Alexandre Stavisky

Alexandre Stavisky, Juli 1926

Serge Alexandre Stavisky (* 20. November 1886 in Slobodka, Gouvernement Kiew, Ukraine; † 8. Januar 1934 in Chamonix) war ein französisch-ukrainischer Hochstapler, Finanzjongleur und Millionenbetrüger, dessen Affäre 1933/34 die Dritte Französische Republik aufs schwerste erschütterte.

Die Vorgeschichte

Stavisky, genannt der „schöne Sascha“, wurde in der Ukraine als Sohn jüdischer Eltern geboren. Seine Eltern wanderten mit ihm über Ungarn 1899 nach Frankreich ein, wo sein Vater dann Zahnarzt wurde.

Seine ersten Betrügereien beging er als Jugendlicher, als er sich mit gefälschten Geschäftskarten Theaterbillets erschwindelte. 1909 betrog er gemeinsam mit seinem Großvater Anleger mit einem Schein-Theaterunternehmen. 1925 gründete er eine Scheinfirma für Suppenherstellung, deren Aktien er veräußerte. Ab Juli 1926 saß er 17 Monate im Gefängnis „La Santé“, nachdem er einen Aktienschwindel organisiert und gefälschte Schatzbriefe ausgegeben hatte. Nachdem er 1927 aus der Untersuchungshaft wieder freigekommen war, schaffte er es, seinen Prozess mit politischer Hilfe immer wieder (insgesamt 19 mal) gegen Kautionsstellung aufschieben zu lassen. Bei seinen weiteren Unternehmen legte er Wert darauf, prominente Geschäftsleute, Adelige, hohe Offiziere und Politiker mit einzubinden.

Er gründete eine Firma namens „Phébor“, die auf dem Papier hölzerne Kühlschränke für die afrikanischen Kolonien herstellte, die aber den kleinen Nachteil hatten, dass sie nicht kühlten. 1928 entwickelte er in Orléans ein neues Betrugsschema: Mit gefälschten Smaragden (angeblich z. T. von der letzten deutschen Kaiserin) als Sicherheit nahm er Kredite bei städtischen Pfandleihen auf.

Als 1930 Rückzahlungsschwierigkeiten entstanden, gründete er mit Partnern in Bayonne eine neue städtische Pfandleihe-Bank (Crédit municipal), über die er am Ende gefälschte Anleihen der Stadt Bayonne im Wert von über zweihundert Millionen Franc platzierte, die z. B. von Lebensversicherungen und gewerkschaftlichen Pensionsfonds gekauft wurden, nachdem Stavisky behauptet hatte, sie seien staatlich garantiert. Dabei verfügte er über die Rückendeckung hoher Politiker wie des Bürgermeisters von Bayonne, Joseph Garat.

Stavisky spielte eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, betrieb Nachtclubs und organisierte Glücksspiele. Falls Reporter ihm auf die Spur kamen, kaufte er einfach die Zeitungen bzw. gab ihnen große Anzeigenaufträge, um dann ihre Berichterstattung in seinem Sinn zu beeinflussen. Schließlich begannen dann doch ernsthafte Untersuchungen seiner Finanzkonstruktionen, die er durch Gründung europaweit tätiger, staatlich geförderter Entwicklungsfonds – damals herrschte eine Depression – noch weiter ausdehnen wollte.

Der Skandal

Als sein Schwindel kurz vor dem Auffliegen stand, floh Stavisky im Dezember 1933. Am 8. Januar 1934 wurde er mit einer tödlichen Schusswunde in einer Villa in Chamonix gefunden. Er lag im Sterben, als die Polizei hineinstürmte. Offiziell wurde Selbsttötung als Todesursache festgestellt, doch Gerüchte über die Beteiligung der Polizei hielten an. Ein am Prozess gegen Stavisky beteiligter Richter, Justizrat Albert Prince, wurde enthauptet gefunden, nachdem er angeblich mit der Veröffentlichung von Dokumenten gedroht hatte. Da Stavisky Jude war, kamen im Zusammenhang mit der Affäre auch antisemitische Tendenzen hoch, die an den Dreyfus-Skandal erinnerten. 1935 wurden mehrere Komplizen angeklagt, u. a. seine Witwe und ein General. Obwohl die Anklage einen hohen Aufwand betrieb (die Anklageschrift umfasste 1200 Seiten), endete der Prozess 1936 mit Freisprüchen für alle Angeklagten. Das Verbleiben von Staviskys Vermögen konnte nie geklärt werden. Einen Teil hatte er beim Baccarat-Spiel verloren.

