Agena

Eine Agena-A-Oberstufe wird auf der Rakete montiert

Die Agena war eine vielfältig eingesetzte US-amerikanische Oberstufe für Raumfahrt-Trägerraketen. Ihre Entwicklung beruhte auf der nach den ersten Satellitenstarts Ende der 1950er Jahre gewonnenen Erkenntnis, dass für erfolgreiche Nutzung eines Satelliten (z. B. zur Aufklärung) genau definierte Umlaufbahnen notwendig sind. Diese ließen sich durch die bisher verwendeten einmalig zündbaren Feststoffraketentriebwerke nicht realisieren.

Entwicklungsgeschichte

Ab 1955 wurde dem Militär klar, dass eine wesentliche Anwendung der Satelliten-Technik in der Aufklärung des fremden Territoriums bestehen würde. Dazu wurde das Programm WS 117L (WS für Weapons System) gegründet. Kern war ein Foto-Aufklärungssatellit, dessen Aufnahmen auf Filmen in Kapseln zurück zur Erde geführt werden sollten (Keyhole-CORONA). Zur Rückkehr hatte man sich vorgestellt, die am Fallschirm hängenden Kapseln von Flugzeugen fangen zu lassen, um möglichst wenig „Feindverlust-Risiko“ zuzulassen. Voraussetzung war ein Satellit, der in der Umlaufbahn manövrieren konnte (also ein wiederzündbares Triebwerk und eine Lageregelung besaß). Im Oktober 1956 bekam die Firma Lockheed den Vertrag, da sie auf (zu dem Zeitpunkt bereits eingestellte) Entwicklungen zu einem steuerbaren Raketengeschoss für Nuklearsprengköpfe des Bombers B-58 Hustler zurückgreifen konnte. Die US Air Force bezeichnete diesen Flugkörper als RM-81 Agena. Die Satelliten wurden als Discoverer bekannt. Als Treibstoff wurde die lagerfähige Kombination Salpetersäure/UDMH ausgewählt. Die Besonderheit der Agena-Oberstufe war, dass sie in den meisten Fällen mit der eigentlichen Nutzlast zusammenblieb. Nur Teile wurden nach längerem gemeinsamen Flug zur Rückkehr oder als Raumsonde abgetrennt.

Der Name Agena wurde 1958 von der Forschungsbehörde Advanced Research Projects Agency (ARPA) vorgeschlagen und bezieht sich auf den Stern Beta Centauri. Es war bei Lockheed Tradition, Flugzeuge und Raketen nach astronomischen Begriffen zu benennen, wie beispielsweise die Constellation (Sternbild) und die Polaris (Polarstern). Der Name Agena wurde im Juni 1959 offiziell.[1]

Agena A

Agena A mit Discoverer-Nutzlast

Die ersten Agenas verwendeten Triebwerke des Typs Bell XLR81-BA-3 (Modell 8001), die meisten jedoch den Typ XLR81-BA-5 (Modell 8048) mit ca. 69 kN (15 500 lb) Schub für eine Brenndauer von 120 s. Das Triebwerk hatte kardanisch aufgehängte Düsen für die Nick- und Gier-Steuerung. Die Thor-Agena A startete die ersten optischen CORONA-Aufklärungssatelliten der Discoverer-Serie (KH-1 für Keyhole, auf Deutsch Schlüsselloch). Die Kombination Atlas-Agena A wurde für das Midas (Missile Detection and Surveillance) Frühwarnsystem vor Raketenstarts und das Samos (Satellite and Missile Observation System) genannte ELINT-System zur elektronischen Überwachung genutzt.

Agena B

Die Agena B stellte durch die Verlängerung der Tanks und die Verwendung von Triebwerken des Typs Bell XLR81-BA-7 (Modell 8081) eine Weiterentwicklung der Agena A dar. Diese Triebwerke waren im Vakuum wiederzündfähig, hatten ca. 71 kN (16000 lb) Schub, und die Gesamtbrennzeit verdoppelte sich auf 240 s. Spätere Varianten verwendeten das Triebwerk Bell XLR81-BA-9 (Modell 8096). Die Thor-Agena B wurde wieder für Satelliten der Keyhole-Serie (KH-2/3/4/5) und teilweise für das Samos-Programm eingesetzt. Die Atlas-Agena B für Midas und Samos. Auch die Ranger-Mond- und Raumsonden wurden mit ihr gestartet.

Agena C

Vorgesehene Weiterentwicklung mit nochmals verdoppelter Tankkapazität – nicht realisiert.

