Altar des Vaterlands
Der Altar des Vaterlands, französisch autel de la patrie, auch autel de la liberté, war als zeremonieller Mittelpunkt eines Revolutionsfestes ein symbolischer Altar des Revolutionskults und verkörperte Ideen der Französischen Revolution. In der Revolutionszeit bildete er einen Vorläufer für bis zu 36.000 Monumente gleicher Art, die heute fast völlig verschwunden sind.
Geschichte
Für das Föderationsfest am 14. Juli 1790, dem ersten Jahrestag der Erstürmung der Bastille und späteren Nationalfeiertag Frankreichs, ließ die Konstituante auf dem Champ de Mars, einem Paradeplatz an der École militaire in Paris, einen „Altar des Vaterlands“ errichten. Das staatliche Fest war von Marie-Joseph Motier, Marquis de La Fayette, dem Kommandanten der Pariser Nationalgarde, nach dem Vorbild von Verbrüderungsfesten konzipiert, die von Nationalgarden bereits 1789 in Südfrankreich abgehalten worden waren. Als „Fest der Versöhnung und der Einheit aller Franzosen“ sollte es – unter Einbeziehung aller Bevölkerungsschichten in eine politische Philosophie und Identitätspolitik, deren romantischer Idealismus das Volk als treibende Kraft in die erste Reihe stellte[1] – den Gedanken der Nation unterstreichen und den Patriotismus fördern. Mit dem „Altar des Vaterlands“ knüpfte die Inszenierung des Festes begrifflich wie ikonografisch an sakrale Vorbilder des Opferkults aus Antike und Christentum an und bemühte das Konzept des Vaterlands als identitätsstiftende politische Idee.
Für die Veranstaltung wurde das Pariser Marsfeld mit Festbauten nach Entwürfen der klassizistischen Architekten Joseph Ramée und Jacques Cellerier (1742–1814) ausgestattet. Hierzu wurden ab dem 1. Juli 1200 Arbeiter mit den Erdarbeiten beschäftigt. Von Schloss Saint-Cloud wurde König Ludwig XVI. herbeigefahren, um zum Spatenstich die Spitzhacke zu schwingen.
Den Mittelpunkt einer langgestreckten Aufmarschfläche bildete ein freistehender Altartisch in der Form einer gedrungenen antiken Säule auf einem terrassierten Erdbaubauwerk mit hölzernem Podium, dessen untere und obere Ebene jeweils eine Rotunde bildete und dessen mittlere Plattform quadratisch war. Allseitig hatte der Altar symmetrische Freitreppen, in die vier Ecksockel als Substruktion für Ständer mit Rauchpfannen bühnenarchitektonisch integriert waren. Die mit Leinwand bespannten Wände der Sockel waren mit Trompe-l’œils aus klassizistischen Bildmotiven und patriotischen Epigrammen verziert und täuschten ein Bauwerk aus Marmor vor. Oben auf dem Altar standen ein Kruzifix und zwei Gesetzestafeln.
Die Aufmarschfläche war wie eine antike Arena von Tribünen für Zuschauer umgeben. Als einander gegenüberliegende Kopfbauten der Arena wurden ein hölzerner, mit bemalter Leinwand bespannter Triumphbogen mit drei Arkaden sowie ein zeltartiger Baldachin für König Ludwig XVI., Königin Marie-Antoinette, den Dauphin Ludwig und die anderen Ehrengäste errichtet. In der Mittelachse des Baldachins stand oberhalb einer Freitreppe ein Thron, von dem sich der König erhob, als er in einem konstitutionellen Staatsakt einen Schwur auf Nation und Gesetz abzulegen hatte.[2]
Liturgisch eingefasst war der Akt durch ein Hochamt, das von Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, dem Bischof von Autun und Mitglied der Konstituante, im Kreis von 60 Priestern gelesen und mit einem Te Deum abgeschlossen wurde. Die nach einem Bericht von 300 Trommlern und 1200 Musikern, 15.000 Nationalgardisten, 1200 Heeresdeputierten und 300.000 Zuschauern gerahmte Zeremonie hatte bei Regenwetter mit einem vierstündigen Einzug der Akteure durch den Triumphbogen begonnen und beinhaltete auch eine Segnung der Oriflamme, eine Weihe von 83 Departementsfahnen und eine feierliche Vereidigung La Fayettes als Oberbefehlshaber der Nationalgarde.[3] Formell stand die Veranstaltung, die mit einem Gastmahl des Königs ihre Fortsetzung fand, unter der Leitung von Charles-François de Bonnay (1750–1815), dem Präsidenten der Konstituante.
Obwohl vom Volk goutiert und bejubelt sowie von Chronisten als harmonisch beschrieben, wurde das Fest von Skeptikern bzw. Anti-Royalisten wie dem Marquis de Mirabeau und Camille Desmoulins wegen der Rollen, die es dem Monarchen und der Kirche darin eingeräumt hatte, politisch abgelehnt und kritisiert.
Im Folgejahr wurde das Föderationsfest am Altar des Vaterlands wiederholt, wobei es dort am Abend des Festtags durch einen Schusswechsel mit anschließender Massenpanik zu einem Massaker kam.
