Anja Siegesmund

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Anja Siegesmund (2019)

Anja Siegesmund, geb. Kaschta (* 16. Januar 1977 in Gera), ist eine deutsche ehemalige Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen). Von 2014 bis 2023 war Siegesmund (mit einer Unterbrechung während der Regierungskrise in Thüringen 2020) Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz sowie zweite stellvertretende Ministerpräsidentin des deutschen Bundeslands Thüringen. Sie ist designierte Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft.

Siegesmund zog nach der Landtagswahl am 30. August 2009 als Abgeordnete ihrer Partei in den Thüringer Landtag ein und führte die bündnisgrüne Fraktion bis 2014 als Fraktionsvorsitzende. 2014 und 2019 war sie Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen in Thüringen.

Siegesmund ist seit Oktober 2021 Mitglied des neu gewählten Präsidiumsvorstands der Laienbewegung evangelischer Christen Deutscher Evangelischer Kirchentag und Präsidentin des Evangelischen Kirchentags 2025 in Hannover.[1]

Ausbildung und Beruf

Siegesmund studierte ab 1995 Politikwissenschaft, Germanistik und Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1998/99 studierte sie als Stipendiatin des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) an der Louisiana State University in Baton Rouge, USA. 2002 schloss sie ihr Studium in Jena als Magistra Artium ab. Von 2003 bis zu ihrem Einzug in den Thüringer Landtag 2009 leitete sie als wissenschaftliche Referentin das Wahlkreisbüro einer Bundestagsabgeordneten in Erfurt. Sie ist seit 2023 Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags.[2] Am 25. Mai 2023 wurde Siegesmund zur Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft gewählt. Sie tritt das Amt am 1. Juni 2024 an.[3]

Politische Karriere

Seit 2002 engagiert sich Siegesmund für Bündnis 90/Die Grünen. Von 2003 bis 2011 war sie Kreissprecherin der Partei in Jena. Als den Thüringer Grünen bei der Landtagswahl 2009 nach 15 Jahren der Wiedereinzug in den Thüringer Landtag gelang, zog Siegesmund über Platz drei der Landesliste in den Thüringer Landtag ein. Dort wurde sie zur Vorsitzenden der bündnisgrünen Landtagsfraktion gewählt. Neben ihrer Funktion als Fraktionsvorsitzende war sie im 5. Thüringer Landtag Sprecherin für Soziales, Arbeit, Familie, Gesundheit und Wirtschaft sowie stellvertretendes Mitglied in den Untersuchungsausschüssen 5/1 (Rechtsterrorismus und Behördenhandeln) und 5/2 (V-Leute gegen Abgeordnete) des Thüringer Landtages.

Auf der Landesdelegiertenkonferenz (Landesparteitag) von Bündnis 90/Die Grünen Thüringen vom 29. bis 30. November 2013 wurde Siegesmund zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2014 gewählt und bildete mit Dirk Adams das Spitzenduo der Thüringer Bündnisgrünen.[4] Nach der Wahl, bei der den Grünen der erfolgreiche Wiedereinzug in den Thüringer Landtag gelungen war, wurde sie zunächst als Fraktionsvorsitzende bestätigt. Mit der Bildung der bundesweit ersten rot-rot-grünen Koalition unter linker Führung wurde sie am 5. Dezember 2014 zur Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz ernannt. Sie führte das neu zugeschnittene Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz zunächst mit Staatssekretär Olaf Möller. Zu Siegesmunds Nachfolger als Grünen-Fraktionsvorsitzender wurde am 10. Dezember 2014 Dirk Adams gewählt.

Im Sinne einer Trennung von Amt und Mandat legte sie – wie zuvor schon ihre linken Kabinettskollegen Bodo Ramelow und Birgit Klaubert – zum 15. Oktober 2015 ihr Landtagsmandat nieder; ihr Nachrücker wurde Olaf Müller.[5] Vom 26. Mai 2019 bis zum 31. Oktober 2020 war sie gewähltes Mitglied im Stadtrat Jena. Bei der Landtagswahl in Thüringen am 27. Oktober 2019, die sie gemeinsam mit Dirk Adams als Spitzenkandidaten-Team der Grünen anführte[6][7], wurde sie über Listenplatz 1 erneut als Abgeordnete in den Landtag gewählt. Nach der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags am 26. November 2019 war sie geschäftsführend als Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz im Amt. Mit der Wahl Thomas Kemmerichs zum Thüringer Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 schied sie aus dem Amt aus, in das sie nach der Wiederwahl Bodo Ramelows am 4. März 2020 erneut eingesetzt wurde. Am 17. März 2020 legte sie abermals ihr Landtagsmandat nieder. Für sie rückte Laura Wahl nach.[8]

Siegesmund war Mitglied des Bundesrates und dort Mitglied im Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Wirtschaftsausschusses.[9] Konkrete mehrheitsfähige Initiativen waren hier u. a. die weitere Verschärfung der Regelungen zum Fracking, das Angleichen der Übertragungsnetzentgelte, die Förderung von hocheffizienten KWK-Anlagen sowie ein Ende des Einsatzes von Glyphosat.[10][11][12][13][14][15]

Am 23. Dezember 2022 gab Siegesmund bekannt, ihre politischen Ämter zum 31. Januar 2023 niederzulegen.[16][17][18] Im Ministeramt folgte ihr Bernhard Stengele nach.