Politische Folgen

Der Skandal erschütterte die Dritte Republik und die regierende Radikalsozialistische Partei, deren Korrumpierbarkeit er offenbar machte. Die »Action française« warf dem Ministerpräsidenten Camille Chautemps vor, aus Angst vor der Aufdeckung von Korruption Staviskys Ermordung veranlasst zu haben. Nach heftigen Presseattacken und Demonstrationen trat Chautemps am 27. Januar 1934 zurück. Sein Nachfolger Édouard Daladier (ebenfalls von den Radikalsozialisten) löste Jean Chiappe, den rechtsgerichteten Polizeipräfekten von Paris, ab, dem von linken Gruppen eine Verwicklung in die vorgebliche Ermordung Staviskys vorgeworfen wurde. Am 6. Februar 1934 kam es in Paris zu blutigen Straßenunruhen, die von rechten Gruppen (Ligue d'Action française, ehemalige Frontkämpfer, rechte Stadträte) organisiert wurden, fast putschartige Ausmaße annahmen und 14 Tote und über 2000 Verletzte zur Folge hatten. Nachdem am 7. Februar Daladiers Kabinett in der Presse als »Regierung der Mörder« angegriffen wurde, erneute Demonstrationen begannen und Teile von Verwaltung und Justiz sich der Umsetzung der angeordneten Repressionsmaßnahmen widersetzten, trat Daladier zurück. Sein Nachfolger wurde der Konservative Gaston Doumergue, der ein Kabinett der »Nationalen Union« unter Beteiligung der Radikalsozialisten bildete. Die anhaltenden Demonstrationen waren nicht mehr so stark wie zuvor, wurden auf Anordnung der neuen Regierung wieder massiv unterdrückt und führten am Abend des 7. Februars zu zwei weiteren Toten und mehreren hundert zusätzlichen Verletzten. In den folgenden Tagen kam es zu keinen weiteren Demonstrationen.[1]

Literarisches und filmisches Nachwirken

Georges Simenon versuchte 1934, in Reportagen Licht in die Affäre zu bringen, war aber nach seiner eigenen Einschätzung nicht sehr erfolgreich.

  • Im Film Forces occultes von 1943, den die deutsche Propagandaabteilung 1942 in Auftrag gab, wird er als Freimaurer und Gauner dargestellt.
  • 1974 wurde die Affäre von Alain Resnais mit Jean-Paul Belmondo in der Rolle des Stavisky und mit Charles Boyer und Anny Duperey unter dem Titel Stavisky verfilmt.
  • 2016 drehte Claude-Michel Rome den französischen Fernsehfilm Stavisky, l’escroc du siècle mit Tomer Sisley in der Titelrolle.

Literatur

  • Frank Arnau: Talente auf Abwegen, Ullstein Verlag, 1964
  • Georges Simenon: Zahltag in einer Bank, Diogenes Verlag, Zürich 1984, ISBN 3-257-21224-0 (Reportagen, Stavisky ou La Machine à Suicider), Erstausgabe 1934
  • Paul Jankowski: Stavisky - A Confidence Man in the Republic of Virtue, Cornell University Press, 2002, ISBN 0-8014-3959-0
  • Ilja Ehrenburg: Menschen – Jahre – Leben (Memoiren), München 1962, Sonderausgabe München 1965, Band II 1923–1941, ISBN 3-463-00512-3, Seite 315–318[2]

Weblinks

Commons: Alexandre Stavisky – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Wilfried Loth: Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert (S. 84–86) S.Fischer, Frankfurt/M. 1992. ISBN 3-596-10860-8
  2. Ehrenburg, damals als Korrespondent in Paris, behauptet, Stavisky sei von einem Polizeiagenten namens Voie erschossen worden. Er schildert auch die ausgelösten Unruhen.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Alexandre Stavisky 1926.jpg
French financier and embezzler Alexandre Stavisky (1886-1934)