„Weihnacht!“

Buchdeckel der von Sascha Schneider gestalteten Ausgabe, 1906

„Weihnacht!“ ist der Titel eines 1897 erschienenen Romans des deutschen Schriftstellers Karl May. Die Handlung der als Reiseerzählung abgefassten Geschichte ist teils in Deutschland, teils im Wilden Westen der USA angesiedelt und beschreibt Erlebnisse der Hauptfiguren Winnetou und Old Shatterhand, die im Zusammenhang mit Ereignissen stehen, die Letzterer während seiner Studentenzeit in Europa erlebt hat.

Der Titel des Romans bezieht sich auf ein Weihnachtsgedicht, das der Erzähler May für eine Zeitschrift verfasst hat und das im Verlauf der Handlung immer wieder auftaucht.

Handlung

Die Handlung wird von Karl May als Ich-Erzähler geschildert und ist in Bezug auf Ort und Zeit in zwei Teile untergliedert.

Das ursprünglich erste Kapitel („Einleitung“) spielt im kaiserlichen Deutschland bzw. in Böhmen und schildert neben der Entstehung des Gedichts die Erlebnisse des jungen Karl May und seines Freundes Hermann Lachner, genannt Carpio, auf einer mehrtägigen Wanderung während der Weihnachtsferien. Im böhmischen Falkenau lernen sie die völlig verarmte Familie Hiller kennen, die sich auf der Flucht vor einer unbekannten Bedrängnis befindet. Mit ihrem letzten Geld helfen die beiden Freunde der Familie, sich bis nach Bremen durchzuschlagen, von wo sie in die USA auswandern wollen, wo sich bereits der Vater der Familie aufhält.

Die Kapitel 2 bis 5 spielen mehrere Jahre später im amerikanischen Westen. Der Erzähler ist mittlerweile zum berühmten Westmann Old Shatterhand gereift und hält sich inkognito in der Kleinstadt Weston, Missouri auf, um seiner Tätigkeit als Reiseschriftsteller nachzugehen. Durch Zufall stößt er dort auf Frau Hiller, deren Ehemann, ein Fellhändler, von feindlichen Krähenindianern gefangengehalten wird. Diese beschuldigen ihn, gemeinsam mit befreundeten Schoschonen einige Krähenindianer getötet zu haben. In seinem Hotel belauscht Old Shatterhand außerdem die Planung eines Überfalls auf zwei Goldsucher. Als Drahtzieher vermutet Old Shatterhand den „Prayer-Man“, einen als Wanderprediger getarnten Gangster, der u. a. ohne Erlaubnis das Weihnachtsgedicht vermarktet hatte.

Gemeinsam mit seinem Blutsbruder Winnetou macht sich Old Shatterhand auf in die Wildnis, um Hiller zu befreien. Außerdem wollen die beiden versuchen, den Überfall auf die Goldsucher zu verhindern. Einer dieser Goldsucher entpuppt sich als Carpio, der mittlerweile ebenfalls in die USA ausgewandert ist und dort von seinem bösartigen Onkel, dem anderen Goldsucher, ausgenutzt wird. Carpio schließt sich Old Shatterhand und Winnetou an. Gemeinsam geraten sie in die Gefangenschaft der Blutindianer, die sie an die Krähenindianer ausliefern. Dort gelingt es Old Shatterhand, den Häuptling der Krähenindianer davon zu überzeugen, dass der Überfall auf seine Krieger von den Blutindianern unternommen wurde. Nachdem er im Zweikampf den Häuptling der Blutindianer besiegt hat, verfolgen die Blutsbrüder den Prayer-Man und seine Komplizen, die den gesundheitlich angeschlagenen Carpio aus dem Lager der Krähenindianer entführt haben.

