Abdrift (Pflanzenschutz)

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Spritze um 1958 mit sehr hoher Abdrift
Spritze im Jahr 2010 mit niedriger Abdrift

Unter Abdrift oder Abtrift wird der Anteil der ausgebrachten Pflanzenschutzmittelmenge verstanden, der während der Applikation nicht innerhalb des behandelten Areals angelagert wird.[1][2]

Mögliche Ursachen

Für Abdrift von Pflanzenschutzmitteln gibt es diverse, vor allem technische und meteorologische Ursachen:

  • Fahrgeschwindigkeit: In der Regel sollten Fahrgeschwindigkeiten von 6 bis 8 km/h nicht überschritten werden. Ansonsten gehen vor allem die kleineren Tropfen nicht mehr sicher zu Boden, sondern verwirbeln sich hinter der Spritze.
  • Spritzhöhe: Der optimale Abstand der Düse zur Zielfläche wird vor allem durch den Austrittswinkel der Düse bestimmt. In der Regel besitzen heutige Düsen einen Spritzkegel von 120 Grad. Bei solchen Düsen wird ein Abstand von etwa 50 cm zur Zielfläche empfohlen, bei 80-Grad-Düsen sind es 75 cm Abstand.
  • Temperatur, Luftfeuchte: Dauerhafte Temperaturen über 25 °C und relative Luftfeuchten unter 30 % führen zu erheblichen Mittelverlusten durch Abdrift und sind für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln daher nicht geeignet.[3]
  • Tropfengröße: Die Tropfengröße ist der relevanteste Einflussfaktor. Wird eine Flüssigkeit mithilfe einer Düse verteilt, entstehen verschiedene Tropfengrößen. Insbesondere die kleineren Tropfen sind diejenigen mit der höchsten Abdriftgefahr. Je kleiner die Düse gewählt wird und je höher der Spritzdruck und somit der Ausstoß je Sekunde ist, desto kleiner fallen die Tropfen in der Regel aus. Insbesondere Tropfen mit einer Größe unter 200 Mikrometer sind gefährdet.
  • Wasseraufwandmenge: Bei den Wasseraufwandmengen geben Pflanzenschutzmittelhersteller Hinweise auf die optimale Wasseraufwandmenge. Wird diese Menge unterschritten, wird auch der Anteil Pflanzenschutzmittel, der von Abdrift betroffen ist, höher. Zudem müssen wegen der geringeren Aufwandmenge kleinere Düsen verwendet werden, was ebenfalls die Abdrift erhöhen kann.
  • Windgeschwindigkeit: Bei Windgeschwindigkeiten über 3 m/s sollte Pflanzenschutz nach Möglichkeit unterbleiben, bei Windgeschwindigkeiten über 5 m/s ist eine Behandlung nicht mehr vertretbar.

Folgen der Abdrift

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Das Herbizid, welches auf dem linken Acker angewendet wurde, ist teils auf das Getreidefeld rechts abgedriftet und hat dort Pflanzen zerstört
  • Luftverschmutzung: Über die Luft können Pestizide weite Strecken zurücklegen.[4][5] Tiere und Menschen können durch diese Abdrift belästigt oder geschädigt werden.[6]
  • Schäden an empfindlichen Nachbarkulturen können auftreten. So werden Zuckerrüben regelmäßig durch den Wirkstoff MCPA geschädigt oder vollständig zerstört, wenn es bei der Distelbekämpfung in benachbartem Getreide eingesetzt wird. Insbesondere wenn biologisch bewirtschaftete Flächen getroffen werden, ist das Schadensausmaß groß, falls die Partie nicht als biologisch erzeugt anerkannt wird.
  • Bodenkontamination: Eine 2019 publizierte Studie der Universität Neuenburg wies bei 93 % der im Schweizer Mittelland untersuchten Bio-Böden und Pflanzen Neonicotinoide nach. Dadurch könnten der Studie zufolge bis zu 7 % der Nützlinge geschädigt werden.[7]
  • Gewässerverschmutzung: Auch Gewässer können kontaminiert werden. In vielen kleinen Bächen werden immer wieder starke Pestizidbelastungen gemessen, welche die zugelassenen Grenzwerte teilweise bei weitem übersteigen.[8][9]
  • Durch die Zufallsverteilung kommt es zu kleinflächigen Über- und Unterdosierungen. Bei Herbizidausbringung kann es durch Überdosierung zu Schäden an der Kultur selbst kommen. Resistenzen von nicht ausreichend getroffenen Schadorganismen können die Folge von Unterdosierungen sein.

