Österreichisch-türkische Beziehungen

Österreichisch-türkische Beziehungen
Lage von Österreich und Türkei
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Die österreichisch-türkischen Beziehungen sind das zwischenstaatliche Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei. Die diplomatischen Kontakte zwischen den beiden Ländern gehen auf das 15. Jahrhundert zurück und die Habsburgermonarchie und das Osmanische Reich konkurrierten lange um Einfluss auf dem Balkan und in Mitteleuropa und führten mehrere Kriege gegeneinander. Im Ersten Weltkrieg waren sowohl Österreich-Ungarn als auch das Osmanische Reich als Verbündete Teil der Mittelmächte und die gemeinsame Niederlage läutete das Ende beider Reiche ein. Nach dem Krieg nahmen Österreich und die Türkei diplomatische Beziehungen, welche durch den Anschluss Österreichs an NS-Deutschland unterbrochen wurden. In den 1960er Jahren schlossen beide Länder Abkommen über die Beschäftigung türkischer Gastarbeiter in Österreich, weshalb es eine bedeutende türkeistämmige Minderheit in Österreich gibt. Im 21. Jahrhundert unterhalten beide Länder kooperative Beziehungen, auch wenn Österreich eine skeptische Position hinsichtlich des EU-Beitritts der Türkei eingenommen hat und in der Regierungszeit von Recep Tayyip Erdoğan den Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert hat.[1]

Geschichte

Erste diplomatische Kontakte gehen auf das 15. Jahrhundert zurück und 1547 entsandten die Habsburger ihren ersten Botschafter nach Konstantinopel.[2] Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert waren das heutige Österreich und die Türkei Kernregionen innerhalb viel größerer Reiche. Österreich war der Sitz des Hauses Habsburg und die Türkei wurde vom Haus Osman (auch bekannt als die Osmanen) regiert. Sowohl der habsburgische als auch der osmanische Staat waren große multiethnische Gebilde, die durch Eroberung bzw. Erbschaften entstanden. Diese rivalisierenden Reiche führten häufig Kriege gegeneinander, um die Kontrolle über große Teile Mitteleuropas und des Balkans zu erlangen. In seiner Blütezeit drohte das Osmanische Reich zweimal, die österreichische Hauptstadt Wien zu erobern: 1529 und 1683. Nach der zweiten osmanischen Niederlage bei Wien und dem Ende des Großen Türkenkriegs im Jahr 1699 gewannen die Habsburger jedoch die Oberhand und eroberten Ungarn und Kroatien von den Osmanen. Mit dem Niedergang der osmanischen Macht auf der Balkanhalbinsel konkurrierte Österreich auch mit dem aufstrebenden Russischen Zarenreich um Einfluss, der sich aus dem entstehenden Machtvakuum ergab, was als Orientalische Frage bezeichnet wurde.

Währenddessen verbesserten sich die österreichisch-osmanischen Beziehungen im 19. Jahrhundert und der diplomatische, wirtschaftliche und kulturelle Austausch gewann an Intensität. Während der osmanische Einfluss auf dem Balkan zurückging, konnten die Österreicher 1908 mit Bosnien ein neues Gebiet annektieren, was zu einer diplomatischen Krise führte (Bosnienkrise). In der Zwischenzeit hatte Russland mehreren Nationalitäten auf dem Balkan geholfen, sich gegen die Osmanen aufzulehnen und eigene Nationalstaaten auf dem Balkan zu gründen. Nach einer Reihe territorialer Veränderungen – vom griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821–1829) bis zu den Balkankriegen (1912–1913) – grenzten das österreichische und das osmanische Reich nicht mehr aneinander. Ein diplomatischer Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien bzw. seiner Schutzmacht Russland führte 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914–1918). Als Teil der Mittelmächte waren die Osmanen und Österreicher Verbündete in diesem Krieg. Die Niederlage der Mittelmächte führte zum Ende der beiden Monarchien.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bildete sich 1919 die Erste Österreichische Republik und 1923 die von Mustafa Kemal Atatürk gegründete Republik Türkei. Beide Staaten unterzeichneten 1924 einen Freundschaftsvertrag und nahmen damit diplomatische Beziehungen auf. Ab 1927 war der österreichische Architekt Clemens Holzmeister maßgeblich am Aufbau der neuen Hauptstadt Ankara beteiligt, wo er u. a. für den Bau des Parlamentsgebäudes, des Sitz des Präsidenten und der österreichischen Botschaft verantwortlich war.[2] Zwischen 1938 und 1945 waren die Beziehungen durch den Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland unterbrochen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde 1964 ein Abkommen zwischen beiden Ländern geschlossen, um Arbeitskräfte aus der Türkei anzuwerben. Das Programm führte zur Einwanderung tausender Türken nach Österreich, bevor es in den 1970er Jahren gestoppt wurde.

