Alternierende Reihe

Alternierende Reihen (von lateinisch: alternare - abwechseln) sind unendliche Reihen und gehören als solche in das mathematische Teilgebiet der Analysis.

Definition

Eine alternierende Reihe (englisch alternating series) ist eine unendliche Reihe, für die die Glieder der zugehörigen Folge aus reellen Zahlen besteht, die abwechselndes Vorzeichen haben.

Es handelt sich also um eine Reihe, die in der Form

  oder  

dargestellt werden kann, wobei die sind. Oft wird zusätzlich gefordert, dass die Folge bzw. monoton fallend sein soll.[1][2][3][4][5][6]

Darstellung von Konstanten mittels alternierender Reihen

Viele Konstanten in der Analysis haben aussagekräftige Reihendarstellungen und gewinnen ihr Interesse nicht zuletzt aus Darstellungen mittels alternierender Reihen. Hier gibt es einige herausragende Beispiele – wie etwa:

Zum natürlichen Logarithmus von 2

Hier tritt eines der immer wieder genannten Standardbeispiele für alternierende Reihen auf, nämlich die alternierende harmonische Reihe

,

die im Gegensatz zur (divergenten!) harmonische Reihe nach dem Leibniz-Kriterium[A 1] konvergiert.[7][2][3][8][5]

Zur eulerschen Zahl

Ein anderes gängiges Beispiel ist die alternierende Reihe für den Kehrwert der eulerschen Zahl. Man hat nämlich:[1][7]

.

Zur Kreiszahl

Ein weiteres Standardbeispiel ist auch die Leibnizsche Reihe, welche eine Reihenentwicklung der Kreiszahl beinhaltet:[1][7][5]

.

Zur Kreiszahl gibt es eine ganze Anzahl weiterer alternierender Reihen wie etwa

[7]

und

[7]

und

.[9]

Zur Wurzel von 2

Zwei Beispiele gibt es zur Wurzel der natürlichen Zahl , die sich aus der Binomialreihe ergeben, nämlich:

und

.[10]

Zum goldenen Schnitt

Die goldene Zahl liefert folgendes Beispiel:[9]

Den engen Zusammenhang mit den Fibonacci-Zahlen belegt auch die Gleichung

.[11]

Zur Apéry-Konstante

Die Apéry-Konstante, also der Funktionswert der riemannschen Zetafunktion für das Argument , liefert ebenfalls Beispiele:[12]

Weiterhin gilt die folgende Reihendarstellung:

.[A 2]

Zur catalanschen Konstante

Die catalansche Konstante ist sogar als alternierende Reihe definiert, und zwar als die folgende :[13]

Zur Cahen-Konstante

Als weiteres Beispiel ist die Cahen-Konstante

zu erwähnen, wobei die Folge per Rekursion definiert ist:[14]

.[A 3]

Eng verwandt mit der Cahen'schen Konstante ist die ebenfalls durch eine alternierende Reihe gegebene Konstante

.[A 4]

Zur Euler-Mascheroni-Konstante

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel liefert die Euler-Mascheroni-Konstante durch eine Darstellung als alternierende Reihe unter Verwendung der Funktionswerte der riemannschen Zetafunktion:[12]

.[A 5]

Daneben sind weitere Darstellungen bekannt, wie etwa die von Formel von Vacca:[15]

.[A 6]

Zu einer Primzahlkonstanten

Bildet man aus den Kehrwerten der Primzahlen die zugehörige alternierende Reihe, so erhält man:[16]

.[A 7]

Zu zwei von Ramanujan behandelten Konstanten

Der indische Mathematiker Srinivasa Ramanujan fand zwei alternierende Reihen zur Darstellung zweier Konstanten im Zusammenhang mit der Gammafunktion und der Kreiszahl , nämlich

und

.[17]

Zum Integral von x hoch x

Das Integral

besitzt die Darstellung

.[18][A 8]

Darstellungen von Funktionen mittels alternierender Reihen

Wie die in der Analysis auftretenden Konstanten haben auch viele reelle Funktionen Reihendarstellungen mittels alternierender Reihen. Hierfür gibt es eine Reihe von bedeutenden Beispiele – wie etwa:

Zur Logarithmusfunktion

Das obige Beispiel zum Logarithmus von lässt sich verallgemeinern. Hier ergibt sich nämlich für reelle Zahlen mit die Reihenentwicklung

,[19][20]

aus der für nichtnegative (offenbar) alternierende Reihen hervorgehen.[A 9]

Zur Kehrwertfunktion

Ein interessantes Beispiel liefert die für reelle mit gebildete geometrische Reihe

.

