Affine Gruppe

Die affine Gruppe oder allgemeine affine Gruppe ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der Gruppentheorie. Es handelt sich um die Gruppe aller invertierbaren, affinen Abbildungen eines affinen Raums über einem Körper in sich selbst.

Definition

Eine bijektive, affine Abbildung auf einem Vektorraum hat die Form

,

wobei ein Vektorraumisomorphismus, das heißt ein Element der allgemeinen linearen Gruppe, ist und ein fester Vektor. Das heißt, ist die Kombination aus einem Vektorraumisomorphismus und einer Translation. Um die Abhängigkeit von und anzudeuten, schreiben wir auch . Komposition und Umkehrung bijektiver affiner Abbildungen sind wieder bijektiv und affin, denn offenbar gilt

  also  
  also  

Die bijektiven, affinen Abbildungen bilden daher eine Gruppe, die sogenannte affine Gruppe oder allgemeine affine Gruppe. Typische Bezeichnungen sind [1], [2] oder [3]. Ist der n-dimensionale Vektorraum über einem Körper , so schreibt man auch . Ist weiter endlich mit Elementen, so bezeichnet man auch einfach mit , denn ein endlicher Körper ist durch die Anzahl seiner Elemente bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.

Beispiele

AGL1(ℝ)

Sei der eindimensionale reelle Vektorraum. Eine bijektive, affine Abbildung ist dann nichts anderes als eine Geradengleichung

mit und .

ist also die Gruppe aller nicht-konstanten Geradengleichungen. Jedes Element hat die Form mit . Also kann mit identifiziert werden, und für die Gruppenoperationen gilt bei dieser Identifikation

.
ist das neutrale Element.

AGL1(5)

Ersetzt man in obigem Beispiel durch den endlichen Körper , so erhält man die im Folgenden beschriebene endliche Gruppe mit 20 Elementen.

Eine bijektive, affine Abbildung hat die Gestalt

mit und .

Bezeichnet man ein solches Element einfach mit av, so ist

und man hat folgende Verknüpfungstafel:

Die Anordnung der Elemente wurde dabei so gewählt, dass die oberen, linken Teile der Verknüpfungstafel die 5-elementige Untergruppe und die 10-elementige Untergruppe zeigen. Diese sind isomorph zu bzw. (siehe unten spezielle affine Gruppe ). Letztere ist offenbar nichtabelsch. Da es bis auf Isomorphie aber nur zwei 10-elementige Gruppen gibt, siehe Liste kleiner Gruppen, muss sie isomorph zur Diedergruppe sein.

Die affine Gruppe als semidirektes Produkt

Konstruktion

Wir betrachten die affine allgemeine Gruppe über dem Vektorraum . Die Untergruppe der Translationen auf ist isomorph zur additiven Gruppe und die Untergruppe operiert als Gruppe von Automorphismen auf den Translationen. Offenbar ist jedes Element aus ein Produkt aus einem Element der Untergruppe und der Translationengruppe . Daher hat man das folgende semidirekte Produkt

.

Für bedeutet das

.

Anzahl der Elemente

Damit lässt sich die Ordnung der Gruppe über dem Körper mit Elementen leicht auf die Gruppenordnung von zurückführen:[4]

Beispiel AGL1(5)

Das obige Beispiel hat nach obiger Anzahlformel Elemente und kann als

geschrieben werden. Da , erhält man

.

Dabei ist allerdings darauf zu achten, wie als Automorphismen auf operiert. Bei den vorgenommenen Identifikationen wird das erzeugende Element auf die Multiplikation mit 2 auf abgebildet. Das ist mit dem semidirekten Produkt gemeint.

Beispiel AGL2(2)

ist die Gruppe der affinen Abbildungen des zweidimensionalen -Vektorraums, sie permutiert die vier Vektoren dieses Vektorraums und ist daher isomorph zu einer Untergruppe der symmetrischen Gruppe . Nach obigem ist aber auch , das heißt, muss daher zu isomorph sein.

Die affine Gruppe als Matrizengruppe

Die affinen Gruppen erweisen sich als Untergruppen von allgemeinen linearen Gruppen. Leicht rechnet man nach, dass

ein injektiver Homomorphismus ist. Aus der Isomorphie ergibt sich daher, dass isomorph zur Gruppe der Matrizen

ist. Kurz: ist eine Untergruppe von .[5]

Weitere affine Gruppen

Die spezielle affine Gruppe

Auf den affinen Gruppen hat man die Determinantenabbildung

,

die ein Homomorphismus in die Einheitengruppe des Körpers ist. Alternativ kann man auch obige Einbettung verwenden und die Determinantenabbildung auf als Einschränkung der Determinantenabbildung auf definieren.

Der Kern dieses Homomorphismus, das heißt die Menge aller Elemente mit Determinante 1, ist dann ein Normalteiler in , den man in Analogie zur speziellen linearen Gruppe die spezielle affine Gruppe nennt und mit bezeichnet.

In obigem Beispiel ist offenbar .

Allgemeiner kann man Urbilder beliebiger Untergruppen von betrachten. In hat man also den weiteren Normalteiler , das ist die bereits oben erwähnte 10-elementige Untergruppe von . In der Sprache der semidirekten Produkte ist das , indem man als Untergruppe auffasst.

Die affine semilineare Gruppe

Die affinen Gruppen entstehen aus der allgemeinen, linearen Gruppe durch Hinzunahme der Translationen. Diese Gruppen kann man durch Hinzunahme von Körperautomorphismen weiter vergrößern. Ist ein Automorphismus auf , und , so sei

,

wobei durch komponentenweise Anwendung auf die Komponenten des Spaltenvektors definiert ist. Derartige Abbildungen nennt man affin-semilinear, Kompositionen und Umkehrungen bijektiver affin-semilinearer Abbildungen sind wieder von dieser Art.

heißt affin semilineare Gruppe.

In den Fällen oder mit einer Primzahl gibt es keine nicht-trivialen Körperautomorphismen und man erhält nichts Neues. Bei Körpern wie hat man es mit echten Erweiterungen von zu tun. Fasst man die affinen Abbildungen als strukturerhaltende Abbildungen affiner Räume auf, so ist im Allgemeinen nicht die volle Automorphismengruppe der affinen Struktur, diese erhält man erst durch die im Allgemeinen größere affine semilineare Gruppe.[6]

Einzelnachweise

  1. J. D. Dixon, B. Mortimer: Permutation Groups, Springer-Verlag (1996), ISBN 0-387-94599-7, Kap. 2.8: Affine and Projective Groups
  2. M. Schottenloher: Geometrie und Symmetrie in der Physik, Springer-Verlag (1995), ISBN 978-3-528-06565-2, Seite 27
  3. R. Walter: Lineare Algebra und analytische Geometrie, Vieweg (1985), ISBN 978-3-528-08584-1, Seite 168
  4. B. Huppert: Endliche Gruppen I, Springer-Verlag (1967), Kapitel II, §6, Hilfssatz 6.2
  5. W. Kühnel: Matrizen und Lie-Gruppen, Teubner-Verlag 2011, ISBN 978-3-8348-1365-7, Lemma 5.3
  6. J. D. Dixon, B. Mortimer: Permutation Groups, Springer-Verlag (1996), ISBN 0-387-94599-7, Kap. 2.8: Affine and Projective Groups, Seite 54