Český Rudolec

Český Rudolec
Wappen von Český Rudolec
Český Rudolec (Tschechien)
Basisdaten
Staat:Tschechien Tschechien
Region:Jihočeský kraj
Bezirk:Jindřichův Hradec
Fläche:4929[1] ha
Geographische Lage:49° 4′ N, 15° 19′ O
Höhe:511 m n.m.
Einwohner:867 (1. Jan. 2023)[2]
Postleitzahl:378 53 – 380 01
Kfz-Kennzeichen:C
Verkehr
Straße:StudenáSlavonice
Struktur
Status:Gemeinde
Ortsteile:10
Verwaltung
Bürgermeister:Luděk Plucar (Stand: 2018)
Adresse:Český Rudolec 123
378 83 Český Rudolec
Gemeindenummer:546097
Website:www.ceskyrudolec.cz
Dorfzentrum von Český Rudolec mit Pfarrkirche

Český Rudolec (deutsch Böhmisch Rudoletz) ist eine Gemeinde mit ca. 950 Einwohnern im südlichen Tschechien knapp östlich der historischen Grenze zwischen Böhmen und Mähren, unweit der Grenze zu Niederösterreich. Das Dorf liegt neun Kilometer westlich von Dačice und gehört zum Okres Jindřichův Hradec. Der Ort ist als Längsangerdorf angelegt.

Geographie

Český Rudolec befindet sich rechtsseitig im Tal des Bolíkovský potok / Wölkingbachs im Osten der Javořická vrchovina und ist Teil des Naturparkes Česká Kanada. Nordwestlich der Gemeinde liegt der Rudolecký rybník. Im Südwesten erhebt sich der 655 m hohe Stříbrný kopec / Silberberg.

Nachbarorte sind Markvarec / Markwarec im Norden, Lipolec / Lipolz im Nordosten, Lidéřovice im Osten, Nová Ves / Neudorf im Südosten, Peníkov / Pönigenhof und Stoječín / Stoitzen im Südwesten, Matějovec / Modes im Westen sowie Radíkov / Radisch und Horní Radíkov / Ober-Radisch im Nordwesten.

Geschichte

Erstmals urkundlich erwähnt wurde der nach archäologischen Funden in der Mitte des 13. Jahrhunderts angelegte Ort im Jahre 1343. Gründer waren wahrscheinlich Bergleute, die am Silberberg nach Erzen gruben. Ab 1353 ist die Existenz der Feste und einer Pfarre belegt. Bis 1406 war Rudolec Besitz der Markgrafen von Mähren und war Teil der Herrschaft Rudolec. Danach gehörte es verschiedenen Adelsgeschlechtern.

Während der Reformation wird der Ort lutherisch, so dass ab dem Jahre 1567 nur noch nicht-katholische Pfarrer genannt werden. Im Jahre 1612 versuchte Kardinal Franz Seraph von Dietrichstein vergeblich, den katholischen Glauben in Rudoletz wieder einzuführen. Erst nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen in der Schlacht am Weißen Berg und dem Einsetzen der Gegenreformation gelang es, den Ort zu rekatholisieren. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Rudoletz mehrmals verwüstet und geplündert, so dass am Ende des Krieges nur noch eine Handvoll Einwohner im Ort lebten. Es dauerte fast 20 Jahre, bis Rudoletz wieder genügend Einwohner für eine selbstständige Pfarre hatte. Die Matriken des Ortes wurden seit dem Jahre 1652 geführt. 1673 erwarb Margarethe Gräfin von Trautensohn-Falkenstein den Besitz. Während ihrer Herrschaft, die bis 1720 andauerte, erfolgte der Umbau der Feste zu einem Renaissanceschloss. Auch erhielt der Ortsname den Zusatz "Böhmisch-"

Der Gräfin Margarethe folgte bis 1741 Maria Theresia von Trautensohn-Falkenstein, unter der die Herrschaft ihre Blütezeit erreichte und die Schlossmühle, Brauerei und Sägemühle entstanden. 1712 entstand eine Poststation an der Postverbindung von Prag nach Wien. Im Jahre 1775 kam es wegen des Robots zu einem Bauernaufstand in der Herrschaft Rudoletz. Diesem Aufstand schlossen sich Datschitz, Teltsch und Studein an. Doch um einer Strafaktion durch Truppen zu entgehen, baten die Aufständischen bald um Verzeihung. Diese wurde ihnen gewährt, doch dafür mussten sie eine Zwangseinquartierung von Soldaten über sich ergehen lassen. 1787 wurden erstmals Kartoffeln angebaut und im nahen Silberberg nach Silber geschürft.