Politische Schwerpunkte

Umwelt- und Naturschutz

Umweltministerin Anja Siegesmund beim Wettbewerb „Grüne Schulhöfe für Thüringen“

Ab dem Amtsantritt Siegesmunds wurde innerhalb von zwei Jahren ein flächendeckendes Netz von Natura-2000-Stationen in Thüringen[19] aufgebaut. Ziel der insgesamt zwölf Stationen war es, Maßnahmen für den Erhalt der europäisch geschützten Arten und Lebensräume zu planen und umzusetzen.

Siegesmund setzte sich innerhalb der Flussgebietsgemeinschaft Werra/Weser für den „Masterplan Salzreduzierung“[20] ein. Dieser ist handlungsleitend für alle sieben Anrainerländer sowie das Unternehmen K+S.[21]

Siegesmund engagierte sich als Umweltministerin für die Lösung des Altlasten-Problems in Rositz-Schelditz. Aufsteigendes mit Öl kontaminiertes Grundwasser hatte in Schelditz zahlreiche Gebäude unbewohnbar gemacht. Das Land Thüringen und die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV einigten sich auf eine gemeinsame Finanzierung und Sanierung des Areals.[22]

Das Thüringer Grünes-Band-Gesetz wurde am 9. November 2018 vom Thüringer Landtag verabschiedet.[23] Mit dem Gesetz wird die ehemalige innerdeutsche Grenze Thüringens als Nationales Naturmonument unter besonderen Schutz gestellt. Siegesmund setzte sich zuvor bereits seit langer Zeit für den Erhalt des Grünen Bandes als Erinnerungsort und einmalige Naturlandschaft ein.[24] Thüringen hat mit 763 km den längsten Abschnitt am Vorhaben Grünes Band Deutschland und ist Teil des European Green Belt.

Klimaschutz

Umweltministerin Anja Siegesmund vor dem Klimapavillon des Thüringer Umweltministeriums mit Wissenschaftsjournalist Harald Lesch (2019)

Siegesmund stellte als Ministerin das erste Klimagesetz in den neuen Bundesländern[25] und eine dazugehörige integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie vor.[26] Das Gesetz wurde am 14. Dezember 2018 im Landtag verabschiedet. Es legte u. a. das Ziel fest, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 schrittweise um bis zu 95 Prozent zu senken.[27]

In der bundesweit geführten Debatte zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2017 beteiligte sich Siegesmund vor allem über den Bundesrat. Dort initiierte sie im Frühjahr 2017 gemeinsam mit Schleswig-Holstein die Angleichung der Netznutzungsentgelte. Siegesmund äußerte mehrfach ihre ablehnende Haltung zum Bau des Suedlink durch Thüringen.[28]

Das Umweltministerium etablierte unter Siegesmunds Führung das Siegel Faire Windenergie Thüringen und die dazugehörigen Leitlinien für einen transparenten und bürgerfreundlichen Ausbau der Windenergie. Ziel des Siegels war, Thüringens Kommunen stärker als bisher auch finanziell an den Gewinnen der Windenergie zu beteiligen und die Akzeptanz durch transparente Planungsverfahren und direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.

Siegesmund nahm als Mitglied der offiziellen deutschen Delegation an den UN-Klimakonferenzen in Bonn 2017[29] und Katowice 2018 teil.[30]

Sonstiges

Siegesmund lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Jena. Sie ist evangelisch und Mitglied u. a. bei:

