Alfred von Tilly

Alfred Gotthold von Tilly (* 15. August 1866 in Droskau, Kreis Sorau; † nach 1939[1]) war ein deutscher Verwaltungsjurist und Landrat.

Leben

Tillys Vater Friedrich war Pfarrer[2] in seinem Geburtsort Droskau und seit seinem eigenen Studium der Theologie Mitglied[3] des überkonfessionellen Wingolfbundes. Über die Mutter ist wenig bekannt.[4] Alfred von Tilly studierte nach dem Abitur, sein erster Studienwunsch war zunächst Militärwissenschaften,[5] am Nicolaigymnasium in Leipzig Rechtswissenschaft.[6] 1890 bestand er das Referendarexamen, war Hilfsarbeiter des Reichskommissariat für die Weltausstellung in Chicago. 1895 war seine Prüfung als Gerichtsassessor.[7] 1902 wurde Tilly zum Landrat im Kreis Posen-West ernannt.[8] Der Landrat galt als die konservative Seele der Region.[9] Auf seine Anregung soll auch die Gründung der Rentengutskolonie Zabikowo im Kreis Posen-West zurückgehen.[10] Es folgten die Bestallungen in 1911 als Vize-Präsident in der Regierung Königsberg i.Pr., 1913 als Vize-Präsident der Regierung in Stade,[11] hier zuständig für die Abteilung Kirchen- und Schulwesen. Mit seiner Ernennung zum Beamten endete auch seine kurze Karriere als Abgeordneter des Wahlkreises Posen, bestehend aus den Landkreisen Posen-Ost und Posen-West,[12] im Preußischen Abgeordnetenhaus. 1916 wurde Tilly Vorsitzender der Reichsstelle für Gemüse und Obst, dort als Abteilungsleiter[13] und Geheimer Oberregierungsrat. Von 1918 bis 1920 war Tilly Ministerialdirigent im Reichswirtschaftsministerium.[11] 1920 trat der Oberregierungsrat in den Ruhestand.

Von 1900 bis etwa 1906 war er Besitzer des Schlosses Kossenblatt im Landkreis Beeskow-Storkow. Das Rittergut Kossenblatt nebst Brennerei und Ziegelei hatte eine Fläche von 749 ha Fläche und wurde an den Landwirt Paul Wehner verpachtet.[14] 1906 gründete er mit Mauermeister Johannes Becker die Ton-Gesellschaft von Tilly & Becker.[15] Von 1910 bis Mitte der 1930er Jahre betrieb er dann das kleine Gut Friedrichshof bei Neuwustrow im Landkreis Königsberg/Neumark. Dieser Besitz gehörte zuvor der Familie Gain. Tilly kaufte noch kleinere Landflächen dazu,[16] insgesamt waren es 156 ha.[17]

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde Tilly Ehrenritter und 1907 Rechtsritter des Johanniterordens, zeitweise Schatzmeister der Posener Provinzialgenossenschaft der Kongregation.[18] Tilly war auch zeitweilig als Autor tätig.[19] Längere Zeit führte er eine Korrespondenz mit dem Generalmajor Ernst von Wrisberg. Alfred von Tilly war Mitglied der Deutschen Adelsgenossenschaft, Landesabeilung Berlin. Weiterhin war Tilly Bundespräsident des Deutschen Ostbundes,[20][21] um 1926 etwa 50.000 Mitglieder,[22] und saß im Aufsichtsrat mehrerer kleinerer Aktiengesellschaften.[23]

Wann Tilly genau starb und ob er unverheiratet und kinderlos war, ist offen. Zuletzt lebte er in Berlin, Bamberger Straße, Kanzlei in der Dörnbergstraße, und war als Rechtsanwalt tätig.[24] Tilly war ein Urenkel des Stadt- und Polizeipräsidenten zu Warschau, Georg von Tilly.[25]

