Œuvre de secours aux enfants

Junge befreite jüdische Kinder, die aus den Fenstern eines Zuges lehnen, der vom Konzentrationslager Buchenwald kommt. Der Zug mit der Aufschrift „Hitler kapout“ transportierte die Kinder zu einem OSE-Heim in Écouis, Frankreich.

Die gemeinnützige Organisation Œuvre de secours aux enfants (OSE) wurde am 7. August 1912 in Sankt Petersburg von Ärzten zum Schutz kranker jüdischer Kinder gegründet[1] und hatte bald in vielen europäischen Ländern Niederlassungen. 1921 wurde sie in Russland verboten, da sie sich einer staatlichen jüdischen Dachorganisation nicht unterordnen wollte und deshalb aus ihr ausgetreten war[2]. 1923 hatte die Organisation ihren Sitz in Berlin unter dem Ehrenvorsitz von Albert Einstein. Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 wurde ihr Sitz nach Paris verlegt.

Nach der deutschen Besetzung Nordfrankreichs wurde der Sitz 1940 nach Vichy-Frankreich verlegt, 1943 dann nach Genf in die Schweiz. Seit 1950 befindet sich der Hauptsitz wieder in Paris.

Schwesterorganisationen der OSE sind die 1880 in St. Petersburg gegründete jüdische Gesellschaft für handwerkliche und landwirtschaftliche Arbeit Organisation, Reconstruction, Travail (ORT)[3] sowie die bedeutende US-amerikanische Hilfsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee, kurz Joint.[4]

Name

Die Organisation wurde ursprünglich mit dem Namen (russ.:) "Obshchestvo okhraneniia zdorov’ia evreiskogo naseleniia"[5] gegründet und bald umbenannt in "Obščestvo Zdravoochranenija Evreev" („OZE“ – Organisation für den Schutz der Gesundheit der Juden).

Die heutige Abkürzung des Namens leitet sich aus der Beschreibung der Tätigkeit der Organisation Œuvre de secours aux enfants (etwa: „Kinderhilfswerk“ oder „Kinderhilfe-Gesellschaft“) ab. Gleichzeitig bildet „OSE“ ein Akronym, da die Organisation die Aussprache der Abkürzung „OSE“ wie bei „osé“ (franz.: „oser“ – wagen, sich zutrauen) vornimmt.[6]

Aufgaben vor dem und während des Zweiten Weltkriegs

UGIF (L’Union générale des israélites de France), 1942.

Der französische Zweig der OSE gliederte sich nach der deutschen Besetzung Frankreichs in die "Union générale des israélites de France" ein. Er wurde zur dritten Gesundheitsorganisation der UGIF. Sie wurde damit die wichtigste Organisation zur Rettung jüdischer Kinder in Frankreich.[7][8]

Bis 1933 führte der deutsche Zweig der OZE ein relativ normales Vereinsleben, z. B. gab es am 12. Februar 1927 im Logenhaus Berlin einen Wohltätigkeitsball zugunsten seiner Aktivitäten; angeboten wurden Vorträge in russischer Sprache (z. B. Der Kampf gegen die Tuberkulose oder Das OZE und die Aufgaben der jüdischen Gesundheitsvorsorge, beide 1927).[9]

Am 11. November 1922 feierte die OZE den 10. Jahrestag des Bestehens der Organisation, im Logenhaus Berlin. Es gab Vorträge, von dem Mitgründer in Russland, Moisei M. Gran: "10 Jahre OZE" und von Philipp Maksovič Bljumental': »Evrejstvo pered licom boleznej i smerti« (=Das Judentum im Angesicht von Krankheit und Tod),[10] und ein Konzert. Am 27. August 1923 führte OZE in Berlin eine "Erste Weltkonferenz zum jüdischen Gesundheitswesen" durch.

Durch die politischen Repressionen in Deutschland und Österreich betreute OSE in Frankreich viele jüdische Kinder, die aus Deutschland und Österreich fliehen mussten. Im Frühjahr 1942 befanden sich 1349 Kinder in OSE-Häusern. Unter maßgeblicher Verantwortung des russisch-französischen Psychiaters und Philosophen Eugène Minkowski wurden von diesen 311 Kinder über Lissabon in die USA geschickt.

Vom April 1943 bis 1944 wurde ein „Schmuggel“ von Kindern in der Schweiz organisiert, um besonders gefährdete Kinder zu schützen. Kinder wurden in Heimen befreundeter Hilfsorganisationen oder bei Privatpersonen untergebracht. OSE war auch im August 1942 maßgeblich an der „Nacht von Vénissieux“ beteiligt, bei der 108 Kinder aus dem Anhaltelager gerettet wurden.

