Adolph Michaelis

Adolph Michaelis in der Tübinger Professorengalerie (1856)
Juristisches Staatsexamen in Tübingen um 1851/52, Michaelis als Dritter von links

Adolph Michaelis (* 25. Dezember 1797 in Hameln; † 20. Januar 1863 in Tübingen) war ein deutscher Rechtswissenschaftler.[1]

Leben

Michaelis entstammte einer jüdischen Familie in Hameln, wo sein Vater als Kaufmann tätig war.[2] Er studierte ab 1812 Rechtswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und ab dem Wintersemester 1814/15 an der Georg-August-Universität Göttingen.[3][4] Dort wurde er im Corps Hannovera Göttingen aktiv.[5][6] Im Sommer zuvor war bereits Adolf von Wangenheim aus Hameln eingetreten. Zwei weitere Vettern aus der Familie von Wangenheim aus Gotha kamen am 25. Oktober 1814 nach Göttingen und wurden ebenfalls Hannoveraner.[7] Wohl wegen einer Untersuchung der Göttinger Universitätsbehörden gegen die verbotenen Studentenverbindungen wechselte er im Oktober 1816 an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.[8][9] Am 9. November 1817 erneuerte er die Immatrikulation in Göttingen „um zu promovieren.“

Sein Onkel Salomo Michaelis war seit 1810 als erster Germanist an der Universität Tübingen auf dem Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Deutschsprachige Literatur. Aufgrund der Verbindungen zu dessen Freund und Förderer Karl August von Wangenheim, dem Kurator der Universität Tübingen, wurde Adolph Michaelis 1818 als Privatdozent nach Tübingen berufen.[10] Seit 1820 a.o. Professor, war er von 1822 bis zu seinem Tod 1863 Lehrstuhlinhaber für Deutsches Recht und Kirchenrecht.[11]

1824 wurde die Affäre seiner bei ihm lebenden Schwester Julie Michaelis mit dem fünf Jahre jüngeren Theologiestudenten am Tübinger Stift und Dichter Wilhelm Waiblinger bekannt, die in Tübingen Aufsehen erregte und nach Brandstiftungen eines ebenfalls bei ihm lebenden Zöglings aus Hameln auch zum Gegenstand eines spektakulären Prozesses wurde. Waiblinger wurde daraufhin 1826 vom Stift relegiert. Der Zögling und Bürgermeistersohn aus Hameln zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Michaelis 1862 machte eine psychische Erkrankung einen längeren Aufenthalt in der Anstalt Winnenden erforderlich, der ihn aber nicht von seinen Depressionen befreite. Er ertrank nach einem Sturz von der Neckarbrücke und wurde auf dem Stadtfriedhof Tübingen bestattet.[12]

Beide Michaelis sind, ein jeder auf seine Art, als Hochschullehrer Wegbereiter der jüdischen Assimilation im deutschen Wissenschaftsbetrieb gewesen.

Auszeichnungen

Schriften

  • Entwurf einer Darstellung des öffentlichen Rechts des Deutschen Bundes und der Deutschen Bundesstaaten. Tübingen 1820
Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek
  • Historisch-diplomatische Darstellung der völkerrechtlichen Begründung des Königreiches Belgien, Cotta, Stuttgart 1836 (Bearbeitete Übersetzung des in Französisch erschienenen Werks von Jean-Baptiste Nothomb)
Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek
  • Votum über den Reichsgräflich Bentinck’schen Erbfolgerechtsstreit, 3 Bände, Laupp, Tübingen 1841–1845
Digitalisat von Band 1, Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek
Digitalisat von Band 2, Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek
Digitalisat von Band 3 (Titel hier: Über die gegenwärtige Lage des Bentinck’schen Erbfolgerechtsstreits.), Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek
  • Die staatsrechtlichen Verhältnisse der Fürsten und Grafen Herren von Schönburg, Ferber, Gießen 1861
Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek

Literatur

  • Hans-Joachim Lang: Salomo und Adolph Michaelis: der Taufschein als Eintrittskarte für die Universitätslaufbahn, in: Tubingensia, Ostfildern 2008, S. [445>]-458
  • Max Miller: Salomo Michaelis, Mitarbeiter und Freund des Frhrn. v. Wangenheim, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 3, 1939, S. 158–211 (Kritische Anmerkung: Enthält Fakten aus den südwestdeutschen Archiven, dargeboten und kommentiert in der antisemitischen Diktion der nationalsozialistischen Zeit des Erscheinens)
  • Bernhard Gelderblom: Die Juden von Hameln: von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis zu ihrer Vernichtung durch das NS-Regime, Mitzkat, Holzminden 2011 ISBN 978-3-940751-39-3, S. 58–59 (Der Hochschullehrer und Konvertit Adolph Michaelis)

