Altarglocke


Eine Altarglocke (auch Altarschelle, Messschelle, „Messglöckchen“, „Ministrantenschelle“[1], „Sanktusglocke“, „Zymbel“,[2] lateinisch tintinnabulum oder campanula, französisch clochette, englisch altar bell oder Sanctus bell) ist eine kleine liturgische Handglocke oder ein Glockensatz, der meist von Messdienern durch Schwenken oder Drehen an bestimmten Stellen während der Messfeier (vor den Wandlungsworten und zur Elevation) oder bei anderen Gottesdiensten (etwa beim sakramentalen Segen) eingesetzt wird, um besondere Augenblicke auch akustisch zu betonen und so die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf das Geschehen zu lenken. Fallweise wird alternativ stattdessen die Sakristeiglocke eingesetzt. In manchen Regionen kommen in der Karwoche anstelle der Altarglocken Ratschen oder Holzklappern zum Einsatz.
Beschreibung und Geschichte
Silbernes Messglöckchen
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Das älteste bekannte Messglöckchen nördlich der Alpen stammt aus dem 9. bis 10. Jahrhundert, ist aus Silber gefertigt und mit den vier Evangelistensymbolen versehen. Es wurde bei Güttingen im Bodensee bei Grabungen entdeckt und befindet sich heute im Museum für Archäologie Thurgau.[3]
Vermutlich von Nürnberg ausgehend haben sich im späten Mittelalter Schellenbäume entwickelt. Ein außerordentliches Exemplar aus den 16. Jahrhundert mit Füßen in Gestalt der vier Evangelistensymbole, geschwungenem Griff, drei größeren und acht kleineren Glöckchen befindet sich heute im Schnütgen-Museum.[4]
Im 17. Jahrhundert gab es Altarglöckchen aus kleinem Kugelschellen mit kreis- und tropfenförmigem Ausschnitt. Die aus mehreren Glöckchen zusammengesetzten Handglocken nannte man auch „Cymbalum“ („Zimbel“ oder „Klinsel“).[5]
Erst im Barock entstanden die heute noch bekannten Altarglocken, die meist aus vier (es können jedoch auch zwei, drei, fünf oder sechs sein) kleinen Glöckchen und einer kreuz- oder ringförmigen Halterung mit gemeinsamem Handgriff bestehen. In seltenen Fällen wurde der Handgriff durch ein Kreuz ersetzt oder waren die (drei) Glöckchen nochmals von einem gemeinsamen Klangkörper ummantelt. Die Glöckchen einer Altarglocke können unterschiedlich oder gleich groß sein; das Zusammenspiel unterschiedlicher Glöckchen ergibt ein breiteres bzw. volleres Klangspektrum.
Symbolik
Die vierteiligen Altarglocken verweisen durch ihre Kreuzform auf das Erlösungswerk Christi, dreiteilige hingegen nehmen Bezug auf die Dreifaltigkeit Gottes (Trinität).
Glaubensrichtungen
Altarglocken entstanden im Bereich der römisch-katholischen Kirche; sie kommen jedoch regional auch während der lutherischen und der anglikanischen Messfeier zum Einsatz. In den orthodoxen Kirchen sind sie nicht bekannt.
Siehe auch
Literatur
- Matthew D. Herrera: Sanctus bells: History and Use in the Catholic Church. Tixlini Scriptorium, San Luis Obispo 2004, ISBN 0-9723720-3-2. (Digitalisat)
Weblinks
- Altarglöckchen, Geschichte und Gebrauch (RDK-Artikel)
- Glocken- oder Schellengläut bei der Wandlung (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Rainer Maria Rilke: Erste Gedichte. 1913: „Mein Herz gleicht der vergessenen Kapelle“
- ↑ Joseph Braun: Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung. München 1932, Tafel 115.
- ↑ Silbernes Messglöckchen in der Kabinettsausstellung. Parlament, Regierung, Justiz und Verwaltung Thurgau, 4. Juni 2021; abgerufen am 2. Januar 2025
- ↑ Herbert Rickmann: Kultgegenstand und kultisches Gerät, vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Veranstaltet vom Museum Folkwang Essen in Verbindung mit dem Bistum Essen, 31. August bis 29. September 1968, S. 94 und Abb. 60
- ↑ Joseph Braun: Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung. München 1932, S. 577
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Pfarrkirche St. Andreas in Parsberg:
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Die katholische Expositurkirche Heilig Kreuz in Gebertshofen, Markt Lauterhofen:
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Das Franziskanerkloster im Oberpfälzischen Freystadt