Es wird geschätzt, dass OSE insgesamt etwa 5000 Kinder vor den Nazis gerettet hat.

Dem Reichssicherheitshauptamt galt OSE zwecks Maßnahmen gegen Juden im "Altreich" als feindliche Organisation, zumal sie eine Ortsgruppe in Berlin und bis zum Einmarsch der Deutschen eine solche in Danzig hatte[11].

Aufgaben nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Krieg wurden auch Kinder und Jugendliche als Überlebende aus den Konzentrationslagern, als minderjährige Displaced Persons, oder als Waisen jüdischer Eltern, weiter betreut. Zum Beispiel hat OSE ihre Emigration nach Israel organisiert, oft zusammen mit anderen karitativen Trägern.[12] In den 1960er Jahren wurden Kinder aus Ägypten und Nordafrika versorgt. Heute kümmert sich OSE um kranke und behinderte Kinder.

Mitarbeiter

Präsident von OSE ist seit 2003 Jean-François Guthmann, Geschäftsführerin ist Patricia Sitruk. Das OSE hat etwa 650 Mitarbeiter und 100 ehrenamtliche Unterstützer.[13]

Historisch spielte der Immunologe Alexandre Besredka, ein Arzt russischer Herkunft in Paris, eine wichtige Rolle in der OSE der Zwischenkriegszeit[14].

Liste von OSE-Kinderheimen während des Zweiten Weltkriegs (Auswahl)

Das Château de Chabannes war ein Kinderheim von OSE in Chabannes (Saint-Pierre-de-Fursac) in Vichy-Frankreich in dem etwa 400 jüdische Flüchtlingskinder vor dem Holocaust durch den damaligen Direktor, Félix Chevrier und das Lehrerkollegium gerettet wurden. 1999 im DokumentarfilmThe Children of Chabannes“ von Lisa Gossels und Dean Wetherell festgehalten und dokumentiert (Filmmusik von Patrice Mestral).

Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich viele der OSE-Kinderheime in aufgelassenen Schlössern und Villen (Beispiele):[15]

