Abrupter Klimawechsel

Klimawandel während der letzten 65 Millionen Jahre. Das Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM-Ereignis) vor 55,5 Millionen Jahren als beispielhafter abrupter Klimawechsel ist deutlich sichtbar.

Ein abrupter Klimawechsel oder abrupter Klimawandel, auch Klimasprung, ist ein rascher Klimawandel zu einem neuen Klimazustand. Ein abrupter Klimawechsel hat gravierende Auswirkungen auf Lebensräume in der Umwelt, weil Ökosysteme sich den neuen klimatischen Bedingungen in kurzer Zeit neu anpassen müssen. Beispiele für abrupte Klimawechsel werden in der Literatur oft als Dansgaard-Oeschger-Ereignis oder Heinrich-Ereignis beschrieben. Ein abrupter Klimawechsel war beispielsweise im Rahmen der Jüngeren Dryaszeit beobachtbar. Ein extremer und nach geologischem Maßstab sprunghafter Klimawechsel fand im Rahmen des Paläozän/Eozän-Temperaturmaximums statt.[1][2]

Klimaproxys der letzten 100.000 Jahre dokumentieren starke Klimasprünge innerhalb von Jahrzehnten oder einigen Jahren. Um die Dynamik und Auswirkungen abrupter Klimawechsel im Lebensraum des Menschen besser rekonstruieren zu können, helfen speziell See- oder Ozeansedimente. Dabei spielt auch die atmosphärische Zirkulation eine große Rolle.[3][4]

Das gegenwärtige Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse reicht jedoch nicht aus, diese Ereignisse vorherzusagen. Sollte es in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten dazu kommen, wird dies somit unerwartet und überraschend erfolgen.[5]

Definition

Das Komitee der National Research Council definiert einen abrupten Klimawechsel auf zweierlei Arten. Die erste Definition bezieht sich auf die Entstehung von abrupten Klimawechseln und letztere auf seine Effekte.[6][7]

  • Der physikalische Prozess: Eine Transition des Klimasystems in einen neuen Modus, wobei die Veränderung schneller abläuft als der verantwortliche Strahlungsantrieb.
  • Effekte: Ein abrupter Klimawechsel liegt dann vor, wenn er rapide und unerwartet geschieht und menschliche und natürliche Systeme Probleme haben sich anzupassen.

Der Weltklimarat IPCC bezieht in seine Definition sowohl physikalische Prozesse als auch Wirkungen auf Natur und Gesellschaft ein und nennt zusätzlich die Größenordnung von Jahrzehnten als Zeitrahmen der Änderungen und Wirkungen: „Eine Änderung im Klimasystem in einem großen Umfang, die in wenigen Dekaden oder weniger abläuft, die wenigstens einige Dekaden andauert (oder von der man dies erwartet) und erhebliche Störungen in menschlichen und natürlichen Systemen verursacht.“[8]

Ursachen

Es gibt verschiedene Mechanismen, die einen abrupten Klimawechsel herbeiführen können. Drastische Veränderungen von Meeresströmungen können sofortige regionale Klimaveränderungen auslösen.[9] Die Friesland-Phase am Beginn des Holozän war eine sehr wahrscheinlich durch Änderungen von Meeresströmungen ausgelöste, sehr abrupte Klimaveränderung.

Am Ende der letzten Kaltzeit fanden schnelle Zusammenbrüche von Eisschilden statt, die nicht nur einen extrem schnellen und ausgeprägten Meeresspiegelanstieg nach sich zogen, sondern durch den massiven Süßwassereintrag auch atmosphärische und maritime Strömungsmuster veränderten. Dies wiederum hatte regional außerordentlich ausgeprägte Klimaveränderungen zur Folge.[10] In Anbetracht des instabilen westantarktischen Eisschildes besteht die konkrete Gefahr, dass durch die globale Erwärmung ein ähnlich katastrophaler Zusammenbruch eines oder mehrerer Eisschilde nicht nur zu einem schnellen und ausgeprägten Meeresspiegelanstieg, sondern auch zu abrupten Klimawechseln führt.[10]

