Ahmed Vefik Pascha
Ahmed Vefik Pascha (* 6. Juli 1823 in Istanbul; † 2. April 1891 ebenda) war ein osmanischer Staatsmann, Übersetzer und Turkologe.
Leben
Pascha war der Sohn von Rouheddin Effendi (Rūḥ al-Dīn Meḥmed Efendi). Sein Vater war ein griechischstämmiger Übersetzer, versierter französischer Gelehrter und Diplomat, der zum Islam übergetretenen war und seine Mutter war eine Jüdin. Sein Großvater Yahya Naci Efendi war ebenfalls Übersetzer, so dass ihm das Studium von Sprachen und Übersetzen quasi in die Wiege gelegt war. Seinen ersten Unterricht erhielt er daher von der Familie, ehe er im Alter von 8 Jahren an die Mühendishane-i Berr-i Hümayun (die kaiserliche Schule für Militärtechnik) geschickt wurde. Im Jahr 1834 begleitete er seinen Vater, der in der Eigenschaft als Sekretär und Dolmetscher eingesetzt wurde, nach Paris, wo er im Collège Ste-Louis erzogen und weiter ausgebildet wurde. Neben Französisch lernte er an dieser Schule Italienisch, Latein und Griechisch. Später erlernte er weitere Sprachen wie Englisch, Persisch, Russische und türkische Dialekte.[1]
Anschließend kehrte er nach Konstantinopel (Istanbul) zurück und wurde auf eine Stelle im Übersetzungsbüro des Außenministeriums berufen. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit der Übersetzung von Molieres Stücken ins Türkische,[2] der Zusammenstellung von Lehr- und Wörterbüchern, sowie historischen und geografischen Handbüchern für den Gebrauch in türkischen Schulen, um die französischen Sprache zu fördern. 1847 brachte er, nach historischen und statistischen Studien, die erste Ausgabe des Salnameh heraus, das offizielle Jahrbuchs des Osmanischen Reiches. Zwei Jahre später wurde er zum Reichskommissar der Pforte in den Donaufürstentümern ernannt. 1851 wurde er als Gesandter nach Persien entsandt, ein Amt, das er vier Jahre ausfüllte. 1855 wurde er abberufen und auf eine Mission zur Inspektion der Ostgrenzen geschickt. Nach seiner Rückkehr wurde er Mitglied des Staatsrats und des hohen Kriegsrats und schließlich des Tanzimats. Er wurde mit der Überarbeitung des Strafgesetzbuches und der Verfahrensordnung betraut. Diese Arbeit beschäftigte ihn bis Anfang 1860. Anschließend wurde er als Botschafter nach Paris gesandt, um die befürchtete Einmischung Frankreichs in die Angelegenheiten Syriens abzuwenden. Aber Ahmed Vefiks abrupte Offenheit, Jähzornigkeit und Ablehnung von Kompromissen machten ihn für die europäische Diplomatie ungeeignet. Da er durch seinen heftigen Protest und die schroffe Wortwahl die französische Regierung beleidigte, schlug seine Mission fehl. Er wurde im Januar 1861 zurückgerufenund kurzzeitig zum Vorstand der Vakuf-Stiftung ernannt.[3]
Er blieb anschließend eine Zeit lang ohne Amt und widmete sich seinen gelehrten Studien; als „Einsiedler von Rumeli Hisari“ erlangte der bedeutende Philosoph eine gewisse Berühmtheit. Nachdem er dann zeitweise das Amt des Generaldirektors für Zollangelegenheiten bekleidet hatte, wurde er Minister für öffentlichen Unterricht im Kabinett von Midhat Pascha. 1875 vertrat er die Türkei auf der Internationalen Telegraphenkonferenz in Sankt Petersburg. Im Jahr 1877 ernannte ihn Sultan Abdülhamid II. zum Präsidenten der ersten türkischen Deputiertenkammer (19. März bis 28. Juni 1877), nachfolgend wurde er Wālī von Adrianopel. Anfang 1878 übernahm er das öffentliche Unterrichtsministerium im Kabinett von Ahmed Hamdi Pascha, vom 5. Februar bis Mitte April 1878 amtierte er als Großwesir. In dieser Position unterzeichnete er den Frieden von San Stefano und wurde danach Walī von Bursa, wo er sich aber durch seine Strenge unbeliebt machte und 1882 abgesetzt wurde.