Mevlüt Çavuşoğlu und Sebastian Kurz (2016)

Die Türkei stellte bereits 1987 den Antrag auf den Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dem Vorläufer der Europäischen Union (EU). Verschiedene österreichische Regierungen haben sich allerdings kritisch zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU geäußert und innerhalb Europas gilt Österreich als Gegner eines türkischen EU-Beitritts. Nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 forderte Kanzler Sebastian Kurz den Abbruch der Beitrittsverhandlungen.[3] Im Dezember 2017 beschuldigte die Türkei die Regierung Österreichs deshalb der Diskriminierung und des Rassismus. Außerdem warf die Türkei der EU vor, das Vorgehen der österreichischen Regierung nicht zu verurteilen. Das türkische Außenministerium warf Österreich „Unehrlichkeit“ vor und warnte, dass ihr Vorgehen Österreich „an den Rand des Verlustes der Freundschaft mit der Türkei“ bringen und „die Reaktion hervorrufen würde, die es verdient“.[4] Die Forderung nach einem Abbruch der Verhandlungen wurden später von dem Nationalrat (2018)[5] und Kanzler Karl Nehammer (2023)[1] wiederholt.

Wirtschaftsbeziehungen

Mit einem Handelsvolumen von knapp vier Milliarden Euro ist die Türkei für Österreich auf Platz 20 der größten Exportpartner und auf Platz 18 der größten Importpartner (2020). Zwischen 2003 und 2020 war Österreich der viertgrößte ausländische Investor in der Türkei, was sehr beachtlich in Relation zur Größe Österreichs ist. Knapp 250 österreichische Unternehmen sind in der Türkei tätig. Neben dem Warenhandel ist auch der Austausch von Dienstleistungen von großer Bedeutung. So besuchen zahlreiche Touristen aus Österreich jährlich die Türkei.[6]

Türken in Österreich

In Österreich leben knapp 270.000 türkeistämmige Personen, darunter ethnische Kurden und Türken. Türkeistämmige machen knapp 3 Prozent der Bevölkerung aus.[2] Knapp 120.000 in Österreich lebende Personen besitzen die türkische Staatsbürgerschaft.[7] Auslandstürken besitzen auch das Recht, an Wahlen in der Türkei teilzunehmen.[8]

Diplomatische Standorte

Siehe auch

Commons: Österreichisch-türkische Beziehungen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Österreich: Kanzler Nehammer für Ende der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei - WELT. 12. September 2023, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  2. a b c Außenministerium der Republik Österreich: Geschichte. Abgerufen am 6. Dezember 2023 (österreichisches Deutsch).
  3. Süddeutsche Zeitung: EU-Beitrittsverhandlungen: Veto von Österreich. 13. Dezember 2016, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  4. Turkey accuses new Austria government of racism. In: The Times of Israel. Abgerufen am 5. Dezember 2023.
  5. Nationalrat gegen EU-Beitritt der Türkei (PK1173/25.10.2018) | Parlament Österreich. Abgerufen am 6. Dezember 2023.
  6. Außenministerium der Republik Österreich: Wirtschaft. Abgerufen am 6. Dezember 2023 (österreichisches Deutsch).
  7. Türken Österreich 2023. In: Statista. Abgerufen am 6. Dezember 2023.
  8. In Österreich lebende Türken stimmten klar für Erdoğan. Abgerufen am 6. Dezember 2023 (österreichisches Deutsch).

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Bundesminister Sebastian Kurz trifft den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Wien, 17.05.2016, Foto: Dragan Tatic