Per Gesetz vom 26. Juni 1792 beschloss die Gesetzgebende Nationalversammlung, dass in allen Gemeinden ein „Altar des Vaterlands“ errichtet und mit dem Satz „Der Bürger wird geboren, lebt und stirbt für das Vaterland“ beschriftet werden muss.[4] Die so landesweit entstandenen Denkmäler – es wird angenommen, dass bis zu 36.000 Monumente dieser Art in verschiedenen Ausprägungen errichtet wurden – verschwanden nach der Französischen Revolution fast völlig. Der einzig gut erhaltene Altar des Vaterlands ist der 1796 anstelle eines hölzernen Vorgängers errichtete steinerne Autel de la Patrie in Thionville.
Der Pariser Altar des Vaterlands bestand einige Jahre und diente als Bühne für eine Reihe von Festveranstaltungen, etwa am 20. September 1790, als man zur öffentlichen Rehabilitation der in der Nancy-Affäre hingerichteten Nationalgardisten eine Ehrenfeier abhielt. 1793 wurden dort die Reliquien der Cluniazenseräbte Odilo und Maiolus feierlich den Flammen übergeben. Zum Fest des Höchsten Wesens, das am 8. Juni 1794 gefeiert wurde, wurde das Bauwerk nach Plänen von Jacques-Louis David zu einem Kulthügel umgestaltet. Den Gipfel des Hügels krönten ein Freiheitsbaum und ein Altarpodium mit einer Säulenstatue des „Höchsten Wesens“, wo auf dem Höhepunkt der Terrorherrschaft des Wohlfahrtsausschusses nunmehr Maximilien de Robespierre dem Volk einen Eid abnahm. Diese Anlage verschwand in den Jahren 1795/1796.[5]
Sprachgebrauch
Das Bild und die im Deutschen seit 1778 belegte Wendung vom Altar des Vaterland[e]s fand als Schlagwort Eingang in den gehobenen Sprachgebrauch des frühen 19. Jahrhunderts. Metaphorisch und poetisch verstand man darunter eine Opferstätte, auf der Patrioten ihre Gaben dem Vaterland darbringen.[6] Bald nach den Befreiungskriegen bekam die Floskel einen ironischen Beigeschmack, der sich im Laufe der Zeit verstärkte.[7] Umgangssprachlich wird das 1911 eingeweihte Nationaldenkmal Viktor Emanuels II. auch als Altar des Vaterlands („Altare della Patria“) bezeichnet.
Literatur
- Michel Vovelle: Sociologie et idéologie des fêtes de la Révolution. In: Annales historiques de la Révolution française. Band 47, Nr. 221 (Juli–September 1975), S. 406–430.
- Richard A. Etlin: Architecture and the Festival of Federation, Paris 1790. In: Architectural History, 18 (1975), S. 23–42.
- Mona Ozouf: Festivals and the French Revolution. Erstveröffentlichung unter dem Titel La fête révolutionnaire, 1789–1799, Editions Gallimard, 1976, übersetzt von Alan Sheridan, Havard University Press, Cambridge/Massachusetts 1988/1991, ISBN 978-0-674-29884-2, S. 33 ff. (PDF)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Pim den Boer: Konzept Europa. In: Pim den Boer, Heinz Duchhardt, Georg Kreis, Wolfgang Schmale (Hrsg.): Europäische Erinnerungsorte 1. Mythen und Grundbegriffe des europäischen Selbstverständnisses. Oldenbourg Verlag, München 2012, ISBN 978-3-486-70418-1, S. 65
- ↑ „Ich, der König der Franzosen, schwöre, die Macht zu handhaben, welche mir die Verfassungsurkunde des Reichs erteilt, und die von der Nationalversammlung beschlossene und von mir angenommene Verfassung aufrecht zu erhalten.“ – „Moi, Roi de français, je jure d’employer le pouvoir que m’a délégué l’acte constitionel de l’État, à maintenir la constitution décrétée par l’Assemblée nationale et acceptée par moi.“ – Johann Baptist von Weiß: Lehrbuch der Weltgeschichte. 17. Band: Die französische Revolution. K. k. Universitäts-Buchdruckerei und Verlags-Buchhandlung Styria, Graz 1888, S. 361 ff., hier S. 365 (Google Books)
- ↑ Gustav Jahn: Geschichte der französischen Revolution von 1789 bis 1794. Ein Spiegel für das deutsche Volk. Hrsg. und verlegt von dem christlichen Vereine im nördlichen Deutschland, Eisleben 1849, S. 44 ff. (Google Books)
- ↑ Collection générale des loix, proclamations, instructions, et autre actes du pouvoir exécutif. 12. Band (Oktober–September 1792 und Supplément), Paris 1793, S. 488, Nr. 2582 (Google Books)
- ↑ Richard Taws: L’Autel de la Patrie. In: Gregory Fremont-Barnes (Hrsg.): Encyclopedia of the Age of Political Revolutions and New Ideologies, 1760–1815. Greenwood Press, 2007, ISBN 978-0-313-04951-4, S. 52 f. (Google Books)