Die Erwärmung der Arktis führte in den vergangenen Jahren auch zu einem Rückgang arktischen Meereises. Dieser Energieeintrag verändert die Temperatur des arktischen Meerwassers nicht über den Gefrierpunkt, solange Eis vorhanden ist, das schmelzen kann; denn in diesem Fall wird die zugeführte Energie durch Schmelzen von Eis über die Schmelzenthalpie des Wassers aufgenommen. Ab dem Punkt, an dem alles Eis geschmolzen ist, führt ein weiterer Energieeintrag jedoch zu einer Erwärmung des arktischen Meeres. Dieselbe Energiemenge, die für das Schmelzen von einem Gramm Eis – ohne Temperaturänderung – benötigt wird, erwärmt ein Gramm 0 °C kaltes Wasser auf knapp 80 °C.[11] Mit dem Verschwinden des Meereises wird es daher durch das Auftreten der Polaren Verstärkung in der Arktis zu einer sprunghaften Erwärmung kommen.[12]

Ein anderer Mechanismus basiert auf der Annahme, dass sich große Mengen Methan in Folge einer Erwärmung der Meere aus Methanhydrat-reichen Sedimenten und Permafrost[13][14] lösen. Infolgedessen würde es zum Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur kommen, weil Methan ein hochwirksames Treibhausgas ist. Dies würde zusätzlich zur Erwärmung beitragen und könnte so einen starken Rückkopplungseffekt im Klimasystem bewirken.[15] Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass dies während des Paläozän/Eozän-Temperaturmaximums geschehen ist.[16] Das Treibhauspotenzial von 1 kg Methan ist, auf einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet, 25 mal höher als das von 1 kg Kohlenstoffdioxid;[17] nach einer neueren Untersuchung beträgt dieser Faktor sogar 33, wenn Wechselwirkungen mit atmosphärischen Aerosolen berücksichtigt werden.[18]

Eine Simulation des California Institute of Technology deutet darauf hin, dass bei CO2-Werten um 1.200 ppm ein Zerfall niedriger Meereswolken die globale Temperaturen abrupt steigen lassen könnte.[19]

Geschichtliches

In der Forschungsgeschichte des Klimawandels konnten Details über Ausmaß und Geschwindigkeit vergangener abrupter Klimawechsel durch Analyse von Eisbohrkernen herausgefunden werden. Diese wurden ab etwa den 1970er Jahren unter anderem im Rahmen des Greenland Ice Core Project oder beim Greenland Ice Sheet Project gewonnen. Wallace Broecker erkannte als Erster die Empfindlichkeit der thermohalinen Zirkulation, die bei einer Strömungsänderung einen abrupten Klimawechsel auslösen kann und dies in der Vergangenheit mehrfach getan hatte.[20] Während eines Vortrags an der University of New Mexico im Jahr 1991 wies er in diesem Zusammenhang auf die Gefahren eines menschengemachten Klimawandels mit folgenden Worten hin:

“The climate system is an angry beast, and we are poking at it with sticks.”

„Das Klimasystem ist eine wütende Bestie, und wir reizen sie noch.“

Wallace (Wally) Broecker: Wally’s Warming Warning[21]

Dieser Ausspruch wurde zum geflügelten Wort und in der Folge mehrfach zitiert.

Siehe auch

Literatur

  • Harunur Rashid: Abrupt climate change - mechanisms, patterns, and impacts. American Geophysical Union, Washington, DC 2011, ISBN 978-0-87590-484-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. T. Aze, P. N. Pearson, A. J. Dickson, M. P. S. Badger, P. R. Bown, R. D. Pancost, S. J. Gibbs, B. T. Huber, M. J. Leng, A. L. Coe, A. S. Cohen, G. L. Foster: Extreme warming of tropical waters during the Paleocene-Eocene Thermal Maximum. In: geology. Vol. 42, Nr. 9, Juli 2014, S. 739–742, doi:10.1130/G35637.1 (englisch, gsapubs.org [PDF]).
  2. Richard E. Zeebe, Andy Ridgwell, James C. Zachos: Anthropogenic carbon release rate unprecedented during the past 66 million years. In: Nature Geoscience. Vol. 9, Nr. 4, April 2016, S. 325–329, doi:10.1038/ngeo2681 (englisch, lta.org [PDF]).
  3. Brauer, A. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Abrupte Klimawechsel und Sedimentarchive. GFZ, Potsdam 2012, S. 52–57, doi:10.2312/GFZ.syserde.02.01.10. Online
  4. National Research Council: Abrupt Climate Change: Inevitable Surprises. National Academy Press, Washington D.C. 2002, ISBN 978-0-309-07434-6, S. 244. Online
  5. National Research Council: Abrupt Climate Change: Inevitable Surprises. National Academy Press, Washington D.C. 2002, ISBN 978-0-309-07434-6., Seite 27 - Online
  6. Committee on Abrupt Climate Change, National Research Council: Definition of Abrupt Climate Change. In: Abrupt climate change: inevitable surprises. National Academy Press, Washington, D.C. 2002, ISBN 978-0-309-07434-6 (Kapitel, Inhaltsverzeichnis).
  7. Harunur Rashid, Leonid Polyak, Ellen Mosley-Thompson: Abrupt climate change: mechanisms, patterns, and impacts. American Geophysical Union, 2011, abgerufen am 17. September 2013 (ISBN 978-0-87590-484-9).
  8. WGII AR5 Glossary. In: Intergovernmental Panel on Climate Change, Arbeitsgruppe II (Hrsg.): Fünfter Sachstandsbericht, Bericht der Arbeitsgruppe II, Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. 2014 (online [PDF; abgerufen am 20. April 2014]).
  9. Stefan Rahmstorf: Rapid climate transitions in a coupled ocean–atmosphere model. 372. Auflage. Nature, 1994, S. 82–85, doi:10.1038/372082a0. Online PDF
  10. a b Paul Blanchon, John Shaw: Reef drowning during the last deglaciation: Evidence for catastrophic sea-level rise and ice-sheet collapse. In: GEOLOGY 23 Nr. 1 S. 4–8.
  11. Leifi-Physik der Joachim Herz Stiftung: Bestimmung der Schmelzwärme von Eis.
  12. M. Nicolaus, C. Katlein, J. Maslanik, S. Hendrick: Changes in Arctic sea ice result in increasing light transmittance and absorption. In: Geophysical Research Letters. Vol. 39, Nr. 24, Dezember 2012, doi:10.1029/2012GL053738 (englisch, core.ac.uk [PDF; abgerufen am 26. August 2016]).
  13. Alexey Portnov, Andrew J. Smith et al.: Offshore permafrost decay and massive seabed methane escape in water depths >20 m at the South Kara Sea shelf. Nr. 40. GRL, 2013, S. 3962–3967, doi:10.1002/grl.50735. Online PDF
  14. Max, M.D.: Natural Gas Hydrate: Coastal Systems and Continental Margins. 5. Auflage. Springer, 2000, ISBN 978-94-011-4387-5, S. 415. Online PDF
  15. James P. Kennett, Kevin G. Cannariato, Ingrid L. Hendy, Richard J. Behl: Methane Hydrates in Quaternary Climate Change: The Clathrate Gun Hypothesis. American Geophysical Union, Washington DC 2003, ISBN 0-87590-296-0 (online).
  16. Deborah J. Thomas, James C. Zachos, Timothy J. Bralower, Ellen Thomas, Steven Bohaty: Warming the fuel for the fire: Evidence for the thermal dissociation of methane hydrate during the Paleocene-Eocene thermal maximum. In: Geology. Vol. 30, Nr. 12, 2002, ISSN 0091-7613, S. 1067, doi:10.1130/0091-7613(2002)030<1067:WTFFTF>2.0.CO;2 (englisch, gsapubs.org).
  17. P. Forster, V. Ramaswamy et al.: Changes in Atmospheric Constituents and in Radiative Forcing. Science 326 Auflage. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2007, 2007, ISBN 978-0-521-88009-1, S. 212. Online (PDF; 8,0 MB)
  18. Drew T. Shindell, Greg Faluvegi, Dorothy M. Koch, Gavin A. Schmidt, Nadine Unger, Susanne E. Bauer: Improved attribution of climate forcing to emissions. In: Science. Nr. 326. AAAS, 2009, S. 716–718, doi:10.1126/science.1174760 (Online).
  19. Kyle G. Pressel, Colleen M. Kaul, Tapio Schneider: Possible climate transitions from breakup of stratocumulus decks under greenhouse warming. In: Nature Geoscience. Band 12, Nr. 3, März 2019, ISSN 1752-0908, S. 163–167, doi:10.1038/s41561-019-0310-1 (nature.com [abgerufen am 27. April 2019]).
  20. Wallace S. Broecker, George H. Denton: The role of ocean-atmosphere reorganizations in glacial cycles. In: Geochimica et Cosmochimica Acta. Vol. 53, Nr. 10, Oktober 1989, ISSN 0016-7037, S. 2465–2501, doi:10.1016/0016-7037(89)90123-3 (englisch).
  21. Wally’s Warming Warning: The Climate System Is an Angry Beast, and We Are Poking at It with Sticks auf aquadoc.typepad.com

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65 Myr Climate Change.png
Autor/Urheber: Robert A. Rohde, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Expanded view of climate change during the last five million years, showing the rapid oscillations in the glacial state.
View of climate change extending back through the last 540 million years, including many cycles of change from warm to cold and back again.

This figure shows climate change over the last 65 million years. The data are based on a compilation of oxygen isotope measurements (δ18O) on benthic foraminifera by Zachos et al. (2001) which reflect a combination of local temperature changes in their environment and changes in the isotopic composition of sea water associated with the growth and retreat of continental ice sheets.

Because it is related to both factors, it is not possible to uniquely tie these measurements to temperature without additional constraints. For the most recent data, an approximate relationship to temperature can be made by observing that the oxygen isotope measurements of Lisiecki and Raymo (2005) are tightly correlated to temperature changes at Vostok as established by Petit et al. (1999). Present day is indicated as 0. For the oldest part of the record, when temperatures were much warmer than today, it is possible to estimate temperature changes in the polar oceans (where these measurements were made) based on the observation that no significant ice sheets existed and hence all fluctuation in (δ18O) must result from local temperature changes (as reported by Zachos et al.).

The intermediate portion of the record is dominated by large fluctuations in the mass of the Antarctic ice sheet, which first nucleates approximately 34 million years ago, then partially dissipates around 25 million years ago, before re-expanding towards its present state 13 million years ago. These fluctuations make it impossible to constrain temperature changes without additional controls.

Significant growth of ice sheets did not begin in Greenland and North America until approximately 3 million years ago, following the formation of the Isthmus of Panama by continental drift. This ushered in an era of rapidly cycling glacials and interglacials (see figure at upper right).

Also appearing on this graph are the Eocene Climatic Optimum, an extended period of very warm temperatures, and the Paleocene-Eocene Thermal Maximum (labeled PETM). The PETM is very short lived high temperature excursion possibly associated with the destablization of methane clathrates and the rapid buildup of greenhouse gases in the atmosphere. Due to the coarse sampling and averaging involved in this record, it is likely that the full magnitude of the PETM is underestimated by a factor of 2-4 times its apparent height.