Abul Abbas
Abul Abbas (auch Abul Abaz; † 810) war ein Elefant, der dem fränkischen Kaiser Karl dem Großen von Kalif Hārūn ar-Raschīd geschenkt wurde. Er war der erste namentlich und urkundlich belegte Elefant nördlich der Alpen.
Leben
Abul Abbas stammte aus Indien; benannt war er, vermutlich vom Kalifen selbst, nach dem Begründer der Abbasiden-Dynastie, Abu l-Abbas as-Saffah († 754, arabisch أبو العباس السفاح). Sein Alter bei seinem Eintreffen in Aachen ist unbekannt.
801 wurde Abul Abbas in Begleitung von Isaak, einem jüdischen Kaufmann, Dolmetscher und Gesandten Karls, zusammen mit einer kleinen Delegation von Bagdad aus auf den Weg nach Aachen geschickt. Im Oktober des Jahres ist ein Aufenthalt in der Nähe von La Spezia in Italien belegt; in Vercelli, unweit des Lago Maggiore, blieb man über den Winter. Am 20. Juli 802 erreichte Abul Abbas Aachen und wurde dort, zusammen mit einer ganzen Anzahl von Geschenken, Kaiser Karl übergeben.
Sein Dasein in Aachen währte nur wenige Jahre, in denen er, wie gesagt wird, vom Kaiser gerne auf Reisen mitgenommen worden sei, „als lebende Insignie seiner Macht“.[1] Nach dem Bericht der fränkischen Reichsannalen ist der Elefant im Sommer 810 nach einer Überquerung des Rheins in Lippeham „plötzlich“ verendet.[2]
Legenden
Um Abul Abbas begannen sich bald zahlreiche Legenden zu ranken. So sei er ein weißer Elefant gewesen und anlässlich des Feldzugs Karls gegen die Friesen 804 als Waffe mitgeführt worden, was sich für ihn laut Überlieferung als verhängnisvoll erwiesen habe, denn er soll beim Übergang über den Rhein ertrunken sein. Laut anderen Angaben sei der Elefant einer Lungenentzündung erlegen, die er sich bei der Rheinüberquerung zugezogen habe.[3]
In den wenigen zeitgenössischen Quellen ist weder von der weißen Farbe die Rede, noch werden Details über den Tod des Tieres oder seinen Einsatz als Kriegswaffe überliefert. Die fränkischen Reichsannalen enthalten lediglich knappe Meldungen über seinen Transport (801),[4] seine Übergabe an den Kaiser (802)[5] sowie seinen Tod (810).
Nachleben
Mitte des 18. Jahrhunderts wird berichtet, dass man am Rhein, nahe der Lippe-Mündung, auf einem Acker auf Elefantenknochen gestoßen sei; man sei der Meinung gewesen, dass es sich hierbei nur um den Elefanten Kaiser Karls gehandelt haben könne.[6] Die gefundenen Oberschenkelknochen landeten offenbar in einem privaten Kunst- und Raritätenkabinett.[7] Allerdings kamen in prähistorischen Zeiten verschiedene Elefantenarten natürlicherweise in Mitteleuropa vor, die derartige Funde erklären könnten.
In der berühmten Jobsiade (erstmals erschienen 1784) wird der Tod des Tieres beklagt: „Selbst Bucephalus und Rossinanten, / Abulabas den Elephanten, / Roß Bayard[8] und Bileams Eselin / Nahm Freund Hein zum Morgenbrod hin.“[9]
Die früher in der deutschen Sprache gebräuchliche Bezeichnung Bulenbak für ein „ungeheuerliches Wesen“ soll eine Verballhornung des Namens Abul Abbas sein.[10]
Der erste auf fränkischem Boden zur Kenntnis genommene Elefant sei, wie einige meinen, in der Historie der deutschen Sprache zum Popanz geworden, und zwar durch die Herleitung dieses Wortes aus dem Namen des kaiserlichen Elefanten über Bubaz, Bula, Bubu, Pubatsch und Pupanz; diese Herkunft der Schreckgestalt ist allerdings in den gängigen etymologischen Wörterbüchern nicht belegt. Abul Abbas’ Aufenthalt nördlich der Alpen war, wie es scheint, zu kurz, um ein bleibendes Abbild von ihm zu liefern.[11][12]
Kuriosa
Der Name des Elefanten scheint Karl May bei der Namenswahl für seine Figur Hadschi Halef Omar inspiriert zu haben: Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah (Abul Abbas stellt hier den Namen seines Vaters dar).[13]
Siehe auch
Literatur
- Richard Fletcher: Ein Elefant für Karl den Großen – Christen und Muslime im Mittelalter. Darmstadt 2005.