Weblinks

Commons: Adolph Michaelis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Adolph Michaelis – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Das Geburtsdatum ist unklar, siehe die Tübinger Matrikel und die Ausführungen bei Max Miller (Lit.)
  2. Heinrich Spanuth: Geschichte der Stadt Hameln von der Renaissance bis zur Neuzeit, Hameln 1955, Bd. II, S. 329, 429: In drei Generationen widmete sich die jüdische Familie Michaelis, zu der auch der Tübinger Jurist, Professor Adolf Michaelis gehört, dem Tabakgeschäft: Auf Ezechiel Salomon Michaelis folgte Karl Michaelis, der 1872 aus dem bescheidenen Anwesen in der Kleinen Straße in die Osterstraße zog, und schließlich Julius Michaelis, der letzte Vorsteher der israelischen Gemeinde, der sich unter veränderten Verhältnissen zuletzt auch auf Großhandel umstellte.
  3. Albert Bürk/Wilhelm Wille: Die Matrikel der Universität Tübingen, Bd. 3 (1710–1817), Tübingen 1953, S. 472, Nr. 40.850: 26.11.1812, Adolph Michaelis von Hameln in Westphalen, geboren 31. Dec. 1796, stud. iur., P(ater): Eph., in Hameln Kaufmann, zahlt 6 fl 15 x
  4. Immatrikulation Göttingen am 22. Oktober 1814 ex ac. Tübingen
  5. Kösener Corpslisten 1960, 42, 178
  6. Rudolf Meyer-Brons: Mitgliederverzeichnis des Corps Hannovera zu Göttingen, Göttingen 1927, Nr. 169; nachgewiesen im Stammbuch des Hannoveraners August Friedrich Wilhelm Görtz, nach Exzerpten von Wilhelm Fabricius: "Adolf (sic!) Michaelis, iur. stud. aus Hameln im Königreich Hannover, Göttingen am 17.III. 1816 - mit Zirkel, Motto, sowie "H. s. P." und beiderseits gesetzt "R." und "B." Exerpt im Institut für Hochschulkunde.
  7. darunter Ernst von Wangenheim; siehe Kösener Corpslisten 1960, 42, 180 und 181.
  8. Maschinenschriftlicher Auszug aus den Akten des Universitätsarchivs Göttingen, Sekretäriatsakten Sign. 48 C. 22 - verbotene Verbindungen: Untersuchung gegen die Landsmannschaften [sic!] in Göttingen vom 9. März 1816 ff. bis zur Straffestsetzung gegen die führenden Mitglieder, mit Namenlisten der festgestellten Göttinger Landsmannschafter - und der Aktennotiz, dass sich solche auch unter der Tarnbezeichnung Corps zu verbergen gesucht hatten. Die beigefügte Hannoveranerliste enthält 39 Namen, unter Nr. 14: Michaelis. (SUB Göttingen/Archiv des Corps Hannovera Göttingen)
  9. Immatrikulation Heidelberg am 25. Oktober 1816 unter lfde. Nr. 163. Vgl. Gustav Toepke (Hg.): Die Matrikel der Universität Heidelberg (5. Teil): Von 1807 - 1846, Heidelberg, 1904, S. 124
  10. Georg May: Mit Katholiken zu besetzende Professuren an der Universität Tübingen von 1817 bis 1945. John Benjamins Publishing, 1975, S. 160, Fußnote 13 unter Berufung auf Max Miller: Salomo Michaelis, Mitarbeiter und Freund des Frhrn. v. Wangenheim (1939), S. 194
  11. Geschichte der Juristischen Fakultät (abgerufen am 25. Februar 2013)
  12. Bernhard Gelderblom: Die Juden von Hameln: von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis zu ihrer Vernichtung durch das NS-Regime. Mitzkat, Holzminden 2011, S. 58–59.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Adolf Michaelis (1797-1863).jpg
Porträt des Tübinger Professors der Rechte Adolph Michaelis (1797–1863)
Das -Juristische- Examen (Tübingen vor 1850).jpg
Juristisches Staatsexamen in Tübingen um 1851/52. Markierte Personen: 1. Leopold August Warnkönig (1794-1866), 1844-1858 o. Prof. für römisches Recht, Rechtsgeschichte und Kirchenrecht in Tübingen; 2. Christian Reinhold Köstlin (1813-1856), 1851-1856 o. Prof. des Strafrechts; 3. Adolf Michaelis (1797-1863), 1822-1863 o. Prof. für deutsches Recht und Kirchenrecht; 4. Gustav Geib (1808-1864), 1851-1864 o. Prof. für Strafrecht und Strafverfahren in Tübingen; 5. Eduard Schrader (1779-1860), 1810-1858 o. Prof. für Röm. Recht und Rechts- und Verfassungsgeschichte in Tübingen; 6. Max Samuel (von) Mayer (1797-1862), 1837-1862 o. Prof. für Röm. Recht und Zivilprozeßrecht in Tübingen.