzAnselm, Bischof von Havelberg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 478 f.
  • Braun, Johann Wilhelm: Anselm von Havelberg. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Aufl. Band 1 (1978) Sp. 384–391.
  • A. F. Riedel: Nachrichten über den Bischof Anselm von Havelberg, Gesandten der Deutschen Kaiser Lothar und Friedrich I. am Kaiserlichen Hofe zu Konstantinopel, nachmaligen Erzbischof und Exarchen von Ravenna. In: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates. Band 8, Berlin Posen Bromberg 1832, S. 97–136 (Volltext) und S. 225–267 (Volltext).
  • Lees, Jay T.: Anselm of Havelbergs 'Banishment' to Havelberg. In: Analecta Praemonstratensia 63 (1986) 5–18.
  • Lees, Jay T.: Anselm of Havelberg. Deeds into words in the twelfth century (Studies in the history of Christian thought 79). Leiden, Köln: Brill 1998.
  • Braun, Johann Wilhelm: Studien zur Überlieferung der Werke Anselms von Havelberg. I: Die Überlieferung des Anticimenon. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters namens der Monumenta Germaniae Historica 28 (1972) S. 133–209.
  • Lees, Jay T.: "Alii nostrum ...". Bischof Anselms von Havelberg Schilderung des Lebens in Havelberg. In: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 61 (1997) S. 89–98.
  • Martin GrabmannAnselm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 309 f. (Digitalisat).
  • Berschin, Walter: «Anselm von Havelberg und die Anfänge einer Geschichtstheologie des hohen Mittelalters», Literaturwissenschaftliches Jb. NF 29, 1988, p. 225–232.
  • Sieben, Hermann Josef [Hrsg.]: Anticimenon: "Über die eine Kirche von Abel bis zum letzten Erwählten und von Ost bis West" / Anselm von Havelberg. Eingeleitet, übers. und kommentiert von Hermann Josef Sieben. Münster – Aschendorff – 2010 (Archa verbi: Subsidia; 7)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Walther Killy, Dietrich von Engelhardt, Rudolf Vierhaus: Deutsche Biographische Enzyklopädie, 1995, S. 147
  2. a b c d e Fr. Joachim: Ein Diplomat für die Einheit der Kirche. Anselm von Havelberg (1099–1158) - Prämonstratenser, Bischof und Politiker!! In: Kloster Roggenburg. Mitteilung an unsere Freunde und Förderer, Ausgabe Juli 2016, S. 12
  3. Johann Janssen: Wibald von Stablo und Corvey (1098-1158) Abt, Staatsmann und Gelehrter, 1854, S. 12
  4. Aufbruch nach dem 10. August 1135 wahrscheinlich von Merseburg: RI IV,1,1 n. 453, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1135-08-10_1_0_4_1_1_453_453 (Abgerufen am 28. Januar 2019).
  5. Rückkehr am 29. Juni 1136 nach Goslar: RI IV,1,1 n. 487, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1136-06-29_1_0_4_1_1_487_487 (Abgerufen am 28. Januar 2019).
  6. Christian Friedrich Jllgen (Hrsg.), Christian Wilhelm Spieker: Zeitschrift für die historische Theologie, Leipzig 1840, S. 147
VorgängerAmtNachfolger
GumbertBischof von Havelberg
1126–1155
Walo
Moses von VercelliErzbischof von Ravenna
1155–1158
Wido von Biandrate