Anerkenntnis

Änderung eines Schuldverhältnisses

Das Anerkenntnis ist im Zivilrecht ein rechtserhebliches Handeln, durch das ein Schuldverhältnis bekräftigt und im Extremfall auch neugeschaffen wird (siehe Schuldanerkenntnis), oder im Zivilprozessrecht eine Prozesshandlung, mit welcher ein Beklagter im Gerichtsprozess den Anspruch des Klägers ganz oder als zum Teil bestehend anerkennt.

Allgemeines

Der Begriff des Anerkenntnisses wird in der Rechtssprache in mannigfaltigen Bedeutungen verwendet, die zu unterscheiden sind. Es kann sich

  1. um Wissenserklärungen handeln (etwa bei Verkehrsunfällen), wenn eine Person (außerprozessual) ein bestimmtes Handeln, so eine Vorfahrtsverletzung oder einen Rotlichtverstoß zugibt. Ein solches Anerkenntnis wird im Prozess als Umstand angesehen, der in die Beweiswürdigung eingeht oder gar zur Beweislastumkehr führt.
  2. um ausdrückliche Erklärungen oder Handlungen handeln, aus denen auch stillschweigend die Bekräftigung eines Schuldverhältnisses, etwa durch eine Abschlagszahlung, hervorgeht, auch wenn solchen Handlungen oder Erklärungen kein weitergehender rechtsgeschäftlicher Bindungswille zugeschrieben werden kann. Derartige Handlungen und Erklärungen kommt neben einer Funktion in der Beweiswürdigung insbesondere die Bedeutung zu, dass die Verjährung (siehe Verjährung (Deutschland), Verjährung (Österreich)) dadurch unterbrochen wird.
  3. um ausdrückliche oder stillschweigende Willenserklärungen handeln, die Auswirkungen auf die Rechtslage haben (deklaratorisches oder konstitutives Schuldanerkenntnis)
  4. um Prozesserklärungen, die zwingend zur Verurteilung der anerkennenden Partei führen, soweit das Anerkenntnis reicht.

Bereits das Allgemeine Preußische Landrecht (APL) vom Juni 1794 sah vor, dass Rechtshandlungen, woraus eine vollständige Kenntnis eines Vertrages und zugleich die wiederholte Genehmigung seines Inhalts verdeutlicht wird, als stillschweigendes Anerkenntnis galten (I 5, § 189 APL).[1] Die heutige Rechtsprechung stellt an ein Anerkenntnis geringere Anforderungen als an ein deklaratorisches oder gar konstitutives Schuldanerkenntnis.[2] Das Anerkenntnis ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der ein (auch rein tatsächliches) Verhalten beschreibt, durch das ein Rechtssubjekt den Anspruch eines anderen Rechtssubjekts mindestens durch Realakt bestätigt („Tatsachenanerkenntnis“). Das Reichsgericht (RG) stellte bereits 1910 klar, dass nicht jedes Anerkenntnis, sondern nur ein Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB einen selbständigen, privatrechtlichen Verpflichtungsgrund bilde.[3]

Zivilrecht

Allgemeines

Äußeres Kennzeichen eines Anerkenntnisses kann deshalb bereits eine Zahlung sein. So beginnt gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Doch liegt allein in der Bezahlung einer Rechnung noch kein Anerkenntnis.[4] Ein eigenständiges, konstitutives Schuldanerkenntnis scheidet hier regelmäßig aus, da der Zahlungspflichtige nicht eine neue Verbindlichkeit begründen, sondern eine (vermeintlich) bestehende Verbindlichkeit tilgen will. Die vorbehaltlose Bezahlung einer Rechnung rechtfertigt für sich genommen weder die Annahme eines deklaratorischen noch eines „tatsächlichen“ Anerkenntnisses der beglichenen Forderung, weil im Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, keine Aussage über seinen Charakter als Erfüllungshandlung (§ 363 BGB) hinaus des Schuldners enthalten ist, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen.[5]

Rechtsfragen

Bei der Rechtsfrage, ob ein Anerkenntnis vorliegt, bedarf es stets einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, das heißt grundsätzlich einer Prüfung der einzelnen (möglichen) „Anerkennungshandlungen“ des Schuldners.[6] Beziehen sich Erklärungen lediglich auf Tatsachen (etwa die schriftliche Erklärung des Fahrers über das Unfallgeschehen am Unfallort) und der rechtsgeschäftliche Verpflichtungsgrund fehlt, liegt kein Anerkenntnis vor.[7] Von einem Anerkenntnis ist jedoch auszugehen, wenn der Schuldner in einer schriftlichen Erklärung seinen Verpflichtungswillen bekundet. Anerkenntnis ist jedes – auch ein rein tatsächliches – Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs – wenigstens dem Grunde nach – unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird.[8] Ein Anerkenntnis kann mit verjährungsunterbrechender Wirkung (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nur innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist abgegeben werden.[9]

