Aegidianum

Aegidienkirche und ehemalige Klostergebäude in Nürnberg im 16. Jahrhundert, Rekonstruktion von Gottlieb Bäumler 1846
Egidienkirche und Gymnasium als barocke Neubauten. Kupferstich von Johann Adam Delsenbach um 1711

Das Aegidianum oder Egidiengymnasium[1] in Nürnberg war im 17. Jahrhundert eine der führenden Schulen des protestantischen Deutschlands. Sie war im Zuge der Reformation der Reichsstadt neben der Kirche St. Egidien im ehemaligen Egidienkloster Nürnberg eingerichtet worden.

Geschichte

Die erste Gründung des Egidiengymnasiums – im Mai 1526 unter Beteiligung einer Reihe bekannter Humanisten und Reformatoren, unter ihnen Melanchthon und Luther – hatte nur neun Jahre lang Bestand. Es wurde im ehemaligen Kloster am Egidienberg, das seit dem Auszug der Schottenmönche 1525 leer stand und in den städtischen Besitz übergegangen war, eingerichtet.

Der zweite Anlauf der Unternehmung führte 1575 zur Gründung der Universität Altdorf, aus ihr spaltete sich 1633 in erneuter Gründung das Nürnberger Aegidianum ab – eine Schule, die in besonderem Maße auf einen modernen Kanon Wert legte.

Zum Schulunterricht gehörten auch Theateraufführungen. Johann Klaj schrieb Stücke[2] für das von Johann Michael Dilherr neu begründete „auditorium publicum egidianum[1]. Das Gymnasium zeigte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für die modernen belles lettres aufgeschlossen: Unterricht in der Landessprache, im Briefstil und Poesie gehörten zum Kanon. Samuel Faber entfaltete hier von 1690 bis 1716 Einfluss. Gleichzeitig – hier war die Verbindung zur Sternwarte gegeben – kam moderne Mathematik und Naturwissenschaft in den Unterricht.

Berühmte Schüler waren u. a. Johann Christoph Arnschwanger (1625–1690), Nicolaus Hieronymus Gundlingius (1671–1729), Peter Kolb (1675–1726), Johann Gabriel Doppelmayr (1677–1750), späterer Mathematikdozent am Gymnasium, Johann Friedrich Riederer (1678–1734), Johann Leonhard Rost (1688–1727).

1889 wurde das Ägidianum wegen wachsender Schülerzahlen in das Königliche Alte und Neue Gymnasium aufgeteilt.

Seit 1933 heißt die Schule, die 1911 aus Raumnot von ihrem historischen Ort neben der Egidienkirche an die Sulzbacher Straße gezogen war, Melanchthon-Gymnasium. Die Kirchengemeinde St. Egidien veranstaltet in Kooperation mit dem Melanchthon-Gymnasium seit 2016 jährliche Bildungsreden für die Stadt,[3] auf dem Weg zum 500-jährigen Gründungsjubiläum der Schule im Jahr 2026 und im Anschluss an die Gründungsrede Philipp Melanchthons am 23. Mai 1526.

Die historischen Gebäude des Aegidianums sind heute Teil des Willstätter-Gymnasiums.

Literatur

  • Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts (= Frühe Neuzeit. Band 69). Niemeyer, Tübingen 2002, ISBN 3-484-36569-2 (Zugleich: Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, 1999/2000) (Vorschau in der Google-Buchsuche).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b „Gymnasium St. Egidii“ und „auditorium publicum egidianum“. Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. 2002, S. 245 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. 2002, S. 235–280 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Nürnberger Bildungsreden. In: mgn2026.de. Melanchthon-Gymnasium Nürnberg, abgerufen am 10. Januar 2018.

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Melanchthon Gymnasium mit Egidienkirche.jpg
Kirche von St. Egidien und das Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg. Kupferstich von Johann Adam Delsenbach (1687-1765). Bayerische Staatsbibliothek, Porträt- und Ansichtensammlung.
Alt-Nürnberg Aegidienkirche Stich bei Gottlieb Bäumler 1846.jpg
Alt-Nürnberg, Aegidienkirche, Lithographie, bei Gottlieb Bäumler, Nürnberg 1846. Ca. 14 x 17 cm