Bei der Verfolgung stoßen sie auf ihren alten Freund Amos Sannel, der mit dem „Prayer-Man“ ebenfalls noch eine Rechnung offen hat. In seiner Begleitung befindet sich Hiller, der aus dem weiter entfernten Hauptlager der Krähenindianer entkommen konnte. Hiller ist aufgrund der Schicksalsschläge in seinem Leben verbittert und verhält sich daher gegenüber Old Shatterhand sehr feindselig und verhöhnt ihn aufgrund seines unerschütterlichen Glaubens. Wieder taucht hier das Gedicht auf, als Auslöser des Streits.

An einem Finding-Hole, einer Goldgrube in einem Fluss, in den winterlichen Rocky Mountains können sie die Gangster schließlich stellen und den inzwischen schwerkranken Carpio befreien. Hiller schließt sich aus Trotz den Gangstern an. Beide Parteien überwintern getrennt voneinander in einem von einer heißen Quelle erwärmten Tal. Dort werden die Gangster von einer Lawine verschüttet, es gelingt Old Shatterhand jedoch, Hiller zu retten. Dieser bekehrt sich daraufhin wieder zum christlichen Glauben. Old Shatterhand kann ihm nun einen Brief seiner Frau übergeben, wonach die Familie in die Heimat zurückkehren kann, da es gelungen sei, eine gegen sie gerichtete Intrige aufzuklären. Gemeinsam mit inzwischen eingetroffenen Schoschonen feiern die Helden im Tal das Weihnachtsfest, wobei der sterbende Carpio ein letztes Mal das Gedicht aufsagt.

Dichtung Weihnachtsabend

Als Bindeglied zwischen den geschilderten Jugenderlebnissen in Oberfranken und Böhmen sowie späteren Heldentaten als Old Shatterhand an der Seite Winnetous im Wilden Westen benutzt May das Gedicht Weihnachtsabend, das um das Jahr 1867 entstand.[1] Karl May wählte für sein Gedicht dasselbe Versmaß wie Friedrich Schiller für seine Ode an die Freude, auch vertont in Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie. May hatte sowohl für Schiller als auch für Beethoven eine Vorliebe, insbesondere für Beethovens 9. Sinfonie.[2]

Weihnachtsabend.

„Ich verkünde große Freude,
Die Euch widerfahren ist;
Denn geboren wurde heute
Euer Heiland Jesus Christ!

Jubelnd klingt es durch die Sphären,
Sonnen kündens jedem Stern,
Weihrauch duftet auf Altären
Glocken klingen nah und fern.

Tageshell ists in den Räumen
Alles athmet Lust und Glück
Und an bunt[behangnen] Bäumen
Hängt der freudetrunkne Blick.

Fast ists, als ob sich die helle
Nacht in Tag verwandeln will;
Nur da oben in der Zelle
Ists so dunkel, ists so still.

Unten zieht des Festes Freude
Jetzt in alle Herzen ein;
Droben ist mit seinem Leide,
Seinem Grame er allein.

U[Dru]nten wogt es durch die Gassen
Lebensfrisch und lebensroth
Droben kämpft mit leichenblassen
Angesicht er mit dem Tod

Zitternd lehnt er an der Mauer
Von des Fiebers Angst umkrallt
Und es fliegen tiefe Schauer
Durch die zuckende Gestalt

Seine bleichen Lippen beben
Fieberhaft erglüht das Hirn,
An den kalten Eisenstäben
Kühlt er seine heiße Stirn

Betend faltet er die Hände,
Hebt das Auge himmelan:
„Vater, gieb ein selig Ende
Daß ich ruhig sterben kann.

Blicke auf Dein Kind hernieder
Das sich sehnt nach Deinem Licht,
Der Verlorne naht sich wieder,
Geh mit ihm nicht ins Gericht.

