Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis

Reichskreise zu Beginn des 16. Jahrhunderts (Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis in Hellbraun)
Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis in der Mitte des 16. Jahrhunderts

Der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis (im 16. Jahrhundert noch Niederländisch-Westfälischer Reichskreis,[1] später oft auch nur Westfälischer Reichskreis genannt) war einer der zehn Reichskreise, in die unter Kaiser Maximilian I. 1500 bzw. 1512 das Heilige Römische Reich eingeteilt wurde. Der Westfälische Reichskreis selbst wurde 1500 eingerichtet und bestand bis zum Ende des Alten Reiches.

Gebiet

Der Kreis umfasste die Herrschaftsgebiete zwischen der Weser und der späteren Grenze zu den Niederlanden bis an die Maas und südlich bis an Ahr und Sieg. Rechts der Weser lagen nur das Hochstift Verden und die Grafschaft Schaumburg. Innerhalb der Grenzen des Kreises lagen aber auch Gebiete, die zum Kurrheinischen Kreis gehörten. Dies gilt insbesondere für Kurköln mit den zugehörigen Teilen Vest Recklinghausen und Herzogtum Westfalen. Im Jahr 1548 wurden das Hochstift Utrecht und das Herzogtum Geldern durch den Burgundischen Vertrag an den Burgundischen Reichskreis abgegeben. Das Hochstift Cambrai wurde 1678 französisch und schied damit aus dem Reich und dem Reichskreis aus.

Organisation

Gewestete Karte des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises von Joan Blaeu 1640, also vor den Veränderungen durch den Westfälischen Frieden
Landkarte von Westfalen von Peter Schenk dem Älteren um 1710

Der Reichskreis umfasste 1512 insgesamt 55 Kreisstände, deren Vertreter die Kreistage bildeten. Diese wurden nur selten einberufen und fanden dann meist in Köln statt. Die Kanzlei und das Kreisarchiv befanden sich in Düsseldorf.[2] 1555 übernahm der Herzog von Jülich-Kleve-Berg das Kreisoberstenamt im Rahmen der Reichsexekutionsordnung. Kreisausschreibender Fürst, später Kreisdirektor genannt, war zunächst ebenfalls der Herzog von Jülich. Das Amt ging zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf den Fürstbischof von Münster über. Nach dem Jülich-Klevischen Erbfolgestreit wurde das Amt geteilt. Neben Münster wechselten das Haus Pfalz-Neuburg (für Jülich) und Brandenburg (für Kleve) sich ab.

Die Grafen und Herren der Region waren seit 1653 im Niederrheinisch-Westfälischen Reichsgrafenkollegium zusammengeschlossen.

Der Reichskreis hatte das Recht, Assessoren für das Reichskammergericht zu präsentieren. Als Folge der konfessionellen Spaltung des Kreises stellte die evangelische wie auch die katholische Hälfte im 17. Jahrhundert jeweils zwei Assessoren.[3]

Geschichte

Eine mehr oder weniger geschlossene Politik verfolgten die Kreisstände 1534 zur Sicherung des Landfriedens beim Kampf gegen das Täuferreich von Münster. Ab 1556 bemühte sich der Kreis um eine Vereinheitlichung des Münzwesens im Zusammenhang mit der Reichsmünzordnung. Auch insgesamt war der Reichskreis im 16. Jahrhundert am aktivsten, als es unter anderem galt, die Türkensteuer aufzubringen. In den folgenden Jahrhunderten nahm die Bedeutung ab.

Problematisch war die Grenzlage zu den Niederlanden. Verschiedentlich griff der Achtzigjährige Krieg zwischen der Unabhängigkeitsbewegung und Spanien, wie etwa im Spanischen Winter 1598/1599 auch auf Gebiete im Reichskreis über. Auch deshalb strebte der Kreis während des Truchsessischen Krieges eine bewaffnete Neutralität an.

Auswärtige Kräfte nahmen starken Einfluss auf den Reichskreis. So war Kurköln eine Schutzmacht der nordwestdeutschen Hochstifte. Lange Zeit besetzte das Haus Wittelsbach wichtige Bischofssitze. Weiterhin übten Hessen, die Kurpfalz und die welfischen Herzogtümer im Norden Einfluss aus. Durch Besitzwechsel in einigen Territorien gewannen mit Braunschweig und Brandenburg seit dem Ende des 16. Jahrhunderts auswärtige Herrscher stark an Gewicht. Dagegen blieb der Reichskreis weitgehend kaiserfern. Im Dreißigjährigen Krieg waren die Hochstifte als Mitglieder der Katholischen Liga mit dem Kaiser verbündet, während Herzog Wolfgang Wilhelm mit Jülich-Berg neutral blieb. Im Jahr 1644 stellte der Kölner Kurfürst Ferdinand von Bayern nach einem Votum des Kreistags und mit Billigung des Kaisers eine eigene Kreisarmee auf, die bis zum Friedensschluss das Kreisgebiet insbesondere gegen die Landgrafschaft Hessen-Kassel verteidigte.

Auch verschärften sich die konfessionellen Gegensätze. Es gab neben katholischen Gebieten auch reformierte und lutherische Territorien. Verschiedene Gebiete waren im Prozess der Konfessionalisierung umstritten. Insgesamt führten Konfessionsgegensätze und die unterschiedlichen Interessen, insbesondere die Eigeninteressen der größeren Territorien dazu, dass der Kreis nur noch schwer eine gemeinsame Linie fand.

