Alexander Schallenberg

Alexander Schallenberg (2023)

Alexander Georg Nicolas Schallenberg (* 20. Juni 1969 in Bern, Schweiz) ist ein österreichischer Jurist, Diplomat und Politiker (ÖVP). Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz war er kurzfristig vom 11. Oktober bis 6. Dezember 2021 Bundeskanzler und stand der Bundesregierung Schallenberg vor. Davor amtierte er vom 3. Juni 2019 bis 11. Oktober 2021 als österreichischer Außenminister. Seit dem Ende seiner Kanzlerschaft amtiert Schallenberg seit Dezember 2021 wieder als Außenminister.

Familie und Studium

Alexander Schallenberg entstammt der einst adeligen Familie Schallenberg und ist Sohn des ehemaligen Botschafters und Generalsekretärs des Außenministeriums Wolfgang Schallenberg. Seine Mutter war Schweizerin, sein Großvater war der Schweizer Bankmanager Alfred Schaefer,[1] langjähriger Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Bankgesellschaft.[2][3] Laut eigenen Angaben sind seine Vornamen Alexander Georg Nicolas.[4] Nach dem Genealogischen Handbuch des Adels heißt er mit vollem Namen Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang Tassilo.[5]

Alexander Schallenberg wuchs in Indien, Spanien und Paris – den Botschafterstationen seines Vaters – auf[6][7] und studierte zwischen 1989 und 1994 Rechtswissenschaften an der Universität Wien und der Université Paris II Panthéon-Assas. Danach absolvierte er bis 1995 ein postgraduales LL.M-Studium am Collège d’Europe in Brügge.

Diplomatische und politische Karriere

Alexander Schallenberg (links) bei der Angelobung zum Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen (2019)
Schallenberg und der saudische Investitionsminister Chalid al-Falih in Riad (2021)

Nach erfolgreicher Absolvierung der Aufnahmeprüfung (A-Préalable) trat Schallenberg 1997 ins Außenministerium ein. Von 2000 bis 2005 leitete er die Rechtsabteilung der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union in Brüssel.[7] 2006 wurde er Pressesprecher der damaligen Außenministerin Ursula Plassnik und setzte diese Tätigkeit auch unter ihrem Nachfolger Michael Spindelegger fort. Unter Außenminister Sebastian Kurz wurde Schallenberg 2013 zum Leiter der Stabstelle für strategische außenpolitische Planung ernannt. 2016 übernahm er die Leitung der Europa-Sektion des Außenministeriums.[8]

Im Zuge der Regierungsbildung der Bundesregierung Kurz I nach der Nationalratswahl 2017 verhandelte er auf Seite der ÖVP in der Untergruppe für Europa und Außenpolitik. Als sein Gegenpart verhandelte für die FPÖ die spätere Außenministerin Karin Kneissl.[9]

Nach der Übertragung der EU-Agenden vom Außenministerium ins Bundeskanzleramt wurde Schallenberg am 1. März 2018 mit der Leitung der EU-Koordinationssektion des Bundeskanzleramtes betraut und nahm in dieser Funktion eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung und Durchführung des österreichischen EU-Ratsvorsitzes 2018 ein.[8]

Unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wurde Schallenberg am 3. Juni 2019 zum Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres bestellt. Am 6. Juni wurde er zusätzlich zum Kanzleramtsminister ernannt und mit der Leitung der Agenden für EU, Kunst, Kultur und Medien bis zum Ende der Bundesregierung Bierlein betraut. Als einziges Mitglied der Übergangsregierung blieb er auch nach Bildung der Bundesregierung Kurz II im Amt und wurde am 7. Jänner 2020 erneut als Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres angelobt. Ab dem 29. Jänner 2020 war er Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten in der Bundesregierung Kurz II. Das gleiche Amt übte er dann ab 6. Dezember 2021 in der Regierung von Karl Nehammer aus.