Möglichkeiten der Abdriftminimierung

Luftinjektordüsen: Einlass links, Luftloch zeigt auf den Betrachter, nach rechts spritzen die Düsen

Abdriftminderungsklassen Feldbau

Pflanzenschutzdüsen werden nach Abdriftminderungsklassen eingeteilt: Je nach Düsenbauart, Druck, Wasseraufwandmenge und Fahrgeschwindigkeit können Düsen mit 50 %, 75 % oder mit 90 % Abdriftminderung eingesetzt werden.[10] Abstandsauflagen zu z. B. Gewässern sind teils abhängig von der Abdriftminderungsklassen; je höher die Abdriftminderung, desto geringer kann der nicht behandelte Streifen ausfallen. Nachteilig kann es je nach Düse sein, dass das Tropfenspektrum sehr grob wird und damit die Benetzung der Zielpflanzen leidet.[11] Insbesondere Luftinjektordüsen haben teils Probleme mit der biologischen Wirksamkeit.

Zeitpunkt der Applikation

In den Morgen- und Abendstunden sind die Temperaturen gemäßigt, und teils legt sich auch der Wind ein wenig. Moderne Techniken wie GPS-gesteuerte Teilbreitenschaltung und Einzeldüsenbeleuchtung machen Behandlungen in der Dunkelheit einfacher. In der Bevölkerung hört man öfters die These Die Bauern spritzen nachts, weil sie dann die verbotenen Mittel verteilen. Es ist jedoch genau umgekehrt: Gerade diejenigen Landwirte spritzen in der Dunkelheit, welche die positiven Effekte wie Windstille während der Dämmerung ausnutzen.

Verzicht auf Flugzeugbehandlungen

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Behandlung von Weinreben in den 1950er Jahren

Durch die enorme Flughöhe und Geschwindigkeit sind Sprühflugzeuge äußerst kritisch zu sehen.[12]

Staatliche Regulierung

Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln werden Abdrifteckwerte berücksichtigt, welche zwischen 1989 und 1999 vom Julius-Kühn-Institut in 122 durchgeführten Abdriftversuchen ermittelt wurden.[13][14]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bildungswerkstatt Mold
  2. Grobtropfige Applikation mit Injektordüsen (ID). Langjährige Versuche zu Wirksamkeit und Pflanzenverträglichkeit – Teil 1 – Werner Rizzolli, Alex Acler, Versuchszentrum Laimburg
  3. Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz, Broschüre des BML, abgerufen am 6. Januar 2014
  4. Tina Berg: Pestizide: Gefahr in der Luft. In: beobachter.ch. 27. März 2019, abgerufen am 4. Mai 2019.
  5. Pestizide aus Südtirol belasten Luft in der Schweiz. In: umweltinstitut.org. 2. Oktober 2020, abgerufen am 3. Oktober 2020.
  6. Pestizide auf Spielplätzen. In: tageszeitung.it. 21. Mai 2019, abgerufen am 21. Mai 2019.
  7. 93 Prozent der Bio-Felder sind verseucht. In: 20min.ch. 7. April 2019, abgerufen am 25. April 2019.
  8. Jorge Casado, Kevin Brigden, David Santillo, Paul Johnston: Screening of pesticides and veterinary drugs in small streams in the European Union by liquid chromatography high resolution mass spectrometry. In: Science of The Total Environment. 670, 2019, S. 1204, doi:10.1016/j.scitotenv.2019.03.207.
  9. Andri Bryner: Zu viele Pflanzenschutzmittel in kleinen Bächen. In: eawag.ch. 2. April 2019, abgerufen am 4. Mai 2019.
  10. LWK NRW Abdriftminderungsklassen.
  11. LUA Landesumweltamt NRW (Hrsg.): Gewässergütebericht 1997. Kapitel 4.1.1.3 Abtrift bei der Ausbringung, Tabelle 16: Tropfendurchmesser verschiedener Düsen bei unterschiedlichem Druck. Gewässergütebericht 1997 (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.today)
  12. JKI, Seite 56 (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  13. Website des Julius-Kühn-Instituts - Schlagwort Abdrifteckwerte; zuletzt abgerufen am 6. Dezember 2022.
  14. Website des Umweltbundesamtes - Schlagwort Pflanzenschutzmittel in der Umwelt, zuletzt abgerufen am 6. Dezember 2022