Agena D

Agena D als GATV-Zielsatellit Gemini 10
Agena D mit integriertem KH-4B-Spionagesatellit

Während die Agena A und B für jede Mission speziell angepasst wurden, wurde mit der Agena D auf der Basis der Agena B eine erste standardisierte Plattform für Nutzlasten sowohl für Thor-, Atlas- und auch Titan-Raketen geschaffen. Die Nutzlast fand Aufnahme im Nasenkonus, oder blieb, wie im Falle der Keyhole-Satelliten, fest mit der Agena verbunden. Außerdem konnten am Heck der Stufe kleine Sekundärnutzlasten befestigt werden. Zu den Nutzlasten gehörten u. a. die Mariner-Planetensonden, aber auch die Gemini Agena Target Vehicles, Zielsatelliten für Koppelungsexperimente im Rahmen des Gemini-Programms. Die Mehrzahl der Nutzlasten war jedoch militärisch. Mit den Thor-Varianten wurden die Satelliten der optischen CORONA-Aufklärungssatelliten (KH-4/4A/4B), ARGON (KH-5) und LANYARD (KH-6) gestartet. Die Atlas (LV-3A/SLV-3) startete die optischen GAMBIT (KH-7), die Atlas SLV-3A die CANYON/RHYOLITE/AQUACADE-Satelliten zur elektronischen Aufklärung (ELINT/SIGINT) in geostationäre Umlaufbahnen. Mit den Titan 3B/23B/24B wurde das optische Aufklärungsprogramm GAMBIT (KH-8) fortgesetzt. Die größeren Titan 33B/34B wurden wieder für die SIGINT-JUMPSEAT-Satelliten benutzt.

Technische Daten

Oberstufen

TypAgena AAgena BAgena D
Länge5,94 m7,56 m7,09 m
Durchmesser1,52 m
Masse3850 kg7167 kg6821 kg
Leermasse885 kg867 kg673 kg
Treibstoffgewicht2945 kg6115 kg
AntriebBell 8001/8048 (XLR81-BA-3/5)
68,9 kN für 120 s
Bell 8081 (XLR81-BA-7)
71,1 kN für 240 s
Bell 8096 (XLR81-BA-9)
71,1 kN für 240 s

Triebwerke

TriebwerkBell 8048 (Agena A)Bell 8081 (Agena B)Bell 8096 (Agena D)Bell 8247 (GATV)
Schub68,9 kN71,2 kN
Gewicht127 kg130 kg140 kg132 kg
Länge2,16 m2,11 m
Max. Durchmesser1,52 m
Spez. Impuls (Vakuum)2707 m/s2834 m/s2874 m/s2855 m/s
Brennkammerdruck10 bar17,5 bar35 bar34 bar
Expansionsverhältnis10:145:1
Brenndauer120 s240 s
Wiederzündungen2, später 3>15
ZündungpyrotechnischStarttanks

Startliste der Agena-Stufe

Raketentyp[2]Zahl der StartsErststartLetzter Einsatz
Thor(SLV-2)+Agena A1621.01.195913.09.1960
Atlas(LV-3A)+Agena A426.02.196031.01.1961
Gesamt Agena A20
Thor(SLV-2)+Agena B4426.10.196028.08.1964
Thrust-Augmented Thor
(SLV-2A/C)+Agena B
329.06.196315.05.1966
Atlas(LV-3A)+Agena B2812.07.196121.03.1965
Atlas(SLV-3)+Agena B109.06.1966
Gesamt Agena B76
Thor(SLV-2)+Agena D2228.06.196231.05.1967
Thrust-Augmented Thor
(SLV-2A/C)+Agena D
6028.02.196317.01.1968
Long-Tank Thrust-Augmented Thor
(SLV-2G/H)+Agena D
2209.08.196616.07.1971
Thorad (SLV-2G/H)+Agena D2118.05.196825.05.1972
Atlas (LV-3A)+Agena D1512.07.196320.07.1965
Atlas (SLV-3)+Agena D4814.08.196405.11.1967
Atlas (SLV-3A)+Agena D1204.03.196807.04.1978
Atlas F+Agena D127.07.1978
Titan IIIB (SLV-5B)2929.07.196623.10.1970
Titan 23B221.01.197122.04.1971
Titan 33B321.03.197121.08.1973
Titan 24B2312.08.197121.08.1973
Titan 34B1110.03.197512.02.1987
Gesamt Agena D269

Quellen

Einzelnachweise

  1. Helen T. Wells, Susan H. Whiteley, Carrie E. Karegeannes: Origin of NASA Names. The NASA History Series SP-4402. NASA, Washington, D.C 1976, S. 6–7 (englisch, nasa.gov [PDF; 14,2 MB]).
  2. Bernd Leitenberger: US-Trägerraketen. 2. Auflage. BoD - Books on Demand, Norderstedt 2013, ISBN 978-3-7392-3547-9, S. 35, 36, 38.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Agena A upper stage.jpg
Agena A upper stage with Bell Model 8048 rocket positioned on top of an Atlas rocket at Cape Canaveral, ahead of the May 1960 launch of MIDAS-2
Profile of Agena Docking Target - GPN-2000-001345.jpg
Diese Agena Oberstufe dient als Zielsattelit für Kopplungstests mit dem Raumschiff Gemini 10.