Palais an der Leinstraße
Das Alte Palais, ursprünglich Palais von dem Bussche und später Palais an der Leinstraße genannt, stand in Hannover an Leinstraße an Stelle des heutigen Hannah-Arendt-Platzes und des Niedersächsischen Sozialministeriums.[1]
Geschichte
Johann Clamer von dem Bussche († 1766), Staatsminister und Geheimer Rat, erwarb gegenüber dem Leineschloss 1751–52 zunächst drei Häuser, um nach deren Abriss ein rund 39 m langes, dreigeschossiges Palais in spätbarocken Formen zu bauen: das „Palais von dem Bussche“. Der Architekt ist unbekannt, könnte aber[2] Johann Paul Heumann (1703–1759) oder der Festungsbaumeister Johann Georg Dinglinger (1702–1785) gewesen sein, der auch das Vorwort zu dem Stichwerk (Hg. 1759: Georg Moritz Lowitz in Göttingen) zu dem Palais geschrieben hat.
1768 bis 1786 wohnte hier Karl II. von Mecklenburg-Strelitz, hier wurden auch seine Töchter Luise (die spätere Königin von Preußen) und Friederike (die spätere Königin von Hannover) geboren.
1786 kaufte Herzog Friedrich von York das Palais und ließ 1789 das rechte Nachbarhaus um- oder[3] neubauen. 1797 kaufte der Oberkommissar (Kaufmann) Eckhard das Palais, um es 1799 an die Königliche Kammer weiter zu verkaufen.
Der König wiederum schenkte es 1802 seinem jüngsten Sohn Herzog Adolph Friedrich, Herzog von Cambridge. Für diesen und dessen Familie baute Hofarchitekt Georg Ludwig Friedrich Laves 1814–20 das Palais um: Durch neue Hofbauten und den Erwerb des linken Nachbarhauses 1818 wurde es sehr erweitert, neu dekoriert und möbliert.
1820 schufen der Hofmaurermeister Ernst Ludwig Taentzel gemeinsam mit dem Bildhauer August Hengst das Allianzwappen am Alten Palais für Adolph Friedrich und seine Gemahlin, Auguste von Hessen, Duchess of Cambridge und Vizekönigin im Königreich Hannover.[4]
1830 wurde das Palais zur künftigen königlichen Winterresidenz bestimmt. Dadurch wurde das gegenüberliegende Leine-Schloss zum reinen Repräsentationsbau, der aber wohl[5] kurz danach durch einen unterirdischen Gang mit dem Alten Palais verbunden wurde.
Nach dem Ankauf durch König Wilhelm IV. ließ dieser seinen Bruder weiterhin dort wohnen. 1837/38 wurde der Mitteleingang geschlossen und das Erdgeschoss des Palais für König Ernst August I. zur Wohnung umgebaut, während das Obergeschoss für Königin Friederike gestaltet wurde. König und Königin starben später hier im Alten Palais. 1838 wurde durch den Zukauf des angrenzenden Schreihagenschen/Arnswaldschen Hauses und weiterer Hinterhäuser auch ein Zugang vom und zum Marktplatz erworben.
Der Name „Altes Palais“ entstand wahrscheinlich[3] ab circa 1853, nachdem für den Nachfolger König Georg V. 1851/52 das Wangenheim-Palais als „Neues Palais“ eingerichtet wurde.
1853–93 fungierte das Alte Palais als Königliche Privatbibliothek sowie für die Waffensammlung und das Münzkabinett (danach wurde das Gebäude von der Cumberlandschen Vermögensverwaltung genutzt).
1859–66 nutzte ein Ministerium des Königlichen Hauses den Südflügel, während (ebenfalls bis 1866) die Englische Gemeinde in einem Saal des Alten Palais ihre Gottesdienste abhielt.
Bei den Luftangriffen auf Hannover im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude 1943 zerstört.
Abbildungen (unvollständig)
- 1759: Johann Georg Dinglinger gab in Göttingen ein Stichwerk heraus, zu dem der Festungsbaumeister Johann Georg Dinglinger (1702–1785) ein Vorwort schrieb.
Siehe auch
Literatur
- Thomas Dann: Höfische Wohnkultur im Wandel. Das Alte Palais in Hannover und seine Ausstattung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; in: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge 50 (1996), S. 85–126
- Helmut Knocke: Altes Palais, in: Stadtlexikon Hannover, S. 20f.