Dokumentarfilme

  • 2022: Wilde Wälder, Regie: David Cebulla

Weblinks

Commons: Anja Siegesmund – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

  1. Kirchentag | PM. Abgerufen am 17. November 2021 (deutsch).
  2. Designierte Kirchentagspräsidentin Siegesmund gegen AfD-Teilnahme. In: domradio.de. 30. Oktober 2021, abgerufen am 22. Januar 2023.
  3. Entsorger wählen Anja Siegesmund zur Präsidentin. In: FAZ.net. 25. Mai 2023, abgerufen am 25. Mai 2023.
  4. Grüne Thüringen: Mit einer starken Liste in die Landtagswahl! (Memento vom 7. Januar 2014 im Internet Archive) 2. Dezember 2013
  5. Parlamentsdokumentation: Veränderungen in der Besetzung der Fachausschüsse. (PDF) Thüringer Landtag, 30. Oktober 2015, abgerufen am 4. Februar 2019.
  6. Anja: Anja Siegesmund, grüne Spitzenkandidatin Landtagswahl 2019 Thüringen. In: Anja Siegesmund. 2. November 2018, abgerufen am 3. Februar 2019 (deutsch).
  7. Siegesmund und Adams führen Thüringens Grüne in den Landtagswahlkampf. Thüringer Allgemeine, abgerufen am 3. Februar 2019.
  8. Mandatsnachfolge im Thüringer Landtag. Wahl und Pfefferlein folgen auf Siegesmund und Adams. Thüringer Landtag, 17. März 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. März 2020; abgerufen am 17. März 2020.
  9. Mitglieder Freistaat Thüringen. Bundesrat, abgerufen am 22. Mai 2018 (deutsch).
  10. Redebeitrag von Anja Siegesmund am 08.05.2015 um 12:26 Uhr (933. Sitzung, TOP 36). Bundesrat, 8. Mai 2015, abgerufen am 24. Juli 2018 (deutsch).
  11. Redebeitrag von Anja Siegesmund am 23.09.2016 um 10:59 Uhr (948. Sitzung, TOP 87). Bundesrat, 23. September 2016, abgerufen am 24. Juli 2018 (deutsch).
  12. Redebeitrag von Anja Siegesmund am 04.11.2016 um 11:32 Uhr (950. Sitzung, TOP 25). Bundesrat, 4. November 2016, abgerufen am 24. Juli 2018 (deutsch).
  13. Redebeitrag von Anja Siegesmund am 02.02.2018 um 10:39 Uhr (964. Sitzung, TOP 28). Bundesrat, 2. Februar 2018, abgerufen am 24. Juli 2018 (deutsch).
  14. Redebeitrag von Anja Siegesmund am 15.12.2017 um 10:02 Uhr (963. Sitzung, TOP 26). Bundesrat, 15. Dezember 2017, abgerufen am 24. Juli 2018 (deutsch).
  15. Bundesrat: Gesetzesantrag der Länder Thüringen und Schleswig-Holstein. (PDF) In: Drucksache 112/17. Bundesrat, 2. Februar 2017, abgerufen am 24. Juli 2018.
  16. Wechsel an der Spitze des Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz: Ministerin Siegesmund übergibt Amtsgeschäfte im neuen Jahr. Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, Freistaat Thüringen, abgerufen am 22. Dezember 2022.
  17. Badische Zeitung: Thüringens Umweltministerin Siegesmund kündigt Rücktritt an. Abgerufen am 23. Dezember 2022.
  18. Stefan Locke: Thüringens Umweltministerin tritt überraschend zurück. In: FAZ.net. 23. Dezember 2022, abgerufen am 2. Februar 2023.
  19. Natura 2000-Stationen in Thüringen. Kompetenzzentrum Natura 2000-Stationen, abgerufen am 9. November 2018.
  20. Masterplan Salzreduzierung. Flussgebietsgemeinschaft Weser, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Oktober 2018; abgerufen am 9. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fgg-weser.de
  21. Claus Peter Müller: Im Land der weißen Berge. Frankfurter Allgemeine, 19. März 2015, abgerufen am 17. Oktober 2018.
  22. Volkhard Paczulla: Millioneninvestition: Lösung für ehemaliges Teerverarbeitungswerk Rositz gefunden. Ostthüringer Zeitung, 17. Februar 2018, abgerufen am 17. Oktober 2018.
  23. Grenzstreifen wird Naturmonument. Deutschlandfunk, 9. November 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. November 2018; abgerufen am 9. November 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de
  24. Anja Siegesmund; Peter Wurschi: Vom Todesstreifen zur grünen Brücke. Der Tagesspiegel, 1. Oktober 2016, abgerufen am 17. Oktober 2018.
  25. Thüringer Gesetz zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. (PDF; 2,5 MB) Gesetzentwurf der Landesregierung. Thüringer Landtag, 12. Januar 2018, abgerufen am 17. Oktober 2018.
  26. Thüringer Energie- und Klimaschutzstrategie. Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, Freistaat Thüringen, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Oktober 2018; abgerufen am 17. Oktober 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/klimastrategie-thueringen.de
  27. Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz: Thüringen verabschiedet erstes Klimagesetz in den neuen Ländern. 14. Dezember 2018, abgerufen am 5. Februar 2019.
  28. Stromtrassen-Kritiker fordern gemeinsam Ausbaustopp. Frankfurter Rundschau, 25. März 2018, abgerufen am 17. Oktober 2018.
  29. Siegesmund: „Wir haben schon jetzt mehr Hitze und Starkregen“. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 4. Februar 2019.@1@2Vorlage:Toter Link/www.thueringer-allgemeine.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  30. Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz: #COP24 - Umweltministerin Anja Siegesmund bei der Weltklimakonferenz in Kattowitz. 20. Dezember 2018, abgerufen am 3. Februar 2019.

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