Auch das Teilgebiet der Mathematik, das vom Rechnen mit Mengen handelt, wird als Mengenalgebra bezeichnet. Ähnlich doppeldeutig ist auch der Begriff Algebra, der für ein Teilgebiet der Mathematik und auch für eine spezielle algebraische Struktur benutzt wird. Der hier verwendete Begriff der Mengenalgebra steht aber in einem engen Zusammenhang mit dem der booleschen Algebra, also einer anderen speziellen algebraischen Struktur.
Ist umgekehrt ein Mengensystem, so dass eine boolesche Algebra ist, dann ist offensichtlich auch eine Mengenalgebra.
Aus der Vereinigungs- sowie Durchschnittsstabilität folgt jeweils induktiv, dass auch jede endliche Vereinigung und jeder endliche Durchschnitt von Elementen der Mengenalgebra in ihr enthalten ist, d. h. für alle gilt:
und
und
Äquivalente Definitionen
Wenn ein System von Teilmengen von ist und wenn Mengen sind, dann sind wegen und folgende zwei Aussagen äquivalent:
und falls auch
Bezeichnet darüber hinaus die symmetrische Differenz von und so sind wegen und sowie äquivalent:
Schnitte von zwei Algebren und , also das Mengensystem
sind stets wieder eine Algebra. Denn ist exemplarisch , so ist
in , da auch in ist.
in , da auch in ist.
Somit ist auch in , der Schnitt der Mengensysteme ist also komplementstabil. Die Stabilität bezüglich der anderen Mengenoperationen folgt analog.
Die Aussage gilt ebenso für den Schnitt einer beliebigen Anzahl von Algebren, da sich die obige Argumentation dann auf alle dieser Algebren ausweiten lässt. Somit gilt: ist eine beliebige Indexmenge und sind Algebren, die alle auf derselben Grundmenge definiert sind, so ist der Schnitt aller dieser Algebren wieder eine Algebra :
.
Vereinigungen von Algebren
Die Vereinigung zweier Algebren und , also das Mengensystem
ist im Allgemeinen keine Algebra mehr. Betrachtet man beispielsweise die beiden Algebren
sowie
,
auf , so ist
.
Dieses Mengensystem ist aber nicht vereinigungsstabil, da es nicht enthält, und somit auch keine Algebra.
Produkte von Algebren
Sind und Mengensysteme auf und und wird das Produkt von und definiert als
,
so ist das Produkt von zwei Algebren im Allgemeinen keine Algebra (auf ) mehr, sondern lediglich ein Halbring. Denn betrachtet man die Algebra
,
über , so enthält das Mengensystem sowohl die Mengen
als auch .
Die Menge
ist jedoch nicht in enthalten, da sie sich nicht als kartesisches Produkt zweier Mengen aus darstellen lässt. Somit ist das Produkt der Mengensysteme nicht komplementstabil, kann folglich auch keine Algebra sein.
Definiert man das Produkt von zwei Mengensystemen jedoch als
,
so ist das Produkt zweier Algebren wieder eine Algebra. Sie wird unter anderem auch dazu verwendet, die Produkt-σ-Algebra zu definieren.
Zu beachten ist, dass hier nicht das kartesische Produkt, sondern ein Mengensystem kartesischer Produkte bezeichnet. In der Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie bezeichnet auch, abweichend von der hier gewählten Notation, die vom Mengensystem erzeugte -Algebra.[1][2][3] Dies ist die Produkt-σ-Algebra von und , die meistens mit bezeichnet wird.[4]
ist immer eine Algebra, unabhängig von der Wahl von .
Die erzeugte Algebra
Da beliebige Schnitte von Algebren wieder Algebren sind lässt sich der Hüllenoperator
definieren. Sie ist per Definition die (bezüglich Mengeninklusion) kleinste Algebra, die das Mengensystem enthält und wird die von erzeugte Algebra genannt.[5]
Beziehung zu verwandten Strukturen
Die Mengenalgebren sind genau die Mengenringe, die die Grundmenge enthalten. Fasst man Mengenringe als Ring im Sinne der Algebra mit der symmetrischen Differenz als Addition und dem Durchschnitt als Multiplikation auf, so sind die Mengenalgebren gerade die unitären Ringe (d. h. mit Eins-Element) dieser Gestalt.
Da Mengenalgebren Ringe sind, sind sie automatisch auch Mengenverbände und Halbringe
Wenn eine Mengenalgebra sogar bezüglich der Vereinigung abzählbar unendlich vieler ihrer Elemente abgeschlossen ist, dann erhält man eine σ-(Mengen-)Algebra.
Die von einer Algebra erzeugte monotone Klasse entspricht der von der Algebra erzeugten -Algebra
Jede Algebra ist eine Semialgebra sowohl im engeren als auch im weiteren Sinn.
Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Eine Einführung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-45386-1, doi:10.1007/978-3-642-45387-8.
Heinz Bauer: Maß- und Integrationstheorie. 2., überarb. Auflage. De Gruyter, Berlin/New York 1992, ISBN 3-11-013626-0.
Einzelnachweise
↑Patrick Billingsley: Probability and Measure. 3. Auflage. Wiley, New York 1995, ISBN 0-471-00710-2, S.231.
↑Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S.25, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.
↑P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Produktmaß. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, S.210.
↑Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, S.39, doi:10.1007/978-3-642-21026-6.
↑ Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. 2014, S. 19.