Amazon Go

Erstes Amazon-Go-Ladengeschäft

Amazon Go ist eine amerikanische Supermarktkette des US-Konzerns Amazon, deren Geschäfte ohne Registrierkassen oder SB-Kassen auskommen. Die Kunden verlassen das Geschäft nach Auswahl der Waren ohne einen Kassiervorgang, die eingekauften Artikel werden durch Sensoren und Kameras erfasst und nach dem Verlassen des Ladens automatisch berechnet. Stand 2019 waren 26 Filialen in Betrieb.[1][2]

Das erste Geschäft, das sich in der 7th Avenue von Seattle befindet, eröffnete im Dezember 2016 für Mitarbeiter und im Januar 2018 für die Öffentlichkeit. Dort werden Speisen, „meal kits“, limitierte Lebensmittel und Spirituosen zum Kauf angeboten.[3]

Entwicklung

Amazon gibt an, das Konzept für kassenlose Supermärkte vier Jahre lang entwickelt zu haben.[4][5] Zunächst sollte das Geschäft im März 2017 auch für reguläre Kunden öffnen. Dieser Termin konnte jedoch nicht eingehalten werden, da sich in der Erprobungsphase erhebliche technische Probleme zeigten, sobald sich über 20 Kunden gleichzeitig im Geschäft befanden und den Dienst benutzten.[6]

Im Juni 2017 wurde bekannt, dass Amazon bereits die Suche nach weiteren Standorten in den USA und Europa aufgenommen hatte.

Wer in den Amazon-Go-Läden einkaufen will, muss ein Profil bei Amazon besitzen und die Amazon-Go-App herunterladen. Bisher lieferte Amazon innerhalb ausgewählter Städte Lebensmittel per Versand als Amazon Fresh aus, was jährlich 15 US-Dollar Aufpreis auf die teil-pauschalierten Versandkosten von jährlich 99 USD für Amazon Prime ausmachte.

Technik und Verfahren

(c) Sikander Iqbal, CC BY-SA 4.0
Ausgangsbereich

Im Jahre 2014 meldete Amazon beim US-Patentamt ein entsprechendes Patent unter dem Titel Transitioning Items from a Materials Handling Facility an.[7][8] Amazon propagiert das System als „Just walk out“-Technologie. Die „Verbindung mehrerer Sensoren“, die zum Einsatz kommen, funktioniert laut Amazon ähnlich wie bei selbstfahrenden Autos (siehe auch Maschinelles Sehen). Am Eingang müssten sich Kunden lediglich mit einem QR-Code ausweisen, der mit der App Amazon Go auf dem Smartphone generiert werde. Danach würden ihre Einkäufe automatisch erfasst; die Kosten würden beim Verlassen des Geschäfts über die Amazon-Accounts der Kunden abgerechnet.

Olaf Kolbrück beschreibt im Online-Magazin e-tailment ausgehend von der US-Patentanmeldung für Amazon Go die Technik wie folgt: „Kameras und eine Kombination unterschiedlicher Sensoren füttern […] einen lernenden Algorithmus, der erkennen soll, welche Produkte Kunden aus dem Regal nehmen – oder wieder zurückstellen. Amazon dürfte dabei auf eine Technik bauen, die ähnlich der Gesichtserkennung Gegenstände aus unterschiedlichsten Winkeln erkennt und über Modelle, wie wir sie von RFID kennen, die jeweilige Position von Kunde und Produkt bestimmen. Zudem können Sensoren zum Einsatz kommen, die das Gewicht der Produkte im Regal – oder gar das Gewicht oder die Größe des Kunden erkennen.“ Ebenso könnten mündliche Kommentare der Kunden gespeichert werden.[9]

Marktposition

Kassenbereiche abzuschaffen, ist in der Branche keine neue Idee: IBM hatte beispielsweise bereits ein Modell mit RFID-Funketiketten erprobt, scheiterte aber an den Kosten der Etiketten.[10] Insgesamt folgt Amazons kassenloses Supermarktkonzept einem generellen Trend im Einzelhandel, der mittels Digitalisierungsmaßnahmen Effizienzzuwächse anstrebt. Dabei hat die Abschaffung von Kassenbereichen den Hintergrund, dass sie für Händler personal- und kostenintensiv sind und der Kundschaft oft lange Wartezeiten bereiten.[11] Im Januar 2018 brauchte Amazon Go bei derselben Ladengröße aufgrund des Verkaufskonzeptes mehr Personal als vergleichbare Geschäfte der Konkurrenz.[12] Die chinesische Einzelhandelskette BingoBox, die 2018 ebenfalls 200 rund um die Uhr geöffnete kleine Märkte ohne Personal betreibt, verwendet RFID-Etiketten an jedem Stück Handelsware, erfasst und kassiert Kunden über WeChat. Die RFID-Etiketten sind im Aufpreis der Waren gegenüber anderen Händlern wiederzufinden.[13] Bereits im Juli 2017 eröffnete Alibaba einen Tao Café Shop in Hangzhou ohne Kassenpersonal.[14]