Von 1810 an war die russische Grafen-, seit 1815 Fürstenfamilie Rasumowski Besitzer der Herrschaft, deren damaliges Oberhaupt sich, vorerst als Diplomat in Wien tätig, Anfang des 19. Jahrhunderts dauerhaft in Wien niederließ (Schreibung in Wien wie in Rasumofskygasse). Diese baute auch das Eisenhüttenwerk Wölkingsthaler. Das Erz für die Eisenhütte stammte aus Zoppanz und aus weiter entfernten Orten.[3] Lew Rasumowski ließ in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Schlossturm mit Uhr errichten und umgab das Bauwerk mit einem englischen Park.

1856 wurde der aus dem Dienst geschiedene k.k. Offizier Michael Angelo Ritter von Picchioni Besitzer der Herrschaft und des Schlosses. Nach dem Schlossbrand von 1860 ließ er das Schloss im Tudorstil wieder aufbauen. Es erhielt dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem böhmischen Schloss Frauenberg / Hluboká und wurde mit den Beinamen Klein Hluboká bzw. Mährisches Hluboká versehen. Im Ortsgebiet wurde auch Bierstein gewonnen, der zur Bierproduktion ins Deutsche Reich und nach England exportiert wurde.[4] 1895 wurde im Ort ein Telegrafenamt eröffnet und eine Freiwillige Feuerwehr gegründet.

Am Ende des Ersten Weltkriegs kam der Ort, der 1910 zu 96 % von Deutschen bewohnt war zur neuen Tschechoslowakischen Republik. In der folgenden Bodenreform wurden die Wälder der Herrschaft Rudoletz verstaatlicht. Bis zur Volkszählung 1930 stieg der Anteil der tschechischen Bevölkerung auf das zwanzigfache von 1910. Von 1933 an gewann die Sudetendeutsche Partei unter den Deutschböhmen und -mährern stark an Anhängerschaft und wurde 1935 mit zwei Dritteln aller deutschen Wählerstimmen zweitstärkste Partei im Parlament in Prag. 1937 begann sie, mit Hitler den Anschluss der deutschen Gebiete Tschechiens an das Deutsche Reich zu planen.

Die Tschechoslowakei hätte sich gegen Hitler jedenfalls militärisch gewehrt und baute die Festungen an der Grenze aus; England und Frankreich hätten als Geburtshelfer der Tschechoslowakischen Republik eingreifen müssen. Um den drohenden Krieg zu vermeiden, auf den beide 1938 noch nicht vorbereitet waren, überließen sie gemeinsam mit Mussolini im Münchner Abkommen, ohne die Tschechoslowakei zu fragen, die deutsch besiedelten Randgebiete des Staates dem Deutschen Reich.[5] Somit wurde Böhmisch-Rudoletz mit 1. Oktober 1938 Teil des Reiches und am 15. April 1939 dem Reichsgau Niederdonau (wie Niederösterreich ab April 1939 hieß) angeschlossen. Die Tschechen des Dorfes wurden großteils zwangsweise in das Protektorat Böhmen und Mähren umgesiedelt.

Am Tag der Kapitulation Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkrieges, dem 24 Bewohner des Dorfes zum Opfer fielen, fiel die Gemeinde am 8. Mai 1945 wieder an die Tschechoslowakei zurück. Im Wald hinter dem Ort, in Richtung Lipolz, legte die Rote Armee ein Gefangenenlager für bis zu 80.000 deutsche Soldaten an. Die sowjetische Lagerleitung befand sich in der ehemaligen deutschen Schule. Im Juli und August 1945 wurden die Kriegsgefangenen in die Sowjetunion verbracht.

