Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2006

2002Abgeordnetenhauswahl 20062010
Ergebnis (in %) [1]
 %
40
30
20
10
0
35,38
32,32
12,81
7,23
6,29
2,09
3,90
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2002
 %p
 12
 10
   8
   6
   4
   2
   0
  -2
  -4
  -6
  -8
+10,91
+2,12
−5,70
−7,04
+3,93
−0,69
−3,51
Sitzverteilung
Insgesamt 200 Sitze

Die Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2006 fand am 2. und 3. Juni 2006 statt. Bei der Wahl wurden die Mitglieder des Abgeordnetenhauses neu bestimmt.

Wahlsystem

Das Abgeordnetenhaus wurde nach dem Verhältniswahlverfahren gewählt. Es gab eine Sperrklausel von 5 %. Die Legislaturperiode betrug 4 Jahre.

Teilnehmende Parteien

Zur Wahl traten insgesamt 26 verschiedene Parteien an.

Umfragen

InstitutDatumODSČSSDKSČMKDU-ČSLSZSNK-EDUS-DEUSonstige
CVVM[2]19.05.200632,0 %28,0 %15,5 %5,5 %10,5 %2,5 %0,5 %5,5 %
CVVM[3]20.04.200631,5 %27,0 %15,5 %11,5 %12,0 %2,5 %
CVVM[4]24.03.200632,5 %26,5 %16,0 %8,0 %13,0 %0,5 %0,5 %3,0 %
CVVM[5]01.03.200636,0 %29,0 %14,5 %10,0 %8,0 %0,5 %0,5 %1,5 %
CVVM[6]02.02.200636,0 %35,0 %14,5 %8,0 %3,0 %1,0 %2,5 %
CVVM[7]22.12.200537,0 %30,5 %16,0 %10,0 %3,5 %0,5 %2,5 %
CVVM[8]01.12.200533,5 %31,5 %16,5 %10,0 %4,5 %0,5 %3,5 %
CVVM[9]01.11.200537,0 %28,5 %18,5 %9,5 %3,0 %1,0 %2,5 %
CVVM[10]22.09.200537,5 %29,5 %16,0 %8,0 %4,0 %1,0 %4,0 %
CVVM[11]28.07.200537,5 %24,0 %18,0 %10,5 %2,5 %1,0 %5,5 %
Abgeordnetenhauswahl06.200224,5 %30,2 %18,5 %14,3 %2,4 %2,8 %7,0 %

Wahlergebnis

Wahlgewinner nach Region:
  • ODS
  • ČSSD
  • Die Demokratische Bürgerpartei (ODS) war der eindeutige Sieger der Wahl. Sie erhielt mit 35,38 % der abgegebenen Stimmen die meisten Sitze im Abgeordnetenhaus und verzeichnete zugleich den größten Stimmenzuwachs von 10,91 %. Einen leichten Zuwachs an Stimmen erhielt auch die Tschechische Sozialdemokratische Partei (ČSSD), sie wurde aber trotzdem nur noch zweitstärkste Kraft. Deutliche Stimmenverluste verzeichneten die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM). Die Christdemokratische Volkspartei (KDU-ČSL) musste zwar ebenfalls Stimmenverluste hinnehmen, da sie 2002 aber in einem Bündnis und einer gemeinsamen Wahlliste mit der Freiheitsunion angetreten war, wurden diese Verluste nicht als allzu stark gewertet: Während die KDU-ČSL nur leicht hinter ihren Ergebnissen zurückblieb, die sie traditionell vor 2002 als Einzelpartei eingefahren hatte, bedeutet diese Wahl das faktische Verschwinden der bisherigen Regierungspartei Freiheitsunion von der politischen Bildfläche. Auf sie entfielen lediglich 0,3 % der Stimmen. Dafür schaffte die Partei der Grünen (SZ) mit 6,29 % erstmals den Sprung über die 5 %-Hürde und zog somit ins Parlament ein.

    Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl in Tschechien 2006
    ParteiStimmenSitze
    Anzahl%+/−Anzahl+/−
    Demokratische Bürgerpartei (ODS)1.892.47535,38+10,9181+23
    Tschechische Sozialdemokratische Partei (ČSSD)1.728.82732,32+2,1274+4
    Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM)685.32812,81−5,7026−15
    Christliche und Demokratische Union – Tschechoslowakische Volkspartei (KDU-ČSL)386.7067,23−7,0413−18
    Partei der Grünen (SZ)336.4876,29+3,936+6
    SNK Europäische Demokraten (SNK-ED)111.7242,09−0,69
    Unabhängige Demokraten (NEZ/DEM)36.7080,69NeuNeu
    Unabhängige33.0300,62NeuNeu
    Partei der Vernunft (SZR)24.8280,46+0,24
    Rechter Block (PB)20.3820,38−0,21
    Freiheitsunion – Demokratische Union (US-DEU)16.4570,31−10
    Recht und Gerechtigkeit (PaS)12.7560,24NeuNeu
    Moravané (M)12.5520,23NeuNeu
    Partei für Chancengleichheit (SRŠ)10.8790,20NeuNeu
    Nationale Partei (NS)9.3410,18NeuNeu
    Koalition für die Republik (KpČR)8.1400,15NeuNeu
    Tschechische Krone ("KČ")7.2930,14NeuNeu
    Balbíns poetische Partei (BPS)6.8970,13−0,06
    4 VIZE - www.4vize.cz3.1090,06NeuNeu
    Tschechische Nationalsozialistische Partei (ČSNS 2005)1.3870,03NeuNeu
    Helax - Ostrava se baví (HOB)1.3750,03NeuNeu
    Humanistische Partei (HS)8570,02NeuNeu
    Folklore und Gesellschaft (FiS)5740,01NeuNeu
    Tschechische Rechte (ČP)3950,01−0,03
    Liberale Reformpartei (LiRA)2530,00NeuNeu
    Tschechische Bewegung für nationale Einheit (ČHNJ)2160,00NeuNeu
    Gesamt5.348.976100,00200
    Gültige Stimmen5.348.97699,64+0,08
    Ungültige Stimmen19.5190,36−0,08
    Wahlbeteiligung5.368.49564,47+6,47
    Nichtwähler2.964.81035,53−6,47
    Wahlberechtigte8.333.305
    Quelle: Tschechisches Statistisches Amt[1]

