Liste von Fememord-Opfern in Deutschland während der frühen Zwischenkriegszeit

Die folgende Liste von Fememord-Opfern in Deutschland während der frühen Zwischenkriegszeit gibt einen Überblick über Personen, die in den ersten Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland Fememorden zum Opfer fielen.

Die in der Liste aufgeführten Personen sind chronologisch nach dem Datum ihrer Ermordung angeordnet, beginnend mit den frühesten Opfern. Von 1920 bis 1923 wurden in Oberschlesien, Ostpreußen, Brandenburg, Pommern, Mecklenburg und Bayern mindestens 23 Menschen im Rahmen von Fememorden getötet. Der Pazifist und frühere Offizier Carl Mertens hatte 1925 anonym 28 Fememorde innerhalb der Schwarzen Reichswehr publik gemacht.[1] Emil Julius Gumbel zählte in den Jahren 1919 bis 1922 354 politisch motivierte Morde aus dem rechten Spektrum, von denen 326 ungesühnt blieben; im gleichen Zeitraum kam es auch zu 22 Morden aus dem linken Spektrum, die von der Justiz ungleich härter verfolgt wurden.[2]

Als zeitliche Rahmenpunkte für die Aufnahme in die hier interessierende Personengruppe gelten der 9. November 1918 als Tag des Ausbruchs der Novemberrevolution und des Zusammenbruchs des Deutschen Kaiserreiches einerseits und die Stabilisierungsphase der Weimarer Republik in der Mitte der 1920er Jahre andererseits.

Liste der Opfer

  • Juli 1920: Willi Schmidt, Angehöriger des Freikorps Roßbach; von Edmund Heines und anderen Angehörigen der Rossbach-Gruppe in einem Wald im Landkreis Greifenhagen in Pommern erschossen und vor Ort vergraben, nachdem er in Verdacht geraten war, ein Waffenversteck an die Behörden verraten zu wollen.
  • 6. Oktober 1920 (Leichnam aufgefunden): Maria Sandmayer (1901), Dienstmädchen, erdrosselt im Forstenrieder Park aufgefunden; ermordet, nachdem sie ein Waffenlager der Bayerischen Einwohnerwehr anzuzeigen versucht hatte.
  • 4. März 1921 (Leichnam aufgefunden): Hans Hartung (* 1897), Kellner, erschossen und mit Steinen beschwert aus der Zusam bei Zusmarshausen geborgen; ermordet, nachdem er sich für sein Schweigen über die Aktivitäten der Bayerischen Einwohnerwehr hatte bezahlen lassen wollen.[3]
  • 5. Juni 1921: Josef Nowak, St. Annaberg, am 4. Juni 1921 von dem Gendarmeriewachtmeister Schweighart aus St. Annaberg mit acht Angehörigen des Oberschlesischen Selbstschutzes wegen Spionageverdachts zugunsten der polnischen Seite im Oberschlesischen Aufstand aus dem Bett geholt, durch sein Dorf getrieben, dabei mit Seitengewehren und Gewehrkolben geschlagen, anschließend wurde er zusammen mit Ignatz Kwittek, Ignatz Kwiotek und Anton Wojciechowski, die man ebenfalls des Verrats bezichtigte, in den Basaltsteinbruch bei St. Annaberg getrieben und dort totgeschlagen. Die Leichen wurden dort unter Steingeröll begraben und einige Tage später von ihren Angehörigen aufgefunden. Seine Leiche wies vier Bauchschüsse, zwei Brustschüsse und dreiundsiebzig Bajonett- und Messerstiche auf. Nowak hatte lediglich geäußert, dass er in den Kämpfen zwischen Deutschen und Polen in Oberschlesien einen sinnlosen Bruderkrieg sehe.[4]
  • 5. Juni 1921: Ignatz Kwiotek: Mann aus St. Annaberg in Oberschlesien, am Abend des 4. Juni 1921 von Angehörigen des Oberschlesischen Selbstschutzes wegen angeblichen Verrats aus seiner Wohnung geholt, misshandelt und zusammen mit Ignatz Kwittek, Josef Nowak und Anton Wojciechowski in einen Basaltsteinbruch bei St. Annaberg getrieben und dort totgeschlagen. Seine Leiche wurde mit den Leichen der übrigen drei Getöteten dort begraben.[4]
  • 5. Juni 1921: Anton Wojciechowski: Mann aus Wyssoka in Oberschlesien, am Abend des 4. Juni 1921 von Angehörigen des Oberschlesischen Selbstschutzes wegen angeblichen Verrats aus seiner Wohnung geholt, misshandelt und zusammen mit Ignatz Kwiotek, Ignatz Kwittek und Josef Nowak in einen Basaltsteinbruch bei St. Annaberg getrieben und dort totgeschlagen. Seine Leiche wurde mit den Leichen der übrigen drei Getöteten dort begraben.[4]
  • 13. Juni 1921: Johannes Buchholz: Der Polizeiwachtmeister Johannes Buchholz, Angehöriger der Berliner Polizeihundertschaft z.b.V., wurde in der Schlosskaserne, einer Polizeikaserne in Berlin-Charlottenburg, durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet. Hintergrund war, dass die Verantwortlichen für rechtsradikale Machenschaften in dieser Hundertschaft befürchteten, dass er diese sowie finanzielle Schiebungen der Einheit melden würde. Zwei Wachtmeister der Hundertschaft wurden wegen des Todes von Buchholz angeklagt, aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen.[5]
  • Juli/August 1921: Fritz Köhler, Mitglied der Selbstschutzorganisation Ehrhardt in Oberschlesien, als Mitglied eines aus Angehörigen dieser Selbstschutzorganisation gebildeten Arbeitskommandos Feldhüter auf dem Gut des Rittergutsbesitzers Ulrich Freiherr von Richthofen in Klein-Wandriß im Kreis Liegnitz untergebracht, wo er Aufsicht über das Forsthaus des Kohlhöher Waldes führte. Köhler geriet aus unbekannten Gründen in den Verdacht ein Verräter zu sein. Als Köhler zusammen mit drei anderen Mitgliedern der Selbstschutzorganisation – Karl Ernst Scweninger, Martin Lampel und Veit Ulrich von Beulwitz – ein geheimes Waffenlager aufsuchte, wurde Köhler, als er den Boden abhörte, ob Grundwasser im Waffenlager sprudle von Beulwitz mit einer Rodehacke auf den Kopf geschlagen. