Abbreviaturschrift
Eine Abbreviaturschrift, auch Abkürzungsschrift genannt, ist eine Schrift, die entweder ausschließlich Buchstaben der herkömmlichen Schreibschrift (Langschrift) in unveränderter und teilweise verkürzter Form verwendet oder aus einer Mischung von Zeichen der Langschrift und stenografischen Zeichen (Halbstenografie) besteht. Eine weitere Verkürzung der Abbreviaturschriften wird durch zusätzliche Schreib- und Kürzungsregeln erreicht. Bereits in antiken Handschriften werden Prinzipien der Abbreviatur verwendet; die Nachschreiber des Mittelalters und die „Geschwindschreiber“ in der Zeit der Reformation bedienten sich verkürzter Langschriften.
Abbreviaturschriften bei Gabelsberger und Stolze
Auch Franz Xaver Gabelsberger (1789–1849), dessen Abkürzungsschrift eine Vorstufe zu seiner „Redezeichenkunst“ war, sowie Heinrich August Wilhelm Stolze (1798–1867) entwickelten unabhängig voneinander Abbreviaturschriften.
Gabelsberger hatte die Absicht, eine Abkürzungsschrift drucken zu lassen, der er 1840 die Bezeichnung „Deutsche Abbreviaturschrift usw.“ gab, 1841 dann „Entwurf zu einer vereinfachten kurzen Konzept-Schrift“; er kam jedoch nicht dazu. In diesem Entwurf verwendete er vereinfachte Zeichen der damaligen gewöhnlichen Schreibschrift. Gabelsberger verkleinerte das runde s auf ein Ringelchen, wodurch die stenografische Form entsteht. Die Selbstlaute lässt er entweder weg oder er deutet sie durch Verlängerung, Wölbung des Bindestrichs u. a. am Mitlautzeichen an. Manche Kurzformen setzt er über oder unter die Schreiblinie.
Wilhelm Stolze zeigte bei einem Vortrag in der Polytechnischen Gesellschaft in Berlin eine abgekürzte Langschrift. Diese Schrift sollte jedoch nur zur Erlernung der Stenografie motivieren und auf deren Erlernung vorbereiten. Eine Veröffentlichung hatte er von vornherein nicht geplant.
Neuere Veröffentlichungen
Neuere Abbreviaturschriften sind Speedwriting, die Deutsche Notizschrift von Georg Paucker sowie die Neue Notizschrift von Karl Wilhelm Henke und Konrad Weber.
Vor- und Nachteile
Die meisten Abbreviaturschriften wurden mit der Absicht entwickelt, zu Gunsten einer leichteren Erlernbarkeit völlig ungewohnte Zeichen, wie sie in Vollstenografiesystemen vorkommen, zu vermeiden. Durch die Beibehaltung der vertrauten langschriftlichen Zeichen – zum Teil mit Vereinfachungen der Schriftzüge – soll es dem Lernenden erleichtert werden, eine Abkürzungsschrift zu erlernen. Von Nachteil ist jedoch, dass die langschriftlichen Buchstaben trotz vieler Vereinfachungen und Verkürzungen ihrer Formen zu lang sind, um eine entscheidende Kürze der Schrift zu erreichen. Ein umfangreiches Regelwerk mit vielen Auslassungs-, Verkürzungs- und Sonderregeln ist somit unumgänglich und folglich bei den meisten Abbreviaturschriften mit einem großen Lernaufwand verbunden. Eine zumindest dreifache Steigerung der langschriftlichen Schreibgeschwindigkeit, also ab 120 Silben pro Minute, kann bei entsprechender Einübung jedoch erzielt werden.
Literatur
- Christian Johnen: Allgemeine Geschichte der Kurzschrift. 3. Auflage. Berlin 1928.
- Hans Karpenstein: Was ist „Speedwriting“? In: Der Stenografielehrer. Wissenschaftliche Monatsschrift zur Förderung des Unterrichts in Kurzschrift, Maschinenschreiben und verwandten Gebieten. Nr. 12, 1966, S. 297–306.
- Branko Kojic: Stenografie als Notizschrift. In: Bericht des 34. Intersteno-Kongresses 1981 vom 18. bis 24. Juli in Mannheim. o. O. (1981), S. 104.
- Walter Kaden: Neue Geschichte der Stenographie. Von der Entstehung der Schrift bis zur Stenographie der Gegenwart. Dresden 1999, DNB 961534982.
- Franz Moser u. a.: Lebendige Kurzschriftgeschichte. Ein Führer durch Kurzschriftlehre und Kurzschriftgeschichte. 9. Auflage. Darmstadt 1990, ISBN 3-8045-8708-9.
- L. Schneider u. a.: Geschichte der deutschen Kurzschrift. Wolfenbüttel 1936.