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Bundesarchiv Bild 183-11158-0008, Bratislava, Insektenbekämpfung in Weingärten.jpg
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Bratislava, Insektenbekämpfung in Weingärten Aufn. Illus II 557.AV Hein-Mo Berlin W 8 3.7.1951 Insektenbekämpfung durch Flugzeuge in den tschechoslowakischen Weingärten. Zur Bekämpfung der von Insekten und Krankheiten befallenen Weinstöcke in den tschechoslowakischen Weingärten, ließ die Landwirtschaftliche Genossenschaft in Bratislawa die Weingärten durch Flugzeuge mit besonderen chemischen Mitteln, "Verzol" und "Dynovad" genannt, besprengen. Die Sprengmethode der nach sowjetischem Vorbild ausgerüsteten Flugzeuge, ersetzt die Tagesarbeit von 80 Menschen. UBz: Langsam fliegt das Flugzeug über die Weingärten und besprengt die von Insekten befallenen Weinstöcke mit dem chemischen Mittel.
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LPG Groß-Rosenberg, Insektenbekämpfung Zentralbild Biscan 5.6.1958 Moderne Pflegegeräte für unsere Landwirtschaft. Ein Erfahrungsaustausch über die Pflegearbeiten vereinte in Gross-Rosenberg, Kreis Schönebeck, Genossenschaftsbauern, werktätige Einzelbauern, Traktoristen und Landmaschinentechniker am 5.6.1958 zu einer Aussprache über Arbeitsmethoden und neue Maschinen. UBz: Traktorist Dieter Wiederhold vom Stützpunkt Breitenhagen der MTS Zuchau führte das neue Spritzgerät S-084 vor, das zur Unkraut- und Schädlingsbekämpfung verwendet werden kann. Das Gerät hat eine Arbeitsbreite von 8 Metern und ist unmittelbar an den Traktor RS 14-30 angebaut, hat keine eigenen Räder und hinterlässt somit keine Spur. Das Aggregat beim Einsatz auf einem Kartoffelfeld der LPG "Frohe Zukunft" in Gross-Rosenberg, Kreis Schönebeck.
New Holland TL 90 and field sprayer 1.jpg
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New Holland TL 90 with a field sprayer on a Narcissus field in Europe (the Netherlands presumably)
Lechler ID.JPG
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ID 120-03 (blau) und ID 120-05 (braun), Düsen der Firma Lechler zum Einsatz in Pflanzenschutzspritzen
Direktsaat Probleme002.JPG
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Direktsaat als Erosionsschutz, Kanton Bern, Schweiz
Neben den positiven Eigenschaften der Direktsaat bezüglich Erosionsschutz kann Direktsaat auch (sichtbar) zu Problemen führen. Häufig werden Flächen mit einem Totalherbizid abgespritzt. Die gelb bis braun verfärbten Felder stossen bei der Bevölkerung auf Ablehnung oder führen zu Nachfragen. Problemunkräuter wie Ackerschachtelhalm können verstärkt auftreten.