-leben

-leben ist ein in Deutschland vorkommender Bestandteil von Ortsnamen, der besonders im östlichen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehäuft auftritt. Der hochdeutsche Ortsnamenteil -leben hatte im Mittelniederdeutschen meist die Form -leve, im Ostfälischen gibt es die Varianten -lewwe/-lebbe und -lä/-lee (vgl. Harrislee). Bedeutungsgleiche Ortsnamenendungen gibt es auch in Skandinavien. Im Dänischen lautet der Namensbestandteil -lev und im Schwedischen -löv.

Bedeutung

Die Grundbedeutung von -lev oder -löv ist „etwas Überlassenes, Zurückgelassenes“ (vgl. englisch to leave), woraus sich dann die Bedeutung „Erbe“ entwickelte. In beiden Fällen kann der erste Teil des Ortsnamens eine Person bezeichnen, nämlich diejenige, die etwas hinterlassen oder vererbt hat.[1][2][3]

Eindeutschung ursprünglich slawischer Ortsnamen

Im sorbischen Sprachraum wurde eine slawische Endung -slav’ oft sekundär an die bestehende mittelniederdeutsche Endung -leve oder an die mittelhochdeutsche Endung -leibe(n) angepasst.[4] So gehen die Ortsnamen Blattersleben, Jersleben (Kreis Wolmirstedt) und Pripsleben (Kreis Demmin, Vorpommern) aus den rekonstruierten Ortsnamen *Bratroslav’, *Jaroslav’ und *Pribyslav’ zurück.[4]

Verbreitung

Die ältesten Ortsnamen mit der Endung -lev oder -löv könnten aus der Zeit der Völkerwanderung stammen.[1]

Kontinentaleuropäisch

Weit verbreitet ist -leben im Thüringer Becken (z. B. Ebeleben, Elxleben, Merxleben, Walschleben, Grabsleben). Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt etwa 70 und in Thüringen etwa 50 Gemeinden, die auf -leben enden. Eine große Zahl von -leben-Orten gibt es in Ostfalen (vor allem zwischen Helmstedt und Magdeburg), wie Alleringersleben, Aschersleben, Aseleben, Ausleben, Bansleben, Barleben, Bartensleben, Dahlenwarsleben, Dedeleben, Domersleben, Dreileben, Eichenbarleben, Eilsleben, Eimersleben, Erxleben, Fallersleben, Grasleben, Groß Rodensleben, Haldensleben, Hillersleben, Hohendodeleben, Hötensleben, Ingeleben, Ingersleben, Irxleben, Jersleben, Morsleben, Nordgermersleben, Ohrsleben, Oschersleben, Ostingersleben, Ottersleben, Rottmersleben, Sambleben, Uhrsleben, Wanzleben, Wefensleben, Wegeleben, Wetzleben, Wolmirsleben, Wormsleben.

Einzelbeispiele lassen sich mit Alsleben und Unsleben im äußersten Norden Bayerns finden.

Vorkommen in Skandinavien

Im skandinavischen Gebiet kann man wohl immer von einem germanischen Ursprung ausgehen. In Dänemark und Schweden kommen Ortsnamenendungen vor, die der deutschen Endung -leben etymologisch entsprechen:

Diese Endung hat ihren Schwerpunkt auf Sjælland (Seeland), kommt aber auch auf den anderen dänischen Inseln, in Jütland mitsamt Südschleswig und in Schonen vor, jedoch nicht auf Bornholm und in Blekinge.[1] Im Norden ist diese Endung an der schwedischen Westküste bis zum Göta-Fluss und bis zum Vänern-See verbreitet. Das nördlichste gesicherte Vorkommen ist der Pfarrgemeindename Häggesled (in der Gemeinde Lidköping). Dieser Ortsname wurde 1363 als Heggislefh erwähnt.[1]

Als unwahrscheinlich darf eine geschichtliche Verknüpfung der beiden Vorkommensgebiete gelten. Denkbar sind hier parallele Bildungen auf der Grundlage eines gemeinsamen Etymons.[1][2]

Einzelbelege

  1. a b c d e f Harry Ståhl: Ortnamn och ortnamnsforskning. Andra upplagan, Uppsala 1976, ISBN 91-20-04466-6, S. 63 ff.
  2. a b Birgit Schönwälder: Die „-leben“-Namen. Heidelberg 1993, ISBN 3-8253-0043-9.
  3. Was bedeutet -leben in Ortsnamen? mdr Thüringen, abgerufen am 28. Januar 2020.
  4. a b Walter Kaestner, Niederdeutsch-slavische Interferenzen. In: Handbuch zur niederdeutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, hrsg. von Gerhard Cordes und Dieter Möhn. Berlin 1983, ISBN 3-503-01645-7, S. 678–729, hier S. 709 (Abschnitt 3.1.2.3).

Literatur

  • Gundhild Winkler: Einstämmige stark flektierende Kurznamen als Bestimmungswörter in den Ortsnamen auf -"leben". In: Namenkundliche Informationen 98. 2010, S. 107–120. online
  • Max Bathe: Die Ortsnamen auf -"leben". Unveröffentlichtes Manuskript, Berlin (ohne Jahr), ca. 600 Seiten (die umfassendste Untersuchung zu den -leben-Namen).
  • Jürgen Udolph: Namenkundliche Studien zum Germanenproblem. I. Grundwörter germanischer Siedlungsnamen. 7. leben/lev. Berlin/New York 1994, S. 497–513, kostenpflichtig über GAO, De Gruyter Online.
  • Max Bathe: Die Ortsnamen auf -"leben" sprachlich. In: Forschungen und Fortschritte 27. 1953, S. 51–55.
  • Gundhild Winkler: Die Ortsnamen auf –"leben" – Versuch einer Typologie und Analyse. In: Namenkundliche Informationen 95/96. 2009, S. 209–232. online