Da erbraußt im nahen Dome
Feierlich der Orgel Klang
Und im majestätschen Strome
Schwingt sich auf der Chorgesang:

„Herr, nun lässest Du in Frieden
Deinen Diener [zu Dir] schlafen gehn
Denn sein Auge hat hienieden
Deinen Heiland noch gesehn.“

Und der Priester legt die Hände
Segnend auf des Todten Haupt.
„Selig ist, wer bis ans Ende
An die ewge Liebe glaubt.

Selig, wer aus Herzensgrunde
Nach der Lebensquelle strebt
Und noch in der letzten Stunde
Seinen Blick zum Himmel hebt

Suchtest Du noch im Verscheiden
Droben den Versöhnungsstern,
Wird er Dich zur Wahrheit leiten
Und zur Herrlichkeit des Herrn.

Darum gilt auch Dir die Freude,
Die uns widerfahren ist;
Denn geboren wurde heute
Auch Dein Heiland Jesus Christ!

Karl May

Sonstiges

1911 erschien eine illustrierte Ausgabe mit Bildern von Claus Bergen.

2002 erschien ein knapp dreistündiges Hörspiel, das 2007 erneut aufgelegt wurde. Die Hauptrollen werden von Schauspielern der Freilichtbühne Bad Segeberg gesprochen.

Literatur

  • Hartmut Vollmer: „Weihnacht!“ – ein „Erlösungswerk“ Karl Mays. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 46, S. 3–13. (Onlinefassung)
  • Heinz Stolte: Der Fiedler auf dem Dach. Gehalt und Gestalt des Romans ›»Weihnacht!«‹. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1986. (Onlinefassung)
  • Roland Schmid: Anhang zur Reprint-Ausgabe. In: Karl May: „Weihnacht!“ Reprint der ersten Buchausgabe von 1897. Karl-May-Verlag, Bamberg 1984, ISBN 3-7802-0224-7, S. A1–A23.
  • Jörg Joachim Riehle: „Fröhliche Weihnachten!“ Tagesspiegel, 24. Dezember 2018 ([1])
  • Walther Ilmer: Karl Mays Weihnachten in Karl Mays ›»Weihnacht!«‹. (Eine Spurenlese auf der Suche nach Fährten). In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1987, 1988, 1989. (Onlinefassungen 1987, 1988, 1989)
  • Rainer Jeglin: „Weihnacht!“. In: Gert Ueding (Hrsg.): Karl-May-Handbuch, Verlag Königshausen & Neumann Würzburg 2001, S. 227–232. ISBN 3-8260-1813-3
  • Christoph F. Lorenz: Dichter, Erzähler, Komponist. Das dreifache 'alter ego' in Karl Mays „Weihnacht!“ nebst allerlei Weihnachts- und Auferstehungsmythen, in: ders. (Hrsg.): Zwischen Himmel und Hölle. Karl May und die Religion. Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bamberg/Radebeul: Karl-May-Verlag 2003, S. 207–237.
  • Dieter Sudhoff, Hartmut Vollmer (Hrsg.): „Weihnacht!“, Igel-Verlag 2007. (Inhaltsverzeichnis)
  • Jörg Joachim Riehle: „Karl May und die Ode ›An die Freude‹“ (S. 48). In Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 202
  • Ulf Abraham: Karl May als Erzähler. Semantische Felder und Textmuster in „Weihnacht!“, in: Jb-KMG 2017, S. 171–192.
  • Wilhelm Brauneder: Weihnacht. In: Wiener Karl-May-Brief Heft 3/2009.
  • Heiko Postma: Old Shatterhand & Old Jumble. Notizen zu Karl Mays Roman „Weihnacht!“. In: Die Horen (Band 178), S. 13 ff. (Onlinefassung)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. R. Schmid: Anhang zur Reprint-Ausgabe, 1984, S. A1.
  2. Weihnachtsroman von Karl May: Fröhliche Maynachten! In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 3. November 2022]).

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Buchdeckel des Romans „Weihnacht!“ von Karl May. Ausgabe von 1906, gestaltet von Sascha Schneider.