    Regierungsbildung

    Nach der Wahl war die Tschechische Republik durch eine Pattsituation gelähmt: das "bürgerliche" Lager (ODS, KDU-ČSL, SZ) und das "linke" Lager bestehend aus ČSSD und KSČM hatten je 100 Sitze. Sowohl der amtierende Ministerpräsident Jiří Paroubek als auch der ODS-Vorsitzende Mirek Topolánek erhoben Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten. Es kam zu einer Verfassungskrise, weil das neugewählte Parlament sich wochenlang nicht konstituiere. Kein Kandidat für das Amt des Präsidenten der Abgeordnetenkammer fand eine Mehrheit. Die vom bürgerlichen Lager vorgeschlagenen Kandidaten Miroslava Němcová und alle aufgestellten Ersatzkandidaten scheiterten an der Geschlossenheit des linken Lagers. Im Rahmen eines Kompromisses zwischen beiden Lagern wurde zunächst der Sozialdemokrat Miloslav Vlček "kommissarisch" zum Parlamentspräsidenten gewählt, um wenigstens die Konstituierung des Parlamentes zu ermöglichen. Vlček blieb dann allerdings bis kurz vor den folgenden Parlamentswahlen 2010 im Amt.

    Auch die Regierungsbildung war schwierig. Der nach der Konstituierung des Parlamentes nur noch kommissarisch amtierende Ministerpräsident Jiří Paroubek spekulierte auf eine Fortsetzung seiner bestehenden Regierung mit der KDU-ČSL als Minderheitsregierung unter stillschweigender Duldung der KSČM.[12] Dies wurde von den Christdemokraten jedoch abgelehnt. Staatspräsident Václav Klaus beauftragte daher im September 2006 den ODS-Vorsitzenden Mirek Topolánek mit der Regierungsbildung. Dieser hoffte mangels bürgerlicher Mehrheit auf eine Minderheitsregierung und auf eine Unterstützung durch die Sozialdemokraten mittels eines Oppositionsvertrages. Seine aus ODS-Vertretern und Parteilosen gebildete Regierung wurde jedoch wegen des Widerstandes der Sozialdemokraten vom Parlament nicht bestätigt. Anfang 2007 (230 Tage nach der Wahl) konnte Topolánek schließlich eine mehrheitsfähige Regierung zusammen aus ODS, KDU-ČSL und SZ bilden, weil zwei Abgeordnete die ČSSD-Fraktion verlassen hatten und die Regierung stillschweigend duldeten.[13]

    Diese Regierung wurde Im Frühjahr 2009 durch ein destruktives Misstrauensvotum gestürzt. Es kam zur Bildung einer parteilosen Übergangsregierung unter Jan Fischer, die das Land bis zur vorgezogenen Neuwahl im Oktober 2009 führen sollte, die durch eine Selbstauflösung der Kammer ermöglichte werden sollte. Diese Neuwahl wurde Anfang September aber vom Verfassungsgericht gestoppt, weil die tschechische Verfassung zum Beginn der Legislaturperiode kein Selbstauflösungsrecht der Abgeordnetenkammer vorgesehen hatte und das gewählte Parlament daher Bestandsschutz genoss. Das Verfassungsgericht hatte bereits 1998 eine Parlamentsselbstauflösung als „Ausnahmefall“ ermöglicht und den Verfassungsgesetzgeber aufgefordert, ein Selbstauflösungsrecht explizit in der Verfassung zu verankern, wenn es gewünscht wäre. Das war jedoch nicht geschehen. Die Legislaturperiode dauerte daher bis zur regulären Wahl im Mai 2010 und die Regierung Fischers blieb weiter im Amt.

    Weblinks

    Einzelnachweise

    1. a b Offizielles Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2006 Tschechisches Statistisches Amt (Englisch)
    2. Voličské preference v květnu 2006 (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    3. Stranické preference v dubnu 2006 (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    4. Stranické preference v březnu 2006 (Memento vom 6. Januar 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    5. Stranické preference v únoru 2006 (Memento vom 8. Januar 2017 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    6. Stranické preference v lednu 2006 (Memento vom 2. November 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    7. Stranické preference v prosinci 2005 (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    8. Stranické preference v listopadu 2005 (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    9. Stranické preference v říjnu 2005 (Memento vom 7. Dezember 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    10. Stranické preference v září 2005 (Memento vom 7. Dezember 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    11. Stranické preference na přelomu června a července 2005 (Memento vom 7. Dezember 2016 im Internet Archive) CVVM, PDF-Datei (tschechisch)
    12. Christdemokraten brechen Verhandlungen ab - Tschechien auf dem Weg zu Neuwahlen. radio.cz. 28. August 2006. Abgerufen am 1. Februar 2014.
    13. Sieben Monate nach den Wahlen: Endlich ein Kabinett. radio.cz. 22. Januar 2007. Abgerufen am 1. Februar 2014.

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