Bundeskanzler

Schallenberg mit seinem Amtsvorgänger als Bundeskanzler und Intimus Sebastian Kurz in New York (2021)

Ab dem 11. Oktober 2021 war Schallenberg Bundeskanzler von Österreich. Er wurde von Sebastian Kurz zu seinem Nachfolger bestimmt, als Kurz wegen der ÖVP-Korruptionsaffäre vom Amt zurücktrat. Er stand der Bundesregierung Schallenberg vor, in der das Amt des Außenministers von Michael Linhart bekleidet wurde.[10]

Nach dem Rückzug von Sebastian Kurz aus der Politik und dessen Rücktritt als Obmann der Österreichischen Volkspartei am 2. Dezember 2021 stellte auch Alexander Schallenberg sein Amt als Bundeskanzler zur Verfügung: „Es ist nicht meine Absicht und war nie mein Ziel, die Funktion des Bundesparteiobmanns der Neuen Volkspartei zu übernehmen. Ich bin der festen Ansicht, dass beide Ämter – Regierungschef und Bundesparteiobmann der stimmenstärksten Partei Österreichs – rasch wieder in einer Hand vereint sein sollten“, erklärte Schallenberg seine Rücktrittsankündigung in einer schriftlichen Stellungnahme.[11] Schallenberg wurde am 6. Dezember 2021 als Bundeskanzler vom neuen ÖVP-Chef Karl Nehammer abgelöst und bekleidet in der Bundesregierung Nehammer erneut das Amt des Außenministers.

Kritik

Im Februar 2022 erntete Schallenbergs Aussage im Ukrainekonflikt Kritik, in der er ausdrückte, Österreich habe 1938 erlebt, wie es wäre, allein gelassen zu werden. Damit die Opferthese bemüht zu haben, wies Schallenberg als Missverständnis zurück.[12][13]

Aussagen von Schallenberg im Jänner 2023, in denen er zu einer gemäßigten Haltung gegenüber der Aggression Russlands aufrief, stießen in der Ukraine auf wenig Verständnis. Das ukrainische Außenministerium lud ihn nach Dnipro ein, um seine Argumente den Familien der 44 Opfer des russischen Raketenangriffs auf ein Wohngebäude vorzutragen, während gleichzeitig Kritik an Aufrufen zur Aufrechterhaltung des Dialogs mit Russland geäußert wurde, da dies als Unterstützung für weitere Aggressionen wahrgenommen werde.[14]

Im April 2023 stand das Außenministerium und Schallenberg unter Kritik, einen Iraner und dessen österreichischen Ehemann vor dem Iran exponiert zu haben. Die Volksanwältin Gaby Schwarz hat schwere Verfehlungen geortet. Schallenberg hat sich dazu nicht geäußert.[15]

Im Herbst 2023 sagte Schallenberg, Abschiebungen seien die Achillesferse des gesamten Asyl- und Migrationssystems.[16]

Privatleben

Schallenberg heiratete 1995 die Französin und Belgierin Marie-Isabelle Hénin (geb. 1969 in Uccle).[17] Sie ist eine Enkelin des bekannten französischen Architekten Noël Le Maresquier, und ihre Mutter war die Nichte des französischen Premierministers Michel Debré. Ihre Familie wurde von Pierre Bourdieu als Beispiel für den französischen „Staatsadel“ erwähnt.[18]

Schallenberg ist geschieden und Vater von vier Kindern.[19][6]

Auszeichnungen

Publikationen

  • mit Christoph Thun-Hohenstein: Die EU-Präsidentschaft Österreichs: eine umfassende Analyse und Dokumentation des zweiten Halbjahres 1998. Manz, Wien 1999, ISBN 978-3-214-01939-6.

