Was für eine Fertigungstechnik ist Kaltumformung?


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Statt Metalle geschmolzen in Formen zu gießen, lassen sie sich auch durch Ziehen und Drücken formen. Und zwar ganz ohne Erhitzen. Die Möglichkeit dieser Kaltumformung ist gerade ein Grund dafür, dass Metalle ein so interessanter Werkstoff sind. Bei dieser Fertigungsmethode kommt es zu einer Wechselwirkung von Kristallfehlern, Spannung im Werkstoff und der Temperatur.

Der Aufbau von Metallen in festem Zustand

In der Schmelze und damit in flüssigem Zustand können sich die Atome eines Metalls frei bewegen. Kühlt sich die Schmelze ab, bilden die Atome die Form eines kristallinen Gitters. Beim Unterschreiten der Schmelztemperatur erstarrt das Metall zu einem Festkörper.

Im festen Zustand sind die Atome in einem lokal beschränkten Bereich in einem regelmäßigen Gitter angeordnet. Der so entstehende Kristall ist allerdings nicht so einheitlich wie derjenige eines Edelsteins. Denn letzterer entsteht ganz aus einem einzigen Kristall mit nur wenigen Unregelmäßigkeiten. Ein Metallstück besteht aus kristallinen Körnern, die auch als Kristalliten bekannt sind. Die Ausrichtungen der Gitter in aneinandergrenzenden Körnern sind grundsätzlich unabhängig voneinander. Werkstoffspezialisten formulieren diesen Umstand mit dem griffigen Satz "Metalle sind alle Kristalle".

Das bietet Raum für Abweichungen und Fehler in der Struktur. Diese Fehler in den Kristallen sind aber vielmehr ein Vorteil. Sie sind für viele Anwendungen interessant und in manchen Fällen sogar notwendig. Sie können punktförmig sein und sich als Leerstellen im Gitter zeigen. Oder aber als im Gitter eingebaute Fremdatome. Für die Kaltverformung interessant sind dabei die sogenannten Stufenversetzungen. Dabei handelt es sich um eine Verschiebung von Ebenen des Kristalls gegeneinander. Auch die Korngrenzen der Kristallite lassen sich als Kristallfehler lesen - diese sind noch umfangreicher.

Warum sind Versetzungen im Metall praktisch interessant?

Versetzungen im Kristall sind der Grund, dass für das Verformen festen Metalls relativ niedrige Kräfte genügen. Bei einem weitgehend fehlerlosen Kristall wäre ein solches Vorgehen unmöglich. Die notwendige Kraft ergibt sich nicht aus der Überwindung der Anziehungskräfte der Atome im Gitter. Sie ist nur so groß, dass sie eine weitere Versetzung der Kristallstruktur bewirken kann. Man kann sich den Vorgang wie das Bewegen eines Teppichs durch das Weiterschieben einer Falte vorstellen. Die Versetzungen im Kristall sind also für eine wesentlich höhere Plastizität und Verformbarkeit des Metalls verantwortlich.

Vorteile der Kaltumformung

Alternativen zur Kaltumformung sind auf der einen Seite der Guss des geschmolzenen Metalls in eine Form. Oder auch zerspanende Techniken wie Fräsen oder Bohren.

  • Für die Kaltverformung ist im Gegensatz zum Guss keine Energie zum Schmelzen des Metalls erforderlich.
  • Im Gegensatz zum Spanen fällt bei Kaltverformung kein Ausschuss an Material an.
  • Kaltverformung läuft schnell ab und eignet sich deshalb für die Fertigung großer Stückzahlen.
  • Die mit Kaltverformung gefertigten Teile erfüllen hohe Anforderungen an die Formgenauigkeit.
  • Bei Kaltverformung tritt durch das Verfahren der Fertigung eine Verfestigung auf. Das macht spezielles Härten der Teile in vielen Fällen überflüssig.

Was geschieht bei Kaltverformung von Metallen?

Wie der Name des Verfahrens nahelegt, wird Metall bei der Kaltverformung durch Krafteinwirkung verformt. Wie etwa durch Ziehen und Drücken. Eine starke Erwärmung oder gar das Einschmelzen ist nicht erforderlich. Mikroskopisch erzeugt eine solche Verformung neue Versetzungen im Kristallgitter. Diese treten mit bestehenden Versetzungen in Wechselwirkung.