- Stefan Amt: Georg Friedrich Dinglinger. Neue Forschungsergebnisse…. In: Hannoversche Geschichtsblätter, Jg. 1–32, Hannover 1898–1930; Neue Folge (NF): Jg./Bd. 1ff, Hannover 1931ff; hier: NF 48 (1994), S. 200
- Victor Curd Habicht: G. F. Dinglinger. Ein Beitrag…; in: Hannoversche Geschichtsblätter, Bd. 19 (1916), S. 271–287
- Victor Curt Habicht: G. F. Dinglinger, der Meister des Palais an der Leinstraße, in: Hannoversche Geschichtsblätter, (1915), S. 457–466
- Günther Kokkelink, Harold Hammer-Schenk (Hrsg.): Laves und Hannover. Niedersächsische Architektur im 19. Jahrhundert, Hannover 1989; S. 500–502
- Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Stadt Hannover, Teil 1, 1930, S. 304–310, 423f.
Archivalien
Archivalien zum Palais an der Leinstraße finden sich beispielsweise
- als Depositum in der Kartensammlung des Niedersächsischen Landesarchivs (Abteilung Hannover)[6]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Helmut Knocke: Altes Palais, in: Stadtlexikon Hannover, S. 20f.
- ↑ Stadtlexikon Hannover…S. 20f
- ↑ a b Stadtlexikon Hannover…, S. 21
- ↑ Helmut Knocke: Taentzel, Tän(t)zel, (1) Ernst Ludwig, in: Stadtlexikon Hannover, S. 616
- ↑ Stadtlexikon Hannover…, S. 12
- ↑ Angaben über das Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen
Koordinaten: 52° 22′ 14,7″ N, 9° 44′ 2,2″ O
Auf dieser Seite verwendete Medien
Blick um 1900 durch die Leinstraße in Hannover entlang des Alten Palais in Hannover in Richtung Hahnsche Buchhandlung und den Fachwerkhäusern am Holzmarkt. ... Dieses Dokument wurde freundlicherweise von Heralde Schmitt-Ulms zum Scannen geliehen, um es als Digitalisat bei Commons nachhaltig allen Menschen zu Bildungszwecken zur Verfügung zu stellen ...
Ausschnitt aus einer Seite aus dem Ernst August Album. Zu sehen ist die von Wilhelm August Degèle in schwarz-weiß abfotografierte und von dem Maler und Zeichenlehrer Wilhelm Kretschmer ursprünglich vielfarbig geschaffene Gouache und später als umrahmte Federlithographie vervielfältigte Ansicht unter dem Titel
Dargestellt ist König Ernst August beim Lesen eines Schriftstückes in seinem Arbeitszimmer im Alten Palais. Zur Beschreibung der Innenaufnahme und weiterer Erläuterungen vergleiche„Arbeitszimmer Sr. Höchstseligen Majestät des Königs von Hannover“
Das hier gezeigte Digitalisat gibt aufgrund eines nur halbwegs hochaufgelösten Scans leider nicht die differenzierte Ausformulierung des Originals wieder. Es ist allerdings immerhin detailreicher als beispielsweise das sowohl noch geringer aufgelöste und auch noch mit einem Wasserzeichen quer überzogene Digitalisat des Deutschen Historischen Museums, vergleiche dessen Darstellung, langfristig gespeichert in der Version vom 28. Juni 2015 im Internet Archive ...„Franz Rudolf Zankl: Hannover Archiv, Bd. 4: Hauptstadt, Blatt H 22 König Ernst August im Arbeitszimmer 1850“
Bereits im Jahr 1843 im Verlag von Gustav Georg Lange (Darmstadt) angebotener Stahlstich
„Das Palais und das neue Schloss zu Hannover“
von Louis Hoffmeister nach einer Zeichnung von Georg Osterwald, alt-koloriert; hier das ganze Blatt in geringerer Auflösung als das (untenstehende) hochaufgelöste Digitalisat.
Literatur: Ludwig Lange:
„Originalansichten der historisch merkwürdigsten Städte in Deutschland, ihrer Dome, Kirchen und sonstigen Baudenkmale“
Band 4:
Digitalisat: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10946782?page=8,9„Nach der Natur aufgenommen von Ludwig Lange u.a. In Stahl gestochen von Ernst Willmann, Joh. Poppel, Gustav Ad. Müller und anderen deutschen Künstlern. Mit einem artistisch topographischen Text, Druck und Verlag von Gustav Georg Lange, Darmstadt 1843“