- Hans Altmann: Die Reise des Isaak und die politische Situation um 800. In: Ex oriente. Isaak und der weiße Elefant. Bagdad – Jerusalem – Aachen. Eine Reise durch drei Kulturen um 800 und heute. Katalogbuch zur Ausstellung in Rathaus, Dom und Domschatzkammer Aachen vom 30. Juni bis 28. September 2003, Band 1 Die Reise des Isaak. Bagdad. Zabern, Aachen 2003, S. 28–35.
- Karen Duve, Thies Völker: Lexikon berühmter Tiere. 1200 Tiere aus Geschichte, Film, Märchen, Literatur und Mythologie. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-8218-0505-6.
- Achim Thomas Hack: Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten. Wissenschaftlicher Verlag Dr. Michael P. Bachmann, Badenweiler 2011, ISBN 978-3-940523-12-9.[14]
- Hannelore Kühl, Brigitte Erm: Abul Abas. Die Geschichte des weißen Elefanten am Hofe Karls des Großen. Alano Verlag, Aachen 1985, ISBN 3-924007-12-8.
Einzelnachweise
- ↑ Stephan Oettermann: Die Schaulust am Elefanten. Eine Elephantographia Curiosa. Syndikat, Frankfurt am Main 1982, S. 97 ff., mit Nennung zahlreicher Quellen. ISBN 3-8108-0203-4.
- ↑ Friedrich Kurze (Hrsg.): Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 6: Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi. Hannover 1895, S. 131 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat) Vgl. auch Regesta Imperii RI Opac (Memento des vom 18. Juli 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Vgl. dazu: Michael Gorgas: Tiere – Kaiser – Anekdoten. Vindelica-Verlag, Gersthofen 1986, ISBN 3-926275-00-6; Wolfgang Knabe: Auf den Spuren der ersten deutschen Kaufleute in Indien. Forschungsexpedition mit der Mercator entlang der Westküste und zu den Aminen. Schriften des Zentralinstituts für Deutsche Auswanderungsforschung im VDA Reihe 2, Feldforschung; Band 1. Verlag Moderne Medien, Anhausen 1993, ISBN 3-929720-01-9.
- ↑ Friedrich Kurze (Hrsg.): Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 6: Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi. Hannover 1895, S. 116 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
- ↑ Friedrich Kurze (Hrsg.): Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 6: Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi. Hannover 1895, S. 117 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
- ↑ Duisburger Intelligenz-Zettel Nr. XXVII. vom 7. Juli 1750 J.G. Leidenfrost: Nachricht von einigen Überbleibseln des Elephanten Abdulabbas
- ↑ J. H. Nunningius, J. H. Cohnhausen: De osse femoris Elephantini. In: Commercii literarii dissertationes epistolicae. Frankfurt am Main, 1746; Epistel IV, S. 44ff. Nach: Oettermann (1982) S. 98, Anm. 117
- ↑ Legendäres Pferd aus den Sagen um Karl den Großen
- ↑ Carl Arnold Kortum: Die Jobsiade. Dortmund 1799 (37. Kapitel, Strophe 28)
- ↑ Wiener Geschichten. In: Fremden-Blatt der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien / Fremden-Blatt und Tags-Neuigkeiten der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien / Fremden-Blatt / Fremden-Blatt mit Vedette / Fremden-Blatt mit militärischer Beilage Die Vedette, 2. Oktober 1865, S. 9 (online bei ANNO).
- ↑ Vgl. Oettermann (1982) S. 98f.
- ↑ Briefwechsel mit Allen für Alle. Alter Abonnent aus Plauen. In: Illustrirte Zeitung, 28. Oktober 1871, S. 6 (online bei ANNO).
- ↑ Claus-Artur Scheier: „… und setzte mich auf Kaiser Karls Stuhl“: Identität und Identifikation im geschichtsphilosophischen Reflex. Cramer, Braunschweig 2007, S. 6 (online [abgerufen am 12. Juli 2014] „Halefs Vater heißt Abul Abbas wie jener weiße Elefant, der, von Bagdad kommend, am 20. Juli des Jahres 802 dem Kaiser Karl von dem jüdisch-italienischen Kaufmann Isaak in Aachen als diplomatisches Geschenk des Kalifen von Bagdad, Harun al Raschid, übereignet worden war. So ist der kleine Halef der Sohn eines historisch-elefantösen Geschenks an den großen Karl.“).
- ↑ Vgl. Sabine Obermaier: Rezension zu: Hack, Achim Thomas: Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten. Badenweiler 2011. In: H-Soz-u-Kult. 28. März 2012; Replik des Autors. In: H-Soz-u-Kult. 30. März 2012.