Literatur

Weblinks

Commons: Alexander Schallenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Patrick Zehnder: Alfred Schaefer. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  2. Ivo Mijnssen: Österreichs neuer Kanzler Alexander Schallenberg: Diplomat, Adliger und Kurz-Vertrauter mit Schweizer Wurzeln. In: Neue Zürcher Zeitung, 11. Oktober 2021, abgerufen am 12. Oktober 2021.
  3. Michael Sahli: So eng ist der neue Österreich-Kanzler mit uns verbunden. In: Blick.ch, 11. Oktober 2021, abgerufen am 12. Oktober 2021.
  4. So heißt Alexander Schallenberg wirklich. In: Heute.at, 16. Oktober 2021, abgerufen am 16. Oktober 2021.
  5. Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. XVIII/139. C. A. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 2006, S. 375. ISBN 3-798-00839-6.
  6. a b Aus dem Diplomatensohn wird der Chefdiplomat. In: Die Presse. 1. Januar 2020, abgerufen am 2. Januar 2020 (Porträt).
  7. a b Monika Graf: „Das Spielfeld der Diplomatie ist die zweite Reihe“. Alexander Schallenberg leitet die Sektion Europa im Außenministerium. In: Oberösterreichische Nachrichten. 26. Juni 2017, abgerufen am 30. Mai 2019.
  8. a b Schallenberg leitet EU-Sektion im Kanzleramt. Der erfahrene Kurz-Vertraute wird die Ratspräsidentschaft koordinieren. In: Die Presse. 3. März 2018, abgerufen am 30. Mai 2019.
  9. Wer die Koalition verhandelt. In: Addendum, 9. November 2017 (mit Grafik Wer die Koalition verhandelt (PNG)), abgerufen am 10. November 2017.
  10. Walter Mayr, Christoph Scheuermann: Interview mit dem neuen Bundeskanzler: Warum ist Österreichs Politik so anfällig für Skandale, Herr Schallenberg? In: Der Spiegel. 29. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 29. Oktober 2021]).
  11. Bundeskanzler Schallenberg stellt sein Amt zur Verfügung. Die Presse online vom 2. Dezember 2021, abgerufen am 2. Dezember 2021.
  12. 21 02 2022 Um 11:48: "1938 am eigenen Leib erlebt" - Kritik an... 21. Februar 2022, abgerufen am 22. Februar 2022.
  13. Außenminister Alexander Schallenberg in der "ZiB 2": Die Sprachbilder des Diplomaten. Abgerufen am 22. Februar 2022 (österreichisches Deutsch).
  14. red, ORF.at/Agenturen: Kritik in Ukraine an Schallenberg-Aussagen. In: orf.at. 17. Januar 2023, abgerufen am 15. Juni 2023.
  15. Schwuler Mann wirft Außenamt vor, seine Sexualität an den Iran verraten zu haben. In: derStandard.at. 13. April 2023, abgerufen am 15. Juni 2023.
  16. ORF at/Agenturen red: Schallenberg: Migration kann Regierungen zu Fall bringen. 4. November 2023, abgerufen am 4. November 2023.
  17. Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. XVIII/139. C. A. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 2006, S. 375. ISBN 3-798-00839-6.
  18. Pierre Bourdieu, The State Nobility: Elite Schools in the Field of Power, S. 293, Stanford University Press, 1998
  19. Wer ist Alexander Schallenberg? In: News.at, 6. Juni 2019, abgerufen am 29. November 2019.
  20. Redaktion: Ordensverleihung an den österreichischen Aussenminister. In: lie:zeit online. 6. November 2019, abgerufen am 10. Oktober 2021 (deutsch).
  21. Le onorificenze della Repubblica Italiana. In: Webpräsenz des italienischen Präsidenten. Abgerufen am 10. Oktober 2021 (italienisch).

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Die Europaflagge besteht aus einem Kranz aus zwölf goldenen, fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Hintergrund.

Sie wurde 1955 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und erst 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen.

Die Zahl der Sterne, zwölf, ist traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit. Nur rein zufällig stimmte sie zwischen der Adoption der Flagge durch die EG 1986 bis zur Erweiterung 1995 mit der Zahl der Mitgliedstaaten der EG überein und blieb daher auch danach unverändert.
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Bundeskanzler Kurz und Außenminister Schallenberg in New York, 21.09.2021, New York (US), © Arno Melicharek
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Am 13. September 2023 traf Außenminister Alexander Schallenberg den Vorsitzenden der KDP Masud Barzani in der autonomen Region Kurdistan, Irak. © BMEIA/Gruber
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Am 12.09.2021 traf Außenminister Alexander Schallenberg den saudischen Investitionsminister Khalid bin Abdulaziz Al-Falih in Riad im Zuge seiner Golf-Reise. © BMEIA/Gruber
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Am 3. Juni 2019 wurde Mag. Alexander Schallenberg als Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres angelobt.

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