Am 28. Mai 1945 wurde der Ort wie die umliegenden Dörfer von tschechischen Milizen besetzt. Sie nahmen fünf Männer als Geiseln und vertrieben die deutschen Bewohner und zuletzt die Geiseln über die Grenze nach Österreich. Der Ort wurde neu besiedelt. In Übereinstimmung mit dem Potsdamer Abkommen verlangte die Rote Armee im Jänner 1946 den Abschub aller Sudetendeutschen aus Österreich nach Deutschland. Etwa 40 % der Einwohner von Böhmisch-Rudoletz gelang es, in Österreich zu bleiben, die anderen ließen sich in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen nieder.[6]

1946 wurde der letzte Schlossherr, Ernst Ritter von Picchioni, der nach Lateinamerika übersiedelt war, enteignet und sein Besitz verstaatlicht. Der staatliche Landwirtschaftsbetrieb, der den Besitz in der Folge Jahrzehnte lang unter kommunistischen Vorgaben bewirtschaftete, war zu Investitionen nicht in der Lage. Nach der Samtenen Revolution 1989 wechselten die Eigentümer mehrmals, ohne dass eines der Entwicklungsprojekte realisiert worden wäre.

2009 begann eine Brünner Investorengruppe, Schloss Rudoletz gemeinsam mit einer örtlichen Initiative zu revitalisieren. Mit Hilfe eines EU-Projektes wurde in der Schlosskanzlei ein Informationszentrum eingerichtet; das Gasthaus im Nebentrakt soll ebenso wieder in Betrieb genommen werden wie die Bierbrauerei.[7]

Wappen und Siegel

Das älteste bekannte Siegel stammt aus dem Jahre 1749. Es zeigt eine achtblättrige heraldische Rose innerhalb eines Perlenkreises. Um dem Perlenkreis steht die Umschrift „RICH.V. GESCHWOR.DES.BEY.GER.B.RVDOLECZ“.[8]

Bevölkerungsentwicklung

VolkszählungEinwohner gesamtVolkszugehörigkeit der Einwohner
JahrDeutscheTschechenAndere
1880580538393
1890587521660
1900519476421
19105245041010
192148830114938
193050628819622

[9]

Gemeindegliederung

Ortsansicht

Die Gemeinde Český Rudolec besteht aus den Ortsteilen Český Rudolec (Böhmisch Rudoletz), Horní Radíkov (Ober Radisch), Lipnice (Lipnitz), Markvarec (Markwarding), Matějovec (Modes), Nová Ves (Neudorf), Nový Svět (Neuwelt), Radíkov (Unter Radisch), Rožnov (Rosenau) und Stoječín (Stoitzen).[10] Grundsiedlungseinheiten sind Český Rudolec, Dolní Radíkov, Horní Radíkov, Lipnice, Markvarec, Matějovec, Nová Ves, Nový Svět, Peníkov (Pönigenhof), Rožnov und Stoječín.[11]

Das Gemeindegebiet gliedert sich in die Katastralbezirke Český Rudolec, Dolní Bolíkov-Nová Ves, Dolní Radíkov, Horní Radíkov, Lipnice u Markvarce, Markvarec, Matějovec und Stoječín.[12]

Sehenswürdigkeiten

Das Schlosses wird derzeit renoviert
  • Schloss Český Rudolec / Böhmisch Rudoletz, das ursprünglich als mittelalterliche Feste errichtete und nach dem Umbau 1860 auch als Mährisches Hluboká bekannte Bauwerk wird seit 2009 sukzessive wiederaufgebaut
  • Kirche zum Hl. Johannes der Täufer, erbaut im 15. Jahrhundert
  • Kapelle zum Hl. Kreuz auf dem Friedhof, erbaut 1761
  • Statue des Hl. Johannes von Nepomuk auf dem Markt
  • Wassermühle Peníkov / Pönigenhof, Technisches Denkmal
  • Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
  • Kaiser-Franz-Joseph-Denkmal (1918 von tschechischen Soldaten zertrümmert)

Sage aus dem Ort

  • Der Teufelsstein[13]