Diese bildet für den Fall eine alternierende Reihe, die jedoch zusätzlich absolut konvergent ist. Hier ist dann die Situation gegeben, dass man die Reihensumme einfach als Summe der nur aus den positiven und der nur aus den negativen Gliedern gebildeten Teilreihen ermittelt, also als Differenz zweier Reihen aus lauter positiven Gliedern.[3]

Zur Arkustangensfunktion

Das obige Beispiel zur Leibnizschen Reihe lässt sich verallgemeinern vermöge der (alternierenden!) Arkustangensreihe für reelle Zahlen mit . Hier gilt nämlich:[21]

.[A 10]

Zu Sinus und Kosinus

Zu den bedeutenden alternierenden Reihen zählen ebenfalls die Taylorreihen für die reelle Sinus- und Kosinusfunktion:[22][A 11]

Zur riemannschen Zetafunktion und zur dirichletschen Etafunktion

In den Zusammenhang mit der oben genannten alternierenden harmonischen Reihe gehört als weiteres Beispiel die folgende alternierende Reihe, die eng mit der (schon erwähnten) riemannschen Zetafunktion verbunden ist und die als eines von vielen Beispielen einer Dirichletreihe gelten kann. Hier gewinnt man nämlich, wie G. M. Fichtenholz in seiner Differential- und Integralrechnung II darlegt, für reelle Zahlen die Darstellung:[23]

.

In ähnlicher Weise hat man für reelle Zahlen mit die Darstellung

und dann sogar

.[12][A 12]

Zur dirichletschen Betafunktion

Die oben genannten catalansche Konstante gehört ebenfalls zu einem funktionalen Beispiel. Es handelt sich um die dirichletsche Betafunktion, welche für reelle Zahlen als alternierende Reihe

dargestellt werden kann.[24][A 13]

Zu den Bessel-Funktionen

Im Zusammenhang mit der besselschen Differentialgleichung treten die Bessel-Funktionen -ter Ordnung 1. Gattung auf, welche für reelle Zahlen stets alternierende Reihen der Form

liefern.[25]

Beispiel einer divergenten alternierende Reihe

Ein Beispiel für eine divergente alternierende Reihen ist

,

bei dem zu beachten ist, dass die Folge zwar monoton fallend ist, jedoch den Grenzwert hat.[26]

Literatur

  • H. Jerome Keisler: Elementary Calculus: An Infinitesimal Approach. 3. Auflage. Dover Publications, Mineola, NY 2012, ISBN 978-0-486-48452-5.
  • Claudio Canuto, Anita Tabacco: Mathematical Analysis I (= UNITEXT – La Matematica per il 3+2. Band 84). 2. Auflage. Springer International Publishing Switzerland, Cham, Heidelberg, New York, Dordrecht, London 2015, ISBN 978-3-319-12771-2, doi:10.1007/978-3-319-12772-9.}
  • Hans Grauert, Ingo Lieb: Differential- und Integralrechnung I. Funktionen einer reellen Veränderlichen (= Heidelberger Taschenbücher. Band 26). 4. verbesserte Auflage. Springer Verlag, Berlin, New York 1976 (MR0430171).}
  • Herbert Meschkowski: Unendliche Reihen. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim u. a. 1982, ISBN 3-411-01613-2 (MR0671586).
  • Martin Barner, Friedrich Flohr: Analysis I (= de Gruyter Lehrbuch). 5., durchgesehene Auflage. Walter de Gruyter & Co., Berlin, New York 2000, ISBN 3-11-016778-6.
  • Steven R. Finch: Mathematical Constants (= Encyclopedia of Mathematics and its Applications. Band 94). Cambridge University Press, Cambridge [u. a.] 2003, ISBN 0-521-81805-2 (MR2003519).
  • G. M. Fichtenholz: Differential- und Integralrechnung II. Übersetzung aus dem Russischen und wissenschaftliche Redaktion: Dipl.-Math. Brigitte Mai, Dipl.-Math. Walter Mai (= Hochschulbücher für Mathematik. Band 62). 6. Auflage. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1974.
  • I. N. Bronstein, K. A. Semendjajew, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig (Hrsg.): Taschenbuch der Mathematik. 10., überarbeitete Auflage. Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 2016, ISBN 978-3-8085-5790-7.
  • Otto Forster: Analysis 1. Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen (= Vieweg Studium. Grundkurs Mathematik). 9., überarbeitete Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0395-5.
  • Richard Courant: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung. Erster Band. Funktionen einer Veränderlichen. Neudruck 1948 (der 2. Auflage von 1930). 2. verbesserte Auflage. Springer Verlag, Berlin 1948.
  • Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungsgebiete. Band 2). 5., berichtigte Auflage. Springer Verlag, Berlin, Göttingen, Heidelberg, New York 1964, ISBN 3-540-03138-3 (MR0183997).