Kritik

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Bundes Peter Schaar hält nach Bericht von Zeit online das Vorhaben von Amazon für problematisch und inkompatibel mit europäischen Datenschutzbestimmungen. Für den Kunden sei schließlich nicht nachvollziehbar, welche Daten beim Einkaufen gesammelt werden und ob automatisch erstellte Bilder gespeichert oder Emotionen beim Einkaufen festgehalten würden. Da die vom System zu erfassenden Daten gebündelt auf Servern gespeichert werden, gehe Schaar davon aus, dass von jedem Kunden ein exaktes Profil zusammengestellt werde: „Die Daten aus dem Netz werden mit den Daten der Sensoren verknüpft, was dazu führt, dass die Verbraucher identifiziert und ihre Bewegungen im Shop aufgezeichnet werden.“ Das Konzept basiere darauf, den „Menschen total zu kontrollieren“.[15]

Jenny Huberman betrachtet Amazon Go als ein gutes Beispiel für den Überwachungskapitalismus und als Vorreiter, Überwachungstechnologie immer weiter in die letzten Winkel unseres Lebens zu bringen. Es diene als wertvolle Trainingsmöglichkeit und natürliches Laboratorium für die Entwicklung und das Finetuning von Algorithmen der Überwachungskapitalisten.[16]

Weblinks

Commons: Amazon Go – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Unbemannte Stores: Wie die Nahversorgung der Zukunft aussehen könnte. Abgerufen am 23. Juli 2019.
  2. 3 more Amazon Go stores on the way in Seattle and Chicago, bringing total footprint to 17 locations. 22. Juli 2019, abgerufen am 23. Juli 2019 (amerikanisches Englisch).
  3. Erster Amazon-Supermarkt ohne Kassen öffnet in Seattle. In: Handelsblatt, 21. Januar 2018.
  4. Kristina Beer: Amazon Go: Amazon eröffnet kassenloses Lebensmittelgeschäft, heise online vom 6. Dezember 2016
  5. "Amazon Go" – Amazon eröffnet Supermarkt ohne Kassen, RP-Online 7. Dezember 2016
  6. Golem Media: Amazon go: Kassenloser Supermarkt scheitert im Praxistest, 28. März 2017. Aufgerufen am 19. Mai 2017.
  7. Patent US10176456B2: Transitioning items from a materials handling facility. Angemeldet am 24. September 2014, veröffentlicht am 8. Januar 2019, Anmelder: Amazon Tech Inc, Erfinder: Gianna Lisa Puerini, Dilip Kumar, Steven Kessel.
  8. We May Have Just Uncovered Amazon’s Vision for a New Kind of Retail Store www.recode.net, abgerufen am 8. Januar 2017
  9. Olaf Kolbrück: So funktioniert Amazon Go: Die Technik hinter dem Zauberwort „Sensor Fusion“ abgerufen am 8. Januar 2017
  10. Amazon Go. Einkaufen ohne Kasse: Lebensmittelladen von Amazon. Archiviert vom Original am 21. Dezember 2016; abgerufen am 11. Januar 2017.
  11. Panos Mourdoukoutas: Amazon-Whole Foods Deal Is Bad News For Store Cashiers And The Fight For $15 Minimum Wage. In: Forbes. (forbes.com [abgerufen am 24. Juni 2017]).
  12. Jochen G. Fuchs: Amazon Go braucht mehr Mitarbeiter als ein normaler Supermarkt In: t3n.de, 26. Januar 2018.
  13. Verrücktes China: Der Supermarkt ohne Personal, Pro7 Galileo, Staffel 2018, Episode 93, 3. April 2018
  14. Sollten sich deutsche Supermärkte China zum Vorbild nehmen? Abgerufen am 23. Juli 2019.
  15. Bastian Brauns, Veronika Völlinger: Supermarkt der Zukunft zeit online.de, 6. Dezember 2016, abgerufen am 8. Januar 2017
  16. Jenny Huberman: The Spirit of Digital Capitlism. Cambridge 2022, S. 92 ff.

Koordinaten: 47° 36′ 58,9″ N, 122° 20′ 23,9″ W

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Amazon Go in Seattle, December 2016.jpg
Autor/Urheber: SounderBruce, Lizenz: CC BY-SA 4.0
The prototype Amazon Go store at Day One, Seattle, Washington.
Amazon Go - Seattle (20180804111407).jpg
(c) Sikander Iqbal, CC BY-SA 4.0
People exiting the Amazon Go grocery store in Seattle, Washington, USA.