Persönlichkeiten

  • Hans Fenz (1879–nach 1927), Architekt

Literatur

  • Bruno Kaukal: Die Wappen und Siegel der südmährischen Gemeinden in den Heimatkreisen Neubistritz, Zlabings, Nikolsburg und Znaim. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 1992, ISBN 3-927498-16-5, S. 36 f.
  • Felix Bornemann: Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 1990, ISBN 3-927498-13-0, S. 3.
  • Emil Puffer: Das Kriegsgefangenenlager in Böhmisch-Rudoletz. In: Südmährisches Jahrbuch. Bd. 59, 2010, S. 70 f.
  • Walfried Blaschka, Gerald Frodl: Der Kreis Neubistritz (Südböhmen) und das Zlabingser Ländchen von A bis Z. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 2008, S. 166 f.
  • Kirchlicher Handweiser für Südmähren. Pfarr- und Personalstand des ostmärkischen Teiles der Diözese Brünn. 1941, ZDB-ID 2351976-9, S. 66.
  • Johannes Jungmann: Erinnerungen an Rudoletz. 1947.
  • Alfred Schickel, Gerald Frodl: Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart (= Geschichte Südmährens. Bd. 3). Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 344 f.
  • Ilse Tielsch-Felzmann: Südmährische Sagen. Verlag Heimatwerk, München 1969.
  • Ludwig Kweta: Hundert Jahre Rückblick auf Schloß und Herrschaft Böhmisch Rudoletz. In: Südmährisches Jahrbuch. 1963, ZDB-ID 134023-2, S. 70–74.

Weblinks

Commons: Český Rudolec – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.uir.cz/obec/546097/Cesky-Rudolec
  2. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2023 (PDF; 602 kB)
  3. Eleonora Polly: Zlabings und das Zlabingser Ländchen. Anfang und Ende eines deutschen südwestmährischen Siedlungsgebietes und seiner Bewohner 1190 bis 1945. Selbstverlag, Rottweil (Neckar) 1988, S. 23.
  4. General-Rechnung des Apotheker-Vereins in Norddeutschland. In: Archiv der Pharmazie. Bd. 134, Nr. 3, 1855, S. 345–416, hier S. 368, doi:10.1002/ardp.18551340348.
  5. Otto Kimminich: Die Beurteilung des Münchner Abkommens im Prager Vertrag und in der dazu veröffentlichten völkerrechtswissenschaftlichen Literatur (= Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste. Geisteswissenschaftliche Klasse Sitzungsberichte. 1988, 4). Verlag Sudetenland, München 1988, ISBN 3-922423-35-3.
  6. Schickel, Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. 2001, S. 344 f.
  7. Niklas Perzi: Ritter, Proletarier und Investoren. In: Der Standard, vom 18. September 2012, S. 14, und Website der Zeitung vom 17. September 2012.
  8. Anton Boczek (Hrsg.): Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae. Band 7: Peter von Chlumecky (Hrsg.): 1334–1349. Abtheilung 2. Nitsch, Brünn 1860, S. 469.
  9. Josef Bartoš, Jindřich Schulz, Miloš Trapl: Historický místopis Moravy a Slezska v letech 1848–1960. Band 9: Okresy Znojmo, Moravský Krumlov, Hustopeče, Mikulov. Profil, Ostrava 1984.
  10. http://www.uir.cz/casti-obce-obec/546097/Obec-Cesky-Rudolec
  11. http://www.uir.cz/zsj-obec/546097/Obec-Cesky-Rudolec
  12. http://www.uir.cz/katastralni-uzemi-obec/546097/Obec-Cesky-Rudolec
  13. Hans Zuckriegl: Im Märchenland der Thayanaa, dem späteren tschechischen Nationalpark Podyjí und dem österreichischen Naturschutzpark Thayatal. Eine Wanderung durch das Obere Thayatal, seine Geschichte und seine bunte Sagen- und Märchenwelt. Mit einigen neugierigen Blicken in die Sagen- und Märchenwelt des Unteren Thayatales. Eigenverlag, Wien 2000, S. 47.

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Das klassische Ortszentrum: Gasthof und Kirche (hier Johannes, der Täufer)