Einzelnachweise

  1. a b c Martin Barner, Friedrich Flohr: Analysis I. 5. Auflage. 2000, S. 145–146.
  2. a b Claudio Canuto, Anita Tabacco: Mathematical Analysis I. 2. Auflage. 2015, S. 151–152.
  3. a b c Richard Courant: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung. Erster Band. 2. Auflage. 1948, S. 295–298.
  4. G. M. Fichtenholz: Differential- und Integralrechnung II. 6. Auflage. 1974, S. 315–317.
  5. a b c Otto Forster: Analysis 1. 9. Auflage. 2008, S. 66–68.
  6. Hans Grauert, Ingo Lieb: Differential- und Integralrechnung I. (Kapitel III, Definition 3.1). 4. Auflage. 1976.
  7. a b c d e I. N. Bronstein, K. A. Semendjajev u. a (Hrsg.): Taschenbuch der Mathematik. 10. Auflage. 2016, S. 477–478.
  8. G. M. Fichtenholz: Differential- und Integralrechnung II. 6. Auflage. 1974, S. 315–316.
  9. a b Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 20.
  10. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 2.
  11. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 358.
  12. a b c Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 43.
  13. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 53.
  14. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 434–436.
  15. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 167.
  16. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 96.
  17. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 34.
  18. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 449.
  19. I. N. Bronstein, K. A. Semendjajev u. a (Hrsg.): Taschenbuch der Mathematik. 10. Auflage. 2016, S. 1077.
  20. Otto Forster: Analysis 1. 9. Auflage. 2008, S. 254–258.
  21. Otto Forster: Analysis 1. 9. Auflage. 2008, S. 258.
  22. Otto Forster: Analysis 1. 9. Auflage. 2008, S. 137–138, 253–254.
  23. G. M. Fichtenholz: Differential- und Integralrechnung II. 6. Auflage. 1974, S. 317.
  24. Steven R. Finch: Mathematical Constants. 2003, S. 53.
  25. I. N. Bronstein, K. A. Semendjajev u. a (Hrsg.): Taschenbuch der Mathematik. 10. Auflage. 2016, S. 576.
  26. H. Jerome Keisler: Elementary Calculus: An Infinitesimal Approach. 3. Auflage. 2012, S. 520.

Anmerkungen

  1. Dieses Kriterium ist nach Gottfried Wilhelm Leibniz benannt. G. M. Fichtenholz bezeichnet in seiner Differential- und Integralrechnung II – vgl. dort Fußnote auf S. 315! – eine alternierende Reihe, die den Bedingungen des leibnizschen Kriteriums genügt, als Reihe vom leibnizschen Typ.
  2. Steven R. Finch nennt hier (vgl. a. a. O S. 43) für die Apéry-Konstante zudem die Darstellung .
  3. Dies ist die nach James Joseph Sylvester benannte Sylvester'sche Folge. Vgl. dazu den in der englischsprachigen Wikipedia vorliegenden Artikel Sylvester's sequence sowie Folge A000058 in OEIS !
  4. Die Konstanten und sind Finch zufolge (vgl. a. a. O S. 436) beides transzendente Zahlen, während gilt. Fast nichts bekannt ist bislang (Stand 2003) über die Zahl .
  5. Finch zufolge (vgl. a. a. O S. 43) gilt hier zudem die Reihendarstellung .
  6. ist dabei nichts weiter als der Zweierlogarithmus von .
  7. Hier ist nach einem eulerschen Satz bekannt, dass für die Reihe gilt. Finch (vgl. a. a. O S. 96) verweist weiter auf die ebenfalls zugehörige Reihe , über die bisher (Stand 2003) unbekannt ist, ob sie konvergiert oder divergiert, was von Paul Erdős in 1996 als offenes Problem formuliert worden sei.
  8. Hier gibt Finch (vgl. a. a. O S. 449) für das zugehörige uneigentliche Integral ebenfalls eine Reihendarstellung: .
  9. Im Falle gewinnt man das zuvor genannte Beispiel.
  10. Im Falle gewinnt man die zuvor genannte Leibnizsche Reihe.
  11. Diese Taylorreihen sind für sogar für alle reellen Zahlen und auch für alle komplexen Zahlen absolut konvergent.
  12. Finch (vgl. a. a. O S. 43) folgend lässt sich daraus zum Beispiel die Reihenentwicklung gewinnen.
  13. Hier hat man .