Abu Tahir as-Sa’igh

Abu Tahir as-Sa’igh (arabisch أبو طاهر الصائغ, DMG Abū Ṭāhir aṣ-Ṣāʾigh ‚Abu Tahir der Goldschmied‘; † 1113) oder Botherus war der führende Missionar (dāʿī) der Schia der Nizariten (Assassinen) in Syrien im frühen 12. Jahrhundert. Auf dieser Position ist er dem 1103 verstorbenen „weisen Astrologen“ nachgefolgt. Er war auch der christlichen Geschichtsschreibung als Botherus bekannt.

Abu Tahir stammte aus Persien und ist wie viele seiner Nachfolger von dem in Alamut residierenden Gran-Da’i der Nizariten, Hassan-i Sabbah († 1124), mit der Führerschaft der syrischen Gemeinschaft betraut worden. Wie sein Vorgänger hat er die Protektion des Seldschukenemirs Radwan von Aleppo besessen.

Unter seiner Führung haben die syrischen Nizariten erstmals versucht, ein befestigtes Refugium zu gewinnen. Im Februar 1106 haben sie von ihm angeführt den Emir von Apamea, Chalaf ibn Mulaib, ermordet. Der Emir war der letzte Untergebene der in Ägypten herrschenden Fatimidenkalifen in Syrien, also der ismailitischen Gegenimame der Nizari-Schia. Nach dem Mord haben mehrere hundert Nizariten Apamea besetzt, allerdings hat ein Sohn des Emirs entkommen können und Zuflucht bei dem christlichen Fürsten von Antiochia, Tankred, gefunden. Dieser ist darauf mit einem Ritterheer zur Belagerung vor Apamea aufgezogen. Nachdem die Stadt ausgehungert war, hatten sich die Nizariten ergeben müssen. Abu Tahir ist in die Gefangenschaft Tankreds gefallen, aus der er allerdings wenig später von Radwan wieder freigekauft wurde. Diese Episode markiert den ersten unmittelbaren Kontakt der Nizariten mit den christlichen Kreuzfahrern, in deren Geschichtsschreibung sie zukünftig als „Assassinen“ bekannt werden sollten.

Nach wiederholten Attentaten gegen ihre Gegner, hatte sich in den folgenden Jahren die allgemeine Stimmung in Aleppo gegen die Gemeinde der Nizariten aufgeheizt. Am 2. Oktober 1113 haben sie in Damaskus den zuvor gegen die Christen siegreichen Emir von Mossul, Maudud, am Eingang der großen Moschee nach dem Freitagsgebet ermordet. Der Emir galt als Konkurrent Radwans um die Herrschaft über Syrien. Aber schon im Dezember 1113 ist Radwan gestorben, womit die Nizariten ihren Schutzherren verloren hatten. Dessen ihm nachfolgender Sohn Alp Arslan hat unter dem Einfluss seines Atabegs eine Verfolgungswelle gegen die Nizariten losgetreten, in der viele ihrer Anführer eingekerkert und Anhänger aus Aleppo vertrieben wurden.

Zusammen mit einem Bruder des „weisen Astrologen“ ist Abu Tahir hingerichtet worden. Der nächste nach ihm bekannte Da’i der syrischen Nizariten war Bahram († 1128).

Literatur

  • Farhad Daftary: The Ismāʿīlīs: Their History and Doctrines. Cambridge University Press 1990, S. 333–334.
  • Heinz Halm: Kalifen und Assassinen. Ägypten und der Vordere Orient zur Zeit der ersten Kreuzzüge 1074–1171. München 2014, S. 128–131.
  • Heinz Halm: Die Assassinen. Geschichte eines islamischen Geheimbundes. München 2017, S. 44–47.

Quellen

  • Abū Yaʿlā ibn Asad ibn al-Qalānisī: „Fortsetzung zur Geschichte von Damaskus“ (Ḏail taʾrīḫ Dimašq), hrsg. und übersetzt von Hamilton A. R. Gibb, The Damascus Chronicle of the Crusades. London, 1932.
  • ʿAlī ibn Muḥammad ibn al-Athīr, „Die vollkommene Chronik“ (Al-Kāmil fī ʾt-taʾrīḫ), in: RHC, Historiens Orientaux, Bd. 1 (1872), S. 232–235, 290–291.
  • Šams ad-Dīn Abūʾl-Muẓaffar Yūsuf ibn Qızoġly ibn ʿAlī Sibṭ ibn al-Ǧauzi, „Spiegel der Zeit hinsichtlich der Geschichte der hervorragenden Persönlichkeiten“ (Mirʾāt az-zamān fī taʾrīḫ al-aʿyān), in: RHC, Historiens Orientaux, Bd. 3 (1884), S. 530, 549–550.
  • Kamāl ad-Dīn ʿUmar ibn Aḥamd ibn al-ʿAdīm, „Der Rahm der Milch von der Geschichte Aleppos“ (Zubdat al-ṭalab min taʾrīḫ Ḥalab), in: RHC, Historiens Orientaux, Bd. 3 (1884), S. 594–595.
  • The First and Second Crusades from an Anonymous Syriac Chronicle, hrsg. und übersetzt von Arthur S. Tritton und Hamilton A. R. Gibb in: Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland, Bd. 92 (1933), S. 85.
  • Albert von Aachen, Historia Hierosolymitana, in: RHC, Historiens occidentaux, Bd. 4 (1879), S. 639–642.