Literatur

  • Laura Hobson Faure: L' œuvre de secours aux enfants et les populations juives au XXe siècle : prévenir et guérir dans un siècle de violences. Colin, Paris 2014, ISBN 978-2-200-28546-3
  • Kerstin Muth: Versteckte Kinder. Trauma und Überleben der "Hidden children" im Nationalsozialismus. Psychosozial, Göttingen 2004, ISBN 3-89806-937-0, S. 12
  • Periodikum: Ose-Rundschau: Zeitschrift der Gesellschaft für Gesundheitsschutz der Juden "Ose" e.V. (The Ose Review). Hg. Gesellschaft für Gesundheitsschutz der Juden. Verlag Ose-Rundschau, Berlin. Belegte Ausgaben 1926 – 1933
  • Society for the Protection of the Health of the Jews: Les enfants de Buchenwald. Union OSE, Genf 1947
  • Katy Hazan: Le sauvetage des enfants juifs pendant l'Occupation, dans les maisons de l'OSE, 1938 - 1945 - Rescuing Jewish children during the Nazi occupation: OSE children's homes, 1938 - 1945. Somogy Ed. d’Art, Paris 2008, ISBN 978-2-7572-0219-7
  • Marion Feldman, Katy Hazan: Histoires secrètes. Les enfants juifs et l’Assistance publique. In Press, 2017
  • Bjuleten fun ṣenṭral-bjuro fun der Gezelšafṭ ṣu farhiṭn di gezundhajt fun der idišer bafelqerung, Oze (in Yiddisch) (= Bulletin des Zentralbüros der Gesellschaft zur Bewahrung der Gesundheit für die jüdische Bevölkerung, OZE). Verlagsort Berlin
  • Charles Waserscztajn: Sauvé d’Auschwitz par l’assistance publique. (Zeitzeuge, selbst ein enfant caché) éd. du Cercil, 2016
  • Fanny Ben-Ami: Le journal de Fanny. Aus dem Ivrit von Benjamin Ben-Ami. Livre de Poche Jeunesse. Hachette, Paris 2015 ISBN 2-01-249013-1[20]
  • Michèle Becquemin: Une institution juive dans la République, l'Oeuvre de Secours aux Enfants : pour une histoire du service social et de la protection de l'enfance. Éd. Pétra, Paris 2013, ISBN 978-2-84743-058-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe - OZE.
  2. S. 63 Börries Kuzmany, Die Sowjetmacht und die Konstruktion einer weltlichen jüdischen Nation 1917 - 1922, Magisterarbeit Universität Wien 2003
  3. Ziel der ORT war die Bereitstellung von gewerblichen und technischen Berufsausbildungen und -schulen, um verarmten Juden Startchancen zu geben.
  4. Jacques Picard: Organisation Reconstruction Travail (ORT). In: Historisches Lexikon der Schweiz. 6. Mai 2010, abgerufen am 7. Juni 2019.
  5. Gesellschaft zur Förderung der Gesundheit der jüdischen Bevölkerung
  6. Gérard Foussier, Versteckte Kinder in Dokumente/Documents, Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, 1/2016, S. 37
  7. Kurzporträt
  8. Die Rettung der Kinder. Europa und der Holocaust (Memento vom 27. Januar 2019 im Internet Archive), auf ZDF info, 10. Mai 2017
  9. Ein weiteres Beispiel: Am 14. Dezember 1922 in Berlin, OZE-Vortrag von F. Z. Šneerson: "Ärztliche Pädagogik und das Schicksal der jüdischen heranwachsenden Generation", in jiddischer Sprache. Fischl Schneersohn war Arzt, Psychologe und Schriftsteller, unter diesem Namen erschien 2012 der Roman "Grenadierstraße" in deutscher Übersetzung.
  10. zu Blumental': online
  11. als "Gesellschaft für Gesundheitsschutz der Juden"; Hinweis auf einige Archivalien des RSHA zu OSE
  12. Dazu ausführlich Simone Gigliotti, Monica Tempian Hgg.:The young victims of the Nazi regime. Migration, the Holocaust and postwar displacement. Bloomsbury Academic, London 2016, passim (siehe Register)
  13. Gérard Foussier: Versteckte Kinder in Dokumente/Documents, Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog, 1/2016, S. 37
  14. Quelle, OSE-Paris, Archiv. Seine Lebensjahre waren 1870 - 1940
  15. Die Liste der OSE-Kinderheime in Frankreich im Zweiten Weltkrieg (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive).
  16. Französische Webseite von Yad Vashem oder englische Webseite mit vielen Fotos und ausführlicher Geschichte.
  17. Historisches Bild des Gebäudes, Kurzbeschreibung, USHMM. Im Bestand sind weitere Fotos von hier, z. B. Kindergruppen
  18. Bekannt als letzter legaler Aufenthalt von Adele Kurzweil aus Graz, bekannt durch einen Roman von Manfred Theisen, 2009. Die Theodor Kramer Gesellschaft Wien verfügt über ein Foto von Adele mit einem anderen Mädchen, Dorli Löbl, beim Völkerballspiel in Les Tourelles 1939. Das Bild diente als Hintergrund bei einem Vortrag von Vera Freud am 15. November 2014 in Wien.
  19. CHILDREN'S HOMES IN FRANCE DURING THE HOLOCAUST: Chamonix
  20. Eine Zeitzeugin, der 13-jährig mit Hilfe der OSE die Flucht von Frankreich in die Schweiz gelang, in einer Gruppe von 8 Kindern. Auch verfilmt.

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Bureaux de l'UGIF en 1942.svg
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Les bureaux de l'Union Général des Israëlites de France en 1942.
Chabannes Creuse France Jewish children hidden Holocaust.jpg
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Château de Chabannes was an orphanage in the village of Chabannes (part of today's Saint-Pierre-de-Fursac) in Vichy France where about 400 Jewish refugee children were saved from the Holocaust by efforts of its director, Félix Chevrier and other teachers. It was operated by Œuvre de secours aux enfants (OSE) from 1940 to 1943.[1] It is the subject of a 1999 documentary, The Children of Chabannes, by filmmakers Lisa Gossels (whose father and uncle were among the survivors) and Dean Wetherell.
Buchenwald Children 26149.jpg
Jewish youth liberated at Buchenwald lean out the windows of a train, as it pulls away from the station. The train, which has been marked with the phrase "Hitler kaput" [Hitler is finished], will transport the children to an OSE (Œuvre de secours aux enfants) home in Ecouis, France.