Literatur

  • Verhandlungen des Reichstags. XIII. Legislaturperiode. I. Session, Stenographische Berichte, Band 290, Norddeutsche Buchdruckerei und Verlags-Anstalt, Berlin 1913, S. 10090 ff.
  • August Plate: Handbuch über das Preußische Abgeordnetenhaus 1908. Preußische Verlagsanstalt, Berlin 1909, S. 281, 436, 477.
  • Dieter Fricke: 1830–1945. Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch, Band 1, Bibliographisches Institut, Leipzig 1968, S. 499–501.
  • Kettler: Kürschner`s Staats,- Hof,- und Kommunal-Handbuch des Reichs und der Einzelstaaten. 1904. Neunzehnte Ausgabe, Hoffmannsche Buchdruckerei Stuttgart, Verlag Eduard Koch, München 1904, S. 326.
  • Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat. jeweils bei R. v. Decker`s Verlag (G. Schenck), (Druck Redaktion im Vorjahr), Berlin. 1906, 1908., ff. 1911.
  • Gesamt-Liste der Mitglieder der Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem nach dem Stande vom 10. März 1931. Eigenverlag, Berlin 1931, S. 76.
  • Reiner Fenske: Kolonialismus in der Weimarer Republik. Der „Deutsche Ostbund“ und die „Deutsche Kolonialgesellschaft“ in den 1920er Jahren, in: Studien zur Geschichte der Weimarer Republik; 8, LIT, Münster 2022. S. 102. ISBN 978-3-643-14596-3.
  • Anschriftenbuch der Deutschen Adelsgenossenschaft 1940. Schlieffen-Verlag, Berlin 1940, S. 101.
  • Jahrbuch der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. Band 24, Hrsg. Vorstand, Druck Gebr. Unger, Selbstverlag, Berlin 1909, S. 796.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Berliner Adreßbuch 1937. Verlag August Scherl Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft mbH, Erster Band, Berlin 1937, S. 2827.
  2. Denkschrift evangelisch-protestantischer Geistlicher im Großherzogtum Baden, enthaltend die Actenstücke und zustimmenden Erklärungen zum Protest gegen die Stellung des Kirchenraths Dr. Schenkel als Director des evang. Prediger-Seminars in Heidelberg. Chr. Belser`schen Verlagshandlung, Stuttgart 1866, S. 130.
  3. Anonymus: Mitglieder des Wingolf in Halle seit seiner Stiftung am 5. Juli 1844 bis Ostern 1866. Wilhelm Ploetz, Halle 1866, S. 13.
  4. Berliner Gerichts-Zeitung № 135, 15. Jahrgang, Sonnabend, den 16. November 1867, S. 6.
  5. Karl Mayhoff: Jahresbericht des Nicolaigymnasiums in Leipzig als Einladungsschrift zu den öffentlichen Klassenprüfungen am 30. und 31. März 1887, Druck Otto Dürr, Leipzig 1887, S. XVI.
  6. Jens Blecher: Die Matrikel der Universität Leipzig, Teilband 5: Die Jahre 1884 bis 1892, Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2010, S. 159.
  7. Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege, Hrsg. Büreau des Justiz-Ministeriums zum Besten der Justiz-Offizianten-Wittwen-Kasse, 57. Jahrgang, R. v. Decker (G. Schenck), Berlin 1895, S. 33.
  8. Landkreis Posen, in: Rolf Jehke: Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten 1874–1945, (Verwaltungsgeschichte und Landräte ), territorial.de, Herdecke. Zuletzt geändert am 16. Mai 2009.
  9. Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 1910. Jahrgang 20, Hrsg. Verein zur Abwehr des Antisemitismus, Paß & Garleh GmbH, Berlin 1910, S. 194.