Anerkenntnis als materiell-rechtlicher Vertrag

Ein rechtgeschäftliches Anerkenntnis als Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner wird als Schuldanerkenntnis bezeichnet. Es tritt als deklaratorisches oder als konstitutives (auch: abstraktes) Schuldanerkenntnis auf. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis lässt den Schuldgrund unberührt, es führt aber dazu, dass der Schuldner alle Einwendungen aus dem Anspruch verliert, die er zum Zeitpunkt des Schuldanerkenntnisses hätte erheben können. Ein konstitutives oder abstraktes Schuldanerkenntnis begründet dagegen ein neues, vom ursprünglichen unabhängiges Schuldverhältnis. Es kann das alte Schuldverhältnis ersetzen (Novation) oder neben das alte Schuldverhältnis als weiterer Schuldgrund treten. Das konstitutive Schuldanerkenntnis unterliegt der Rückforderung (Kondiktion), wenn es infolge einer vermeintlichen Verpflichtung abgegeben wurde, die tatsächlich nicht bestanden hatte. Die Erklärung eines Schuldners, der kein Kaufmann im Sinne des HGB ist, ein konstitutives Schuldanerkenntnis abgeben zu wollen, muss schriftlich erklärt werden; die Annahmeerklärung des Gläubigers bedarf dagegen nicht der Schriftform.

Zivilprozessrecht

Anerkenntnisurteil in einem zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht (Kammer für Handelssachen)

Das zivilprozessuale Anerkenntnis ist die einseitige prozessuale Erklärung der beklagten Partei, dass der gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil (Teilanerkenntnis) begründet ist. In diesem Fall ist sie dem Anerkenntnis gemäß durch ein Anerkenntnisurteil (§ 307) zu verurteilen, sofern die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen; einer weiteren Begründung bedarf das Urteil nicht. Zu unterscheiden ist das prozessuale Anerkenntnis vom zivilprozessualen Geständnis. Ein Geständnis (§ 288 ZPO) enthebt das Gericht nicht der verantwortlichen Prüfung, ob der unstreitig gewordene Sachverhalt die klageweise begehrte Rechtsfolge rechtfertigt. Ein auf einem Geständnis beruhendes Urteil ist daher zu begründen und mit Rechtsmitteln anfechtbar.

Verfahren

Das Anerkenntnis erfordert die Postulationsfähigkeit dessen, der es abgibt. Es ist ohne Bedingung zu erklären (bedingungsfeindlich) und unwiderruflich.

Ein Anerkenntnisurteil hat das Gericht seit der Änderung des § 307 ZPO zum 1. August 2004 auch ohne Antrag des Klägers zu erlassen. Wird ein Anerkenntnis außerhalb der mündlichen Verhandlung abgegeben, ist eine mündliche Verhandlung nicht mehr erforderlich. Das Anerkenntnisurteil bedarf keiner Begründung. Fehlen aber die Sachurteilsvoraussetzungen, ist die Klage trotz des Anerkenntnisses durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Aufgrund der vielfachen Verweisungen auf die Zivilprozessordnung in anderen Verfahrensordnungen ist ein Anerkenntnisurteil über den Zivilprozess hinaus in vielen Prozessen zulässig, in denen die Dispositionsmaxime gilt, so in Verwaltungsprozessen. In Prozessen der Sozialgerichtsbarkeit dagegen führt ein angenommenes Anerkenntnis nicht zu einem Anerkenntnisurteil, sondern zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, weil bereits dieses Anerkenntnis einen Vollstreckungstitel darstellt (§ 101, § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG).

Ein prozessuales Anerkenntnis kann definitionsgemäß nur eine beklagte Partei abgeben. Auf Klägerseite ist die spiegelbildliche Erklärung, die definitive Aufgabe des Klageanspruchs, der Verzicht, der zum Erlass eines Verzichtsurteils führt.

Kostenfolge

Das prozessuale Anerkenntnis führt unter Umständen zur Durchbrechung des Grundsatzes, dass die im Prozess unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Wenn das Anerkenntnis sofort abgegeben wurde und der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, werden die Prozesskosten dem Kläger auferlegt. Diese Regelung folgt im Zivilrecht aus § 93 ZPO, während für verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten § 156 VwGO diese Rechtsfolge setzt. Sofort bedeutet, dass das Anerkenntnis bei der ersten Antragstellung erfolgen muss. Keine Veranlassung zur Klageerhebung bedeutet, dass der Kläger keinen Grund zu der berechtigten Annahme haben durfte, er werde nur mit gerichtlicher Hilfe zu seinem Ziel kommen.

Beispiele:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass ein sofortiges Anerkenntnis auch noch nach der ersten Antragstellung im weiteren Verlauf des Verfahrens abgegeben werden kann, wenn die Klage zunächst nicht schlüssig vorgetragen wurde. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, „einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klaganspruch schon zuvor – gleichsam auf Verdacht – als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können.“[10]

Verwaltungsprozessrecht

Auch im Verwaltungsprozess kann der Erlass eines Anerkentnisurteils analog zum Zivilprozessrecht nach § 173 VwGO i. V. m. § 307 ZPO beantragt werden, sofern die Klageart es ermöglicht. Das ist beispielsweise bei einer Verpflichtungsklage oder der Geltendmachung eines Zahlungsanspruches gegeben. Der Amtsermittlungsgrundsatz im Verwaltungsprozessrecht (§ 86 VwGO) steht dem nicht entgegen.[11]

Anerkenntnis und Verjährung

Im Bereich der zivilrechtlichen Verjährung ist ein Anerkenntnis darüber hinaus jegliche Bekundung eines Rechtssubjekts, dass ein Anspruch einer Gegenpartei zu Recht besteht; es unterbricht die Verjährung. Auch ein solches nicht-rechtsgeschäftliches Anerkenntnis, auch wenn es keine Prozesserklärung darstellt, kann im Rechtsstreit Auswirkungen auf den Ausgang des Prozesses über die Würdigung des Parteivortrags und der Beweise haben.