Auswärtige Interessen schwächten die gemeinsame Münzpolitik. Durch das Bestehen stehender Heere der größeren Territorien wurden die nichtarmierten Kreisstände benachteiligt. Teilweise wird der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis zur Kreisassoziation der Vorderen Reichskreise gerechnet. Diese hatte sich gegen die Expansionspolitik Ludwigs XIV. gebildet. Ein 1697 abgehaltener Kreistag in Köln konnte daran nichts ändern. Nach 1702 stellte der Kreis daher für die Reichsarmee nur etwa 2000 Mann zur Verfügung. Im 18. Jahrhundert wurde der Kreis meist durch die drei Direktoren vertreten und spielte keine eigenständige Rolle mehr. Kreistage wurden etwa zwischen 1738 und 1757 nicht abgehalten. Im Jahr 1789 wurde der Reichskreis mit der Reichsexekution gegen die Lütticher Revolution beauftragt.

Nach der Abtretung aller linksrheinischen Gebiete an Frankreich erfolgte 1806 die Auflösung des Reichskreises.

Mitglieder

Im Folgenden sind die Mitglieder des Reichskreises aufgelistet, ausgehend von der Reichsmatrikel des Jahres 1521 und einer Auflistung von 1532. Bis gegen Ende des Reiches abgegangene Reichsstände sind kursiv gedruckt, neu hinzugekommene gesondert aufgeführt.

Geistliche Fürsten

Bistümer

Abteien

  • Stift Stablo-Malmedy; vorher Prälatur
  • Stift Corvey; vorher Prälatur; 1792 Hochstift

Weltliche Fürsten

bis 1792 neu:

Reichsprälaten

Grafen und Herren

bis 1792 neu:

kreisangehörige Grafschaften ohne Reichsstandschaft:

Städte

Reichsstädte:

Reichsunmittelbarkeit umstritten:

Keine Reichsstände:

Enklaven

Nicht zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis gehörende Territorien, die ganz oder zum Teil von Kreisgebiet umschlossen waren:

Siehe auch

Literatur

  • Hernach volgend die zehen Krayß Druck aus dem Jahr 1532, S. 12 (Verzeichnis der Reichskreise und der zugehörigen Territorien mit Angabe der für die Türkenhilfe zu entsendenden Truppen Volltext [Wikisource]).
  • Illustration von Nicolaes Visscher I: S[acri] R[omani] I[mperii] Westphaliae Circulus : In Omnes Eiusdem Subiacentes Provincias exactißimè distinctus. In: Atlas (Europa), urn:nbn:de:hbz:061:1-105655.
  • Östreichischer Lorberkrantz Oder Kayserl: Victori. Das ist: Warhafftige vnd Außführliche …. Karten von 1627: Abriß der Landschafft Westpalen, Frieslandt Und Angrenden Landeren. zwischen S. 626 und 627, urn:nbn:de:hbz:061:1-110784; Abriss der Landschafft Veltlin, vom frantzösischen General Marquis Di Covure den Spanischen wieder abgenommen worden. Zwischen S. 706 und 707, urn:nbn:de:hbz:061:1-110917.
  • Martin Zeiller: Topographia Westphaliae. Hrsg.: Matthäus Merian (= Topographia Germaniae. Band 8). 1. Auflage. Matthaeus Merian, Frankfurt am Main 1647 (Volltext [Wikisource]).
  • Winfried Dotzauer: Die deutschen Reichskreise (1383–1806). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07146-6, S. 297 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Andreas Schneider: Der Niederrheinisch-Westfälische Kreis im 16. Jahrhundert. Geschichte, Struktur und Funktion eines Verfassungsorganes des alten Reiches (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens. Band 16). Schwann, Düsseldorf 1985, ISBN 3-590-18128-1.
  • Neue Europäische Staats- und Reisegeographie worinnen die Lande des Westphälischen Kreises ausführlich vorgestellet werden …. (= 8. Band des Gesamtwerkes), Dresden / Leipzig (ohne Jahr, 1757).
  • Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. 2., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-81302-5, S. 879 f.
Commons: Lower Rhenish-Westphalian Circle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Winfried Dotzauer: Die deutschen Reichskreise (1383–1806). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07146-6, Kapitel Niederrheinisch-Westfälischer Kreis, S. 297–333 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Klaus Müller: Unter pfalz-neuburgischer und pfalz-bayerischer Herrschaft. In: Hugo Weidenhaupt: Düsseldorf. Geschichte von den Ursprüngen bis ins 20. Jahrhundert. Schwann im Patmos Verlag, Düsseldorf 1988, ISBN 3-491-34222-8, Band 2, S. 29
  3. Sigrid Jahns: Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im alten Reich Teil I: Darstellung. Köln, 2011 S. 253.

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Kreiswappen des Kreises Lippe nach
§ 2 Absatz 1 der Hauptsatzung des Kreises Lippe:
„Der Kreis führt folgendes Wappen: In Silber (weiß) eine rote fünfblätterige Rose mit goldenen (gelben) Butzen und goldenen (gelben) Kelchblättern.“
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