  10. Jahrbuch der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Band 24, Hrsg. Vorstand, Druck Gebr. Unger, Selbstverlag, Berlin 1909, S. 796.
  11. a b Akte Tilly, Alfred Gotthold von. Geheimer Oberregierungsrat bei der Regierung Stade, 1896–1920; Geheimes Staatsarchiv. Preußischer Kulturbesitz Berlin (I. HA Rep. 77 Ministerium des Inneren, Personalakten Nr. 2782).
  12. Sammlung von Drucksachen des Preußischen Haus der Abgeordneten, Berlin 1913, S. 10090. S. 10094.
  13. Bundesarchiv, BArch R 8839/54. Oberregierungsrat Tilly, Vorsitzender der Verwaltungsabteilung der Reichsstelle für Gemüse und Obst, Mitglied des Kriegsernährungsamtes, in: Deutsche Digitale Bibliothek.
  14. Güter-Adressbuch der Provinz Brandenburg. Nach amtlichen Quellen und auf Grund direkter Angaben bearbeitet, in: Niekammer`s Güter-Adressbücher, Band VII, 1. Auflage, Hrsg. Paul Niekammer, Selbstverlag, Stettin 1907, S. 14 f.
  15. E. Cramer, M. Macht, H. Mäckler: Tonindustrie-Zeitung 1906. Fachblatt der Zement-, Beton-, Gips-, Kalk- und Kunststeinindustrie, 30. Jahrg., Berlin 1906, S. 1375.
  16. René Schiller: Vom Rittergut zum Großgrundbesitz. Ökonomische und soziale Transformationsprozesse der ländlichen Eliten in Brandenburg im 19. Jahrhundert. In: Elitenwandel in der Moderne/Elites and Modernity. Band 3, 3. Auflage, de Gruyter, Berlin 2014, S. 192. Anmerkung 93. ISBN 978-3-05-007745-1.
  17. Ernst Seyfert, Hans Wehner, Alexander Haußknecht, GF Hogrefe: Landwirtschaftliches Adreßbuch der Rittergüter, Güter und Höfe der Provinz Brandenburg. 1929. Verzeichnis sämtlicher Rittergüter, Güter und Höfe von ca. 20 ha aufwärts. Nach amtlichen Quellen und auf Grund direkter Angaben bearbeitet. in: Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Band VII, 4. Auflage, (Letzte Ausgabe-Paul Niekammer-Reihe), Verlag Niekammer’s Adreßbüchern GmbH, Leipzig 1929, S. 222.
  18. Dietrich von Oertzen: Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balley, Jahrg. 47., Nr. 10, Druck Julius Sittenfeld, Carl Heymanns Verlag, Berlin, den 7. März 1906, S. 58.
  19. Ostland. Wochenschrift. Jg. 7, Nr. 33., Hrsg. DNB.
  20. Der Auslandsdeutsche. Halbmonatsschrift für Auslanddeutschtum und Auslandkunde. Mitteilungen, Jahrgang 5, Hrsg. Theodor Wanner, Selbstverlag des (DAI) Deutsches Ausland-Institut, Stuttgart 1922, S. 684., S. 694.
  21. Politischer Almanach. Jahrbuch des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft und der Organisation, Hrsg. Maximilian Müller-Jabusch, K. F. Koehler, Leipzig 1925, S. 261.
  22. Dieter Hertz-Eichenrode: Politik und Landwirtschaft in Ostpreussen 1919–1930. Untersuchung eines Strukturproblems in der Weimarer Republik, in: Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft; Band 23, Westdeutscher Verlag, Opladen/Köln 1969, S. 184.
  23. Adreßbuch der Direktoren und Aufsichtsräte 1930, Finanz-Verlag, Berlin 1930, S. 190., S. 571., S. 1734.
  24. Berliner Adreßbuch 1934, Verlag August Scherl Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft mbH, I. (Erster Band), Berlin 1934, S. 2592.
  25. Mitteilungen des Westpreußischen Geschichtsvereins, Jahrg. 13, Nr. 3, Hrsg. Prof. Dr. O. Günther (Danzig), Druck A. W. Kasemann GmbH, Danzig 1. Juli 1914, S. 64.