-heim
-heim ist ein häufiger Bestandteil von Ortsnamen. Er bezieht sich oft auf die Wohnstätte einer namentlichen Person oder weist auf einen sachlichen Zusammenhang hin. Am Niederrhein im altfränkischen Mundartraum wurde die Endsilbe oft zu „-um“ abgeschliffen (z. B. Bockum statt Bockheim). Ortsgründungen mit der Namensendung -heim sind typisch für Siedlungsgründungen während der fränkischen Landnahme im späten 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr. und den anschließenden Ausweitungen des Frankenreiches auf Bayern und später Österreich und Sachsen bis zum 9. Jahrhundert n. Chr.
Namenkunde
Dieser gemeingermanische Ortsnamentyp geht auf germanisch *haima, *heimi „Siedlung, Ansitz, Wohnort, Wohnsitz“ sowie „Heimat“ (als rechtlicher Begriff des Wohnrechts) und indogermanisch *kei- „liegen, Lager“ zurück. Er bezeichnet im deutschen Sprachraum nach der Völkerwanderungszeit zumeist Siedlungen germanischer Gruppen in der appellativischen Bedeutung „Flecken, Dorf“. Eine Festlegung des Bildungstyps auf galloromanische Einflüsse, d. h. auf das fränkische Siedlungsgebiet lehnt die jüngere Namensforschung ab. Ortsgründungen mit der Namensendung -heim scheinen allerdings schon typisch für Siedlungsgründungen während der fränkischen Landnahme im späten bis 7. Jahrhundert zu sein. Da die Grundwörter der Ortsnamen im Laufe der Geschichte oft bis zur Unkenntlichkeit verschliffen wurden (z. B. zu -em, -en, -um, -om), sind sie von Suffixen zum Teil nicht mehr zu unterscheiden, so dass in vielen Fällen nur die ältesten urkundlichen Belege eine sichere Zuordnung erlauben.[1]
Der typische Heim-Ortsname besteht in der Regel aus Personenname mit Genitivendung und heim und gibt damit einen Hinweis auf frühe Personennamen der einnamigen Schichten. Beispielsweise wurde aus Gaisbot + es + heim das heutige Gabsheim.[2] Frühe Schreibungen des Ortsnamen sind Caisbotesheim, Keisbotesh(eim), Gesbotsheim oder Cheisbotesheim (Lorscher Codex[3]) Folgende Beispiele sind typische frühe Personennamen: Algolsheim (Agolf), Andolsheim (Andolf), Arnheim (Arno), Artzenheim (Azzo), Baldersheim (Baldur), Dittenheim (Tito), Egisheim (Egis), Hattenheim (Hadur, Hadir), Heidenheim (Heido), Mannheim (Manno), Marckolsheim (Marko), Meinheim (Meino, Megino) oder Sammenheim (Sammo).
Daneben finden sich auch mit Sachwörtern gebildete Formen des Heim-Ortsnamen. Zu nennen sind die Formen Stätte der Tätigkeit + heim, und Flur + heim wie etwa Kirchheim und Bergheim. Eine Stätte der Tätigkeit mit heim wird ersichtlich im Ortsnamen Kirchheim. Um einen Flurnamen mit -heim handelt es sich beim Ortsnamen Bergheim. Weitere Bildungen auf Stätten von Beruf und anderen Tätigkeiten (indirekter Berufsname) sind zum Beispiel Sennheim und Mühlheim. Bildungen mit Flurformen sind zum Beispiel das zuvor genannte Bergheim, Auenheim, Bolheim, Bruchheim (Bréhain), Talheim, und Wertheim (von Wurt, künstlicher Hügel). Mit Sachwörtern wurden etwa im thüringischen Raum die Ortsnamen auf -heim gebildet. Die thüringischen Ortsnamen wie Flarchheim, Griesheim, Hochheim, Kirchheim, Schlotheim, Stotternheim und Wangenheim sind dem Ortsnamentyp auf -heim zuzuordnen. Der Siedlungsname Ebenheim dagegen entstand durch Umdeutung eines ursprünglichen Namens auf -hain.[4] In Personennamen als Herkunftsnamen sind die Formen oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt: Etwa Gebetshammer zu Gebhardsheim, Herkommer zu Herkheim, Krauthahn (zu Kreutheim) oder Arnim (zu Arnheim).[5]
Namensvarianten
- -heim, -heimen, -heym, -haim, -haimen
- -ham, -am, -kam (oberdeutsch)
- -hem, -em (niederdeutsch, niederrheinisch)
- -um (friesisch, niederdeutsch, niederrheinisch)
- -om (Lothringen)
Verbreitung
Als Ortsname im Südwesten und Westen des deutschen Sprachraums.[5]
- Zentren der Form -heim liegen im Ruhrgebiet und am Niederrhein (Region), dem ganzen Rheingebiet von Basel bis in den Frankfurter Raum – eine nördliche Gruppe von Bingen bis Landau (Pfalz[6][7] und Vorderpfalz) und eine südliche im Elsass von Hagenau bis Basel – und den Untermain bis in die Wetterau, am Mittelmain um Würzburg, um Heilbronn und Stuttgart, im Quellbereich der Donau auf der Alb, um Ulm und Augsburg, im Donauried und der Ries[8], auf der Fränkischen Alb im Raum Nürnberg und um Landshut, sowie im Harz – Streufunde in diesem ganzen Raum.