Durch diese Wechselwirkungen steigt die Spannung im Kristall und diese erhöhte Spannung entspricht makroskopisch einer Kaltverfestigung. Durch Kaltverformung steigt also der Energiegehalt im Metall in der Form der Versetzungen.

Ein einfaches und oft unbeabsichtigt ablaufendes Experiment illustriert diesen Effekt. Verformt man ein Blech, nimmt der Werkstoff einen Zustand erhöhter Spannung durch die neuen Versetzungen ein. Wie zum Beispiel bei Dellen im Blech einer Autokarosserie. Kurze Zeit danach ist die für das Zurückdrücken der Delle erforderlich Kraft relativ niedrig. Nach längerer Zeit stabilisiert sich der Zustand aber und Ausbuchten wird schwieriger.

Ist die Temperatur des Werkstücks erhöht, können sich die Atome im Kristall besser und weiter bewegen. Mit dieser Bewegung können sie einen Zustand geringerer Spannung und Energie erreichen und einnehmen. Damit tritt eine Erholung ein was bedeutet, dass Kristallfehler ausgeheilt werden. Im Metall sind dann also weniger Versetzungen vorhanden.

Steigt die Temperatur noch weiter und erreicht eine kritische Schwelle, tritt Rekristallisation ein. Dabei handelt es sich um eine Neubildung von Kristalliten. Die Versetzungen gehen auf dasselbe Niveau zurück, wie in unverformtem Zustand. Damit erreicht das Metall auch seine ursprünglich niedrigere Festigkeit. Die Rekristallisationstemperatur grenzt die Kalt- von der Warmverformung ab.

All dies legt nahe, dass sie genau auf das Metall und den Verwendungszweck abgestimmt sein müssen. Es sind also absolute Experten für Kaltumformung notwendig. Diese wissen die physikalischen Abläufe in die für eine bestimmte Anwendung gewünschte Richtung zu lenken.

Auswahl der Werkstoffe

Nicht jedes Metall eignet sich für eine Kaltverformung. Praktisch lässt sich die notwendige Eigenschaft auf ein relativ einfach messbares Verhalten zurückführen. Für eine bleibende Verformung eines Metalls ist eine bestimmte Kraft erforderlich. Wird diese Kraft erhöht, bricht das Metall an einem bestimmten Punkt.

Eine Kaltumformung kann Kräfte zwischen diesen zwei Werten einsetzen. Also eine Kraft für bleibende Verformung, die das Metall aber nicht bis zum Bruch belastet.

Geeignet für dieses Verfahren sind Metalle und Legierungen mit einem hinreichend großen Abstand dieser zwei Grenzkräfte. Beispiele für solche Werkstoffe sind Kupfer und bestimmte Legierungen von Stahl und Aluminium. Das Mischen von Legierungen mit solchen Eigenschaften ist ein Problem der Werkstoffwissenschaften.

Durchführung einer Kaltverformung

Mit Kaltverformung lassen sich Teile in den verschiedensten Formen herstellen. Dementsprechend vielfältig sind auch die Details einer solchen Fertigung. Trotzdem lassen sich die verschiedenen Methoden sinnvoll gliedern.

Eine solche Unterscheidung betrifft den Querschnitt des Metalls. Bleibt dieser im Wesentlichen gleich, sind nur relativ geringe Kräfte erforderlich. Ein Beispiel für eine solche Fertigung ist das Biegen von Blech. Wesentlich größere Kräfte sind für Anwendungen erforderlich, bei denen sich der Querschnitt des Metalls wesentlich ändert. Entsprechende Beispiele sind Walzen und Pressen. Hier ist auch gut erkennbar, dass Kaltverformung oft ein vielstufiger Prozess ist. Aus massivem Metall lässt sich Blech durch Walzen herstellen. Eine weitere Verformung kann dann durch Biegen erfolgen.

Aus den mikroskopischen Abläufen bei der Kaltumformung kann es allerdings zu einer Kaltverfestigung kommen. Diese ist für Zwischenprodukte nicht erwünscht, weil sie die Weiterverarbeitung aufwendiger macht. Deshalb kann es erforderlich sein, die Kaltverfestigung durch eine Erwärmung zu reduzieren. Im letzten Arbeitsschritt wird das natürlich unterlassen. Denn eine höhere Festigkeit des Endprodukts stellt üblicherweise einen erwünschten Vorteil dar.