- ↑ Vaterlands-Altar. In: Wilhelm Hoffmann: Vollständigstes Wörterbuch der deutschen Sprache. 6. Band: Umgang–zwote. Verlag der Dürr’schen Buchhandlung, Leipzig 1861, S. 185 (Google Books)
- ↑ Otto Ladendorf: Historisches Schlagwörterbuch. Verlag von Karl J. Trübner, Straßburg/Berlin 1906, S. 4 (Google Books)
Koordinaten: 48° 51′ 22″ N, 2° 17′ 52″ O
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Autor/Urheber: Anonyme, graveur, Lizenz: CC0
Auteur(s): | Anonyme, graveur
Autres titres : Révolution française : Plan des aménagements du Champ-de-Mars pour la Fête de la Fédération du 14 juillet 1790. 7ème arrondissement (Titre factice), Juillet 1790 : les travaux du champs de mars à la fête de la fédération (Titre de la série) |
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Date de production: | En 1790
Datation en siècle: 18e siècle |
Type(s) d'objet(s): | Estampe, Arts graphiques, Révolution française |
Dénomination(s): | Estampe |
Matériaux et techniques: | Eau-forte |
Dimensions - Oeuvre: |
Hauteur : 30.5 cm Largeur : 46.2 cm Dimensions - Montage: Hauteur : 32.5 cm Largeur : 50 cm |
Marques, inscriptions, poinçons: | Numéro d'inventaire - Au recto du montage ancien, en bas à droite, numéro au crayon : "G. 28143" \ Inscription au crayon
Tampon - Au recto de la planche, en bas à droite sur le plan, tampon ovale à l'encre rouge : "VILLE / DE / PARIS" (cf. Lugt supp. 2012c). \ Inscription à l'encre Lettre - Au recto de la planche, en haut, inscription imprimée : "PLAN / DU CHAMP DE MARS. / Tel qu'il a été disposé le quatorze Juillet 1790. / pour la Mémorable Confédération de toutes les Troupes et Gardes Nationales de France." \ Impression Inscription - Au recto de la planche, en haut à gauche, inscriptions imprimées : "EXPLICATION DES LETTRES / A. Autel de la Patrie / B. Thrône / C. Arc de Triomphe / D. Charpente élevée en Talu garni de - / Banquettes / E. Banquettes occupées par l'Assemblée / Nationale / EE. Talu garni de 40 Rangs de bancs" et à droite : "EXPLICATION DES LETTRES / F Terrasse en Talu garnie de 30 rangs de Bancs / dans tout le pourtour du Cirque / G Partie de la Terrasse sans Banquettes / H Rue St Dominique / I Avenue allant aux Invalides / K Ancien Sol du Champ de Mars. / Na. La Ligne ponctuée de la coupe, indique le profil du terrein / du Champ de Mars avant la nouvelle disposition." \ Impression Inscription - Au recto de la planche, diiférentes inscriptions imprimées : "RIVIERE DE SEINE / quay de Chaillot / Pont de bateaux / Batterie de canons / Dependances et Batimens de l'Ecole Militaire / Echelle de 200 Toises / Coupe sur la ligne L M" Lettres capitales \ Impression Inscription concernant l'auteur - Au recto de la planche en bas à droite, inscription concernant l'imprimeur, imprimée : "Se trouve à Paris. / L'Esclapart Libraire rue du Roule / Nº11. près le Pont Neuf. / Chereau rue St. Jacques / Et Journeaux Hôtel de la Monnoye / se trouve aussi chez Lattré rue St. Jacques Nº20" \ Impression |
Description iconographique: |
Plan d'aménagement du Champ-de-Mars pour la Fête de la Fédération du 14 juillet 1790 (échelle de 200toises) et coupe .Travaux. Histoire. Révolution française. Cirque, Autel de la Patrie, trône, Arc de Triomphe, charpente, talu, banquette de l'Assemblée Nationale, terrasse, rue Saint-Dominique, l'Ecole Militaire, batterie de canons, pont, quai de Chaillot Commentaire historique: Plusieurs architectectes se sont attribués la paternité de cette réalisation, inspirée de l'Antiquité. Mandar pour l'idée, Cellerier pour l'organisation, ainsi que J. B. Blondel et Bernard Poyet, l'architecte du roi et de la Ville (projet publié), mais aussi l'architecte de l'Assemblée Nationale nouvellement nommé, Pâris, auteur de la salle des Etats Généraux. (Hould "l'Image de la Révolution Française" 1989, p.370). Cf. d'autres plans référencés par De Vinck nº3733 et 3734 |
Mode d'acquisition: | Mode d'acquisition inconnu |
Institution: | Musée Carnavalet, Histoire de Paris |
Numéro d’inventaire: | G.28143 |
IIIF Manifest: | https://apicollections.parismusees.paris.fr/iiif/320036352/manifest |
Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes 1813, von Gustav Graef. Graustufen-Reprophoto des Originalgemäldes
held in the Champ de Mars, in July 14, 1790. Woodcut by Helman, from a picture by C. Monet, Painter of the King.