Adolf Guyer-Zeller
Adolf Guyer-Zeller (* 1. Mai 1839 in Neuthal, Bäretswil; † 3. April 1899 in Zürich) war ein Schweizer Unternehmer.
Biografie
Von 1857 bis 1858 studierte Guyer-Zeller in Genf Nationalökonomie und Geologie.[1] In dieser Zeit wurde er Mitglied im Schweizerischen Zofingerverein.[2] Als junger Mann reiste er nach Frankreich und England, wo er sich in verschiedenen Maschinen- und Textilfabriken weiterbildete, nach Kuba und in die USA. In seinen Reisetagebüchern verteidigte er die dort geübte Sklaverei, die ihm zufolge den «göttlichen Gesetzen» und der «zum Dienen geborenen» Natur der Afrikaner entsprach.[3]
Mit 24 Jahren kehrte Guyer-Zeller wieder in die Schweiz zurück und trat 1863 in die Baumwollspinnerei Neuthal seines Vaters Johann Rudolf Guyer (1803–1876)[4] ein. 1866 wurde er deren Teilhaber und 1874 ihr Alleininhaber. Nach seiner Heirat mit der Zürcher Industriellentochter Anna Wilhelmina Zeller gründete er 1869 in Zürich eine Import-Export-Firma und handelte mit Textilien.
Später wandte er sich dem damals in der Schweiz stark aufkommenden Eisenbahnbau zu. Er wurde unter anderem Präsident der Schweizerischen Nordostbahn (NOB). Guyer-Zeller war auch der Begründer der Jungfraubahn (JB), zu deren Finanzierung er 1894 die Guyer-Zeller-Bank (heute HSBC Guyerzeller Bank) gründete, und der Uerikon-Bauma-Bahn (UeBB). Die Bahnstrecke der über den Ofenpass führenden Ofenbergbahn konnte er nicht mehr in die Tat umsetzen. Nach seinem Tod versandete das Projekt, das unter dem Namen «Engadin-Orientbahn» die Passagiere von Chur bis nach Triest hätte befördern sollen.
In den Tälern und Wäldern rund um Bauma liess Guyer-Zeller ab 1890 verschiedene Wege anlegen, die noch heute als «Guyer-Zeller-Wege» unterhalten und als Wanderwege genutzt werden. Bis in die Gegenwart wird kolportiert, Guyer habe die Wege für seine Arbeiterinnen und Arbeiter bauen lassen, und sie wurden als frühe Wohlfahrtseinrichtung zu Beginn der Industrialisierung gedeutet. Es ist jedoch schwer vorstellbar, wie Fabrikarbeiter mit sechs 13-Stunden-Arbeitstagen pro Woche, wie sie im Neuthal üblich waren, noch Zeit und Interesse fürs Wandern hätten aufbringen können. Sie waren neben der Fabrikarbeit ja noch mit Kleinbauern-Tätigkeiten für die Selbstversorgung beschäftigt.
Die von Guyer-Zellers Bau- und Unterhaltsequipen angelegten und instand gehaltenen Wanderwege in romantische Tobel, zu imposanten Gubeln (Felswänden, Nagelfluhpfeilern, Felsköpfen) und rauschenden Giessen waren für seine Freunde und Gäste seines Standes bestimmt. Das zeigt auch die aufwändige Art, in der die breiten Wege befestigt und mit Geländern, Treppen und Brücken versehen sind.
Dass Wandern eine sinnvolle Möglichkeit für den arbeitenden Menschen sei, seine Gesundheit zu stärken, die Freizeit zu gestalten und die Liebe zur Natur zu wecken, war eine Erkenntnis in der Arbeiterbewegung. Sie führte 1895 zur Gründung des Touristenvereins die Naturfreunde und zehn Jahre später zur Naturfreunde-Internationale mit vielen Partnerverbänden. Die Naturfreundehütte "Waldeggli" der Sektion Pfäffikon ZH auf dem Ghöch Bäretswil kann daran erinnern. Das Chalet wurde 1939 für die Schweizerische Landesausstellung in Zürich gebaut, von den Naturfreunden erworben und auf dem Ghöch für Vereinsanlässe, Tourenunterkunft und zur Vermietung aufgestellt.
Politisch stand Guyer-Zeller auf der Seite der Liberalen, für die er zwischen 1869 und 1872 sowie 1875 und 1889 im Zürcher Kantonsrat sass. Von 1888 bis zu seinem Tod amtierte er zudem als griechischer Generalkonsul in Zürich. Sein Wohnsitz in Zürich war das Haus «Greifenberg». Sein Projekt, auf den von ihm erworbenen Bürgliterrassen in Zürich-Enge eine Villa mit Seesicht und Alpenpanorama zu bauen, scheiterte an der Einsprache des Zürcher "Geldadels". Er erwirkte die Enteignung Guyers von der erhöhten Parzelle mit dem Zuspruch allgemeinen Interesses zum Bau der reformierten Kirche Enge auf dem Grundstück. Nach verlorenem Prozess vor Bundesgericht und dem abgewiesenen Rekurs gegen diese Massnahme trat Guyer aus dem Kantonsrat zurück. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof Bauma.