Am 1. Dezember 1882 wurde er erneut Großwesir, doch wurde die Ernennung schon zwei Tags später zurückgenommen, da der Sultan seine Forderungen, die er an die Übernahme geknüpft hatte, nicht erfüllen wollte. Der Sultan bestrafte ihn und ließ ihn bis an sein Lebensende unter Hausarrest stellen. Er galt als fürsorglich und Freunden gegenüber als gastfreundlich, höflich und zuvorkommend. Er fühlte sich zur europäischen Gesellschaft hingezogen. Er starb 1891 an einem Nierenleiden.[3]
Pascha war Angaben der Großloge der Freien und Angenommenen Maurer der Türkei zufolge Freimaurer.[4]
Schriftliches Wirken
Pascha übersetzte zahlreiche Bücher ins Türkische. In seiner Bibliothek mit 15.000 Bänden hatte er Manuskripte in vielen Sprachen angesammelt. Er hatte zu Lebzeiten maßgeblich zum Fortschritt der Bildung beigetragen, doch verblasste das Wirken seiner Arbeiten schon bald nach seinem Tod. Er verfasste zumeist Bücher zur türkischen Geschichte, Sprache und Kultur, darunter „Fezleke-i Tarih-i Osmani“ („Zusammengefasste osmanische Geschichte“) ein spezielles Lehrbuch der türkischen Geschichte für die Militärschulen, oder „Türki Durub-i Emsal“ („Türkische Redewendungen“). Sein Werk „Lehçe-i Osmani“[5] („Der osmanische Dialekt“) war das erste Beispiel eines modernen türkischen Wörterbuchs.
Literatur
- Achmed Wesik Pascha, türk. Staatsmann. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 1, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 88.
- Ahmed Vefik Pascha. In: Stambul und das moderne Türkenthum: Politische, Sociale und biographische Bilder von einem Osmanen. Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 167–173 (Textarchiv – Internet Archive).
- Ömer Faruk Akün: Ahmed Vefik Paşa. In: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi, Band 2 (1989), S. 143–157 (online, PDF, 12,65 MB) (türkisch).
- Ischtiraki (Friedrich Schrader): Das geistige Leben in der Türkei und das jetzige Regime. In: Die neue Zeit : Revue des geistigen und öffentlichen Lebens. – 18.1899–1900, 2. Bd.(1900), H. 45, S. 548–555 Online Artikel bei der FES Bonn, dort S. 551 ff.
- Jean Deny: Aḥmad Wafīḳ Pas̲h̲a. Encyclopaedia of Islam, Second Edition. Brill Online, 2013 (abgerufen am 9. Juli 2013). Printausgabe zuerst erschienen 1960 (Band I, S. 298).
- Jan Schmidt:Aḥmed Vefīq Pasha. ( vom 26. April 2014 im Internet Archive) In Encyclopaedia of Islam, THREE. Hrsg.: Gudrun Krämer, Denis Matringe, John Nawas, Everett Rowson. Brill Online, 2013. (abgerufen am 9. Juli 2013)
- Dieter F. Kickingereder: Eine Freundschaft fürs Leben: Die Briefe Ahmed Vefik Paşas an Sir Henry A. Layard. In: Yavuz Köse (Hrsg.): Şehrâyîn. Die Welt der Osmanen, die Osmanen in der Welt – Wahrnehmungen, Begegnungen und Abgrenzungen. Festschrift für Hans Georg Majer. unter Mitarbeit von Tobias Völker, Harrassowitz, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-447-06739-3, S. 351–359.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hakan Arslanbenzer: Ahmet Vefik Pasha: Pioneer of Turkish nationalism and Turkology discipline. In: Daily Sabah. 11. Dezember 2020 (englisch, dailysabah.com).
- ↑ Ahmad Vafik Pasha: Mlyer tercümesi. Istanbul 1890 (archive.org – Molière, Texte).
- ↑ a b Edgar Whitaker: Ahmed Vefik. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 1: A–Androphagi. London 1910, S. 432–433 (englisch, Volltext [Wikisource] – Hier ist das Jahr 1819 als Geburtsjahr angegeben).
- ↑ Großloge der Freien und Angenommenen Maurer der Türkei:Angaben zu Edhems Mitgliedschaft in der Großloge ( vom 27. April 2012 im Internet Archive) (türkisch)
- ↑ Ahmad Vafik Pasha: Lehce-i 'Osmani. 2 Bände. Matba’a Amire, Istanbul 1876 (türkisch, archive.org, archive.org).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Ahmed Hamdi Pascha | Großwesir des Osmanischen Reiches 4. Februar 1878–18. April 1878 | Mehmed Sadık Pascha |
Küçük Mehmed Said Pascha | Großwesir des Osmanischen Reiches 1. Dezember 1882 – 3. Dezember 1882 | Küçük Mehmed Said Pascha |
Personendaten | |
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NAME | Ahmed Vefik Pascha |
ALTERNATIVNAMEN | Ahmed Véfyk Pacha; Ahmed Vefik Paşa; Ahmed Vefik Pasha; Ahmed Vefik Effendi; Achmed Wesik Pascha |
KURZBESCHREIBUNG | türkischer Staatsmann |
GEBURTSDATUM | 6. Juli 1823 |
GEBURTSORT | Istanbul |
STERBEDATUM | 2. April 1891 |
STERBEORT | Istanbul |
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, Lizenz: PD-alt-100Zeichnung: Porträit des türkischen Paschas/Politikers Ahmed Vefik Pascha (1823-1891)