Romek Wajsman (now Robert Waisman) is the son of Rywka (Gil) and Chiel Wajsman. He was born on February 2, 1930 in Skarzysko, Poland, where his father worked as a tailor. Romek had five older siblings, Chaim, Mottel, Moishe, Abram and Lea. The Wajsman family was forced into the local ghetto in the fall of 1941. Romek's older brothers were sent to work in the HASAG factory camp in Skarzysko. Chaim obtained information about the planned liquidation of the Skarzysko ghetto shortly before it was to occur. In the early morning hours of the appointed day, Chaim entered the ghetto and smuggled Romek out in the back of a truck. Chaim managed to obtain a permit for Romek to work with his brothers at the HASAG plant, marking aircraft shells with the factory's initials. With the advance of the Red Army in the summer of 1944, the HASAG camp was closed, and Romek was sent to dig anti-tank ditches in Przedborz. Subsequently, he was transfered to the HASAG camp in Czestochowa. He remained there for several months, before being sent to Buchenwald. Romek was liberated in Buchenwald on April 11, 1945. Shortly afterwards, representatives of the OSE (Oeuvre de Secours aux Enfants) came to the camp and arranged for the transport of 430 Jewish children, Romek among them, to an OSE children's home in Ecouis, France. Romek was transferred from Ecouis to the OSE home at Le Vesinet, near Paris. In 1948 he and twenty other OSE children immigrated to Canada with the help of the Canadian Jewish Congress. Romek and his sister, Lea, were the only members of the family to survive the war.

The Buchenwald children were a group of approximately 1000 Jewish child survivors found by American troops when they liberated the Buchenwald concentration camp on April 11, 1945. Most of the children were originally from Poland, though others came from Hungary, Slovenia and Ruthenia. Unsure of what to do with the child survivors, American army chaplains, Rabbi Herschel Schacter and Rabbi Robert Marcus, contacted the offices of the OSE (Oeuvre de Secours aux Enfants) Jewish children's relief organization in Geneva. They arranged to send 427 of the children to France, 280 to Switzerland and 250 to England. [Vivette Samuel reverses the figures for England and Switzerland in her monograph, "Sauver les Enfants."] On June 2, 1945 OSE representatives arrived in Buchenwald and together with Rabbi Marcus escorted the transport of children to France. Rabbi Schacter accompanied the second transport to Switzerland. Because of the difficulty in finding clothing for the children, the boys were clad in Hitler Youth uniforms. This created a problem, for when the train crossed into France, it was greeted by an angry populace who assumed the train was carrying Nazi youth. Thereafter the words "KZ Buchenwald orphans" were painted on the outside of the train to avoid confusion. On June 6, 1945 the French transport arrived at the Andelys station and the orphans were taken to a children's home in Ecouis (Eure). The home had been set up to accommodate young children, but in fact only 30 of the boys were below the age of 13. This was only one of the many problems faced by the OSE personnel, who were not prepared to handle a large group of demanding, rebellious teenagers who were full of anger for what they had experienced. At Ecouis the boys were given medical care, counseling and schooling until more permanent accommodations could be found. Most of the children remained only four to eight weeks at Ecouis before being moved elsewhere, and the home was closed in August 1945. Among the first to leave were a group of 173 children who had family in Palestine. They were given immigration certificates and departed from Marseilles in July aboard the British vessel, the RMS Mataroa. The remaining boys at Ecouis were soon transferred to other residences and homes. Some of the older ones were sent to the Foyer d'Etudiants located on the rue Rollin in Paris, where they boarded while attending vocational training courses or working at jobs in the city. Others were sent to the Chateau de Boucicaut home in Fontenay-aux-Roses (Hauts-de-Seine). Many of the boys came from religiously observant homes. Since the OSE could not obtain kosher food for everyone, they divided the children into religious and non-religious groups. Dr. Charly Merzbach offered OSE the use of his estate, the Chateau d'Ambloy (Loir-et-Cher) for the summer, and between 90 and 100 boys chose to go there in order to receive kosher food and live in a religious environment. In October 1945 the children and staff of Ambloy were relocated to the Chateau de Vaucelles in Taverny (Val d'Oise). About 50 of the non-religious boys were taken to the Villa Concordiale in Le Vesinet (Yvelines) near Paris that housed an equal number of French Jewish orphans. In the summer they went to the Foyer de Champigny in Champigny-sur-Marne (Val-de-Marne). In all the homes attended by the Buchenwald children vocational training as well as regular classroom instruction was offered. At the same time OSE social workers made every effort to locate surviving relatives, succeeding in about half the cases. By the end of 1948 all of the Buchenwald children who had come to France had left the OSE fold and begun new lives for themselves. [Sources: Hemmendinger, Judith and Krell, Robert. "The Children of Buchenwald." Gefen Publishers, 2000; Grobman, Alex. "Rekindling the Flame." Wayne State University Press, 1993; Hazan, Katy, "Chronologie de l'histoire de l'OSE L'action de l'OSE apres la guerre." (31 December 2002).]