International

In der Schweiz heißt das schuldrechtliche Schuldanerkenntnis Schuldbekenntnis und ist die Bestätigung des Schuldners, dass eine Forderung gegen ihn zu Recht besteht. Es ist gemäß Art. 17 OR auch ohne die Angabe eines Verpflichtungsgrundes gültig. Im schweizerischen Betreibungsrecht ermöglicht das Vorliegen einer Schuldanerkennung, dass der Gläubiger im Rechtsöffnungsverfahren nicht den ordentlichen Prozessweg beschreiten muss, sondern provisorische Rechtsöffnung erteilt bekommen kann.[12] Das Schweizer Familienrecht sieht in Art. 260 ZGB vor, dass das nur zur Mutter bestehende Kindesverhältnis durch den Vater anerkannt werden kann. Die Anerkennung kann gemäß Art. 260a ZGB von jedermann beim Gericht angefochten werden, namentlich von der Mutter, vom Kind und nach seinem Tode von den Nachkommen sowie von der Heimat- oder Wohnsitzgemeinde des Anerkennenden.

In Österreich ist ein (konstitutives) Anerkenntnis materiell-rechtlich ein zivilrechtlicher Vertrag (Anerkenntnisvertrag), mit dem ein Streit über ein zweifelhaftes oder strittiges Recht durch einseitiges Nachgeben einer Seite beendet wird. Ein konstitutives Anerkenntnis, das – im Gegensatz zu einem deklarativen Anerkenntnis – einen neuen Verpflichtungsgrund schafft, ist eine besondere Art des Vergleichs, wobei die Besonderheit nur im Tatsächlichen liegt: Die Vertragspartner einigen sich auf die Beseitigung eines strittigen oder zweifelhaften Rechts und die Neufestlegung eines Rechts, das dem entspricht, was von einer Partei zuvor behauptet wurde.[13] Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Schuldner eine Forderung ausdrücklich oder schlüssig anerkannt hat (§ 1497 ABGB). Dazu bedarf es keines konstitutiven Anerkenntnisses, auch das deklarative Anerkenntnis (eine bloße Wissenserklärung) unterbricht die Verjährung.[14] Das österreichische Prozessrecht regelt das Anerkenntnis nicht ausdrücklich, sondern es ist als Unterart des Vergleichs als „einseitiges Nachgeben“ bekannt. Es handelt sich um einen Feststellungsvertrag, durch den eine Partei das von ihr bezweifelte Recht in vollem Umfang zugesteht.[15] Von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzungen und Vorfragen sowie Tatsachen sind nicht anerkennungsfähig. Auf Antrag des Klägers ist dem Anerkenntnis gemäß durch Urteil zu entscheiden (§ 395 öZPO).

Einzelnachweise

  1. Christian Friedrich Koch, Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, Band 1, Ausgabe 1, 1870, S. 219 f.
  2. Dirk-Carsten Günther, Der Regress des Sachversicherers, 2013, S. 63
  3. RGZ 75, 4, 5 f.
  4. BGH WM 2007, 796
  5. BGH, Urteil vom 11. November 2008, Az.: VIII ZR 265/07
  6. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015, Az.: VI ZR 87/14 = BGH NJW 2015, 1589
  7. BGH, Urteil vom 14. Juli 1981, Az.: VI ZR 304/79 = BGH NJW 1982, 996, 998
  8. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008, Az.: VI ZR 312/07 = BGH NJW-RR 2009, 455
  9. RGZ 78, 130, 131
  10. BGH, Beschluss vom 3. März 2004, Az.: IV ZB 21/03, Volltext
  11. BVerwG U. v. 07.01.1997 - 4 A 20/95 - BVerwGE 104,27
  12. BGE 132 III 480; Marc Hunziker/Michel Pellascio, Repetitorium Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2012, S. 92
  13. Thomas Aigner: Der zivilrechtliche Vergleich. Eine umfassende Analyse des materiellrechtlichen Vergleichsvertrages gemäß §§ 1380 ff ABGB unter Einbeziehung von Novation und Anerkenntnis. 1. Auflage. LexisNexis, Wien 2022, ISBN 978-3-7007-8291-9, S. 103 ff.
  14. OGH, Urteil vom 9. Dezember 1997, Az.: 4 Ob 308/97s
  15. Christian von Bar, Ausländisches Privat- und Privatverfahrensrecht in deutscher Sprache, 2011, S. 447

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