- Die Form -em hängt offensichtlich eng mit der Form auf -um zusammen. Die Ortsnamen auf -um sind wohl oft Latinisierungen von Ortsnamen auf -em (aus -heim), wie es heute noch auf den nordfriesischen Nordseeinseln Sylt und Föhr vorkommt. Dort weisen die auf -um endenden hochdeutschen Ortsnamen auf Friesisch heute noch die Endung -em auf, etwa Hörnum/Hörnem, Morsum/Muasem, Tinnum/Tinem. Da Latein geschrieben wurde und nicht Friesisch, konnten die Namen so dekliniert werden. Ebenso ist das wohl auch bei Bochum der Fall. Vergleichbar ist die Herkunft dieser Form mit dem bekannten Mannheim, welches im lokalen Dialekt Mannem heißt und dem Frankfurter Stadtteil Bornheim, der auf Frankfurterisch Bernem genannt wird.
- Die Form -(h)am konzentriert sich im Oberbayerischen südlich von München, den unteren Inn bis Passau und im Innviertel über den Hausruck bis in das Salzkammergut und markiert den frühen baiuwarischen Kernsiedlungraum. Vgl. auch englische Ortsnamen wie Birming-ham (aus Beormaham = Heim der Sippe des Beorma).
- -um findet sich in Friesland, am Niederrhein (NRW), am Unterrhein zwischen Gouda und Arnhem, in Limburg sowie ebenfalls am Harz nördlich der heim-Formen mit einer Häufung zwischen Wolfenbüttel und dem Elm – Streufunde im ganzen Nordosten
- die -(h)em-Formen sind verbreitet in Flandern, Brabant, Limburg und Nord-Pas-de-Calais.
Daneben finden sich einige Orte auch in Norwegen, den Niederlanden und England.
Literatur
- Adolf Bach: Deutsche Namenkunde. Band II, Die deutschen Ortsnamen, 2. Halbband. Winter, Heidelberg 1954, S. 323–330.
- Gerhard Bauer: Namenkunde des Deutschen. (= Germanistische Lehrbuchsammlung 21). Lang, Bern et al. 1985, S. 158.
- Dieter Berger: Duden. Geographische Namen in Deutschland. Herkunft und Bedeutung der Namen von Ländern, Städten, Bergen und Gewässern. Zweite, überarbeitete Auflage. Dudenverlag, Mannheim et al. ²1999, S. 140–141.
- Ernst Eichler, Hans Walther: Städtenamenbuch der DDR. Bibliographisches Institut, Leipzig 1986, S. 18.
- Rudolf Fischer et al.: Namen deutscher Städte. Akademie-Verlag, Berlin 1963, S. 52.
- Ernst Förstemann: Altdeutsches namenbuch. Zweiter band. Orts- und sonstige geographische namen. (Völker-, länder-, siedlungs-, gewässer-, gebirgs-, berg-, wald-, flurnamen u. dgl.). Dritte, völlig neu bearb., um 100 jahre (1100-1200) erw. auflage. Hrsg. v. H. Jellinghaus. Erste hälfte A-K. Hanstein, Bonn 31913, Sp. 1174.
- Christa Jochum-Godglück: Die orientierten Siedlungsnamen auf -heim, -hausen, -hofen und -dorf im frühdeutschen Sprachraum und ihr Verhältnis zur fränkischen Fiskalorganisation. Lang, Frankfurt am Main et al. 1995, S. 387–396.* Fritz Langenbeck: Die Entstehung der -heim-Ortsnamen im südbadischen Oberrheintal vom Elsaß her. In: Badische Heimat. Jg. 37, Heft 1, 1957, ISSN 0930-7001, S. 54–61.
- Heinz Rosenkranz: Ortsnamen des Bezirkes Gera. Greiz 1982, S. 13–14.
- Hans Walther: Namenkundliche Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saale- und Mittelelbegebietes bis zum Ende des 9. Jahrhunderts. Mit 14 Karten (=Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte 26). Akademie-Verlag, Berlin 1971, S. 150–151.
Einzelnachweise
- ↑ Beate Lex: Ortsnamen der ‘Thüringischen Landeschronik’ (Codex Gothanus Chart. B 180). Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Germanistische Sprachwissenschaft, Jena 2001 (Magisterarbeit), S. 26. Abgerufen am 24. November 2025.
- ↑ Vgl. Namendeutung. Der Ortsname Gabsheim.
- ↑ Vgl. Ein erster Blick auf eine reiche Vergangenheit. Kloster Lorsch, ein Gang durch die Geschichte. (Erster Absatz)
- ↑ Beate Lex: Ortsnamen der ‘Thüringischen Landeschronik’ (Codex Gothanus Chart. B 180). Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Germanistische Sprachwissenschaft, Jena 2001 (Magisterarbeit), S. 26. Abgerufen am 24. November 2025.
- ↑ a b Konrad Kunze: dtv-Atlas Namenkunde. dtv-Band 2490. dtv, 1998 (1. Aufl.), ISBN 3-423-03266-9, S. 91, mit Verteilungskarte
- ↑ Vgl. Die Ortsnamen im Kreisgebiet. In: Internetportal zur regionalen und lokalen Geschichte einzelner Regionen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland. Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V.
- ↑ Vgl. Karte des Landkreises Mainz-Bingen in Rheinhessen mit Orten auf -heim
- ↑ Vgl. Der Befund der Ortsnamen. Die Gelbe Bürg in fränkischer Zeit