Erinnerung
Beim Bahnhof Wetzikon wurde ein Abschnitt der Hofstrasse in Guyer-Zeller-Strasse[5] umbenannt.
Die Schützengesellschaft Bäretswil führt alle zwei Jahre mit dem Guyer-Zeller-Schiessen ein Schützenfest zum Gedenken an Adolf Guyer-Zeller durch.
2017 wird die Dampfbahn-Strecke Bauma-Bäretswil des DVZO und das Industrieensemble Neuthal zum Zentrum einer szenografischen Reise: "Spinnen im Neuthal". Mit der Dampfbahn gelangten die Zuschauer vom Start in Bauma nach Bäretswil und ins Neuthal, dort zu Fuss durch das Fabrikreal und einzelne Innenräume. Die schauspielerisch, tänzerisch, musikalisch und erzählerisch, mit Ton- und Bildgebung in der Landschaft und in Fabrikräumen unterstützten Szenen gaben dem gruppenweise geführten Publikum Einblicke in die Zeit der Industrialisierung. In der Dampfbahn und auf der Bäretswiler Bahnhofsrampe stand die Figur Adolf Guyer-Zellers im Mittelpunkt, von Schauspielern dargestellt, die auch seine visionären Projekte und Ideen vor Projektionen an der Wand des Bahnhofschuppens inszenierten. In der Geburtsvilla des Fabrikanten, Financiers, Eisenbahnbarons und Politikers stellten mitreissende Szenen den Beginn von Sozialismus und Arbeiterbewegung dar. Alles in Zusammenarbeit von ortsansässigen Laien und professionellen Performern, geleitet vom Führungsduo "Szenografische Projekte T_Raumfahrt" Elisabeth Wegmann und Melanie Mock.[6]
Literatur
- Hans Bauer: Guyer-Zeller, Adolf Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 360 (Digitalisat).
- Doris Müller-Füglistaler: Adolf Guyer-Zeller (1839-1899). In: Antiquarischen Gesellschaft in Zürich (Hrsg.): Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 59. Hans Rohr, 1992, ISSN 0304-4327 (Digitalisat).
- Ueli Müller: Guyer (-Zeller), Adolf. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 19. März 2007.
- Wolfgang Wahl-Guyer: Reisen als Schlüssel zur Welt. Die Reisetagebücher von Adolf Guyer-Zeller (1839–1899). Chronos Verlag, Zürich 2000, ISBN 978-3-905314-12-0.
- Hermann Dietler: Guyer-Zeller. In: Victor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Auflage. Band 6: Güterverkehr–Krisen. Urban & Schwarzenberg, Berlin / Wien 1914, S. 38.
Weblinks
- Publikationen von und über Adolf Guyer-Zeller im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Adolf Guyer-Zeller im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Armin Sierszyn: Adolf Guyer-Zeller auf Chronik-Bäretswil.
Einzelnachweise
- ↑ Ueli Müller: Adolf Guyer-Zeller. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 19. März 2007, abgerufen am 2. Oktober 2020.
- ↑ Wolfgang Wahl-Guyer: Reisen als Schlüssel zur Welt. Die Reisetagebücher von Adolf Guyer-Zeller (1839–1899). Chronos Verlag, Zürich 2000, ISBN 978-3-905314-12-0, S. 70, 154.
- ↑ Hans Fässler: Wenn «der Neger» zum Dienen geboren ist In: Der Bund, 27. Dezember 2017. Abgerufen im 28. Dezember 2017
- ↑ Markus Bürgi: Johann Rudolf Guyer. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 16. März 2006, abgerufen am 8. Juni 2019.
- ↑ Lage der Guyer-Zeller-Strasse Wetzikon (abgerufen am: 4. Mai 2012).
- ↑ Chronik Bäretswil, Pius Bischofberger, Präsident: Spinnen im Neuthal. In: Chronik Bäretswil. Gemeinde Bäretswil, 2019, abgerufen am 16. Dezember 2022.
Personendaten | |
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NAME | Guyer-Zeller, Adolf |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Unternehmer |
GEBURTSDATUM | 1. Mai 1839 |
GEBURTSORT | Neuthal bei Bauma |
STERBEDATUM | 3. April 1899 |
STERBEORT | Zürich |
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Spinnerei in Neuthal, Gemeinde Bäretswil
Adolf Guyer-Zeller (1839-1899), Schweizer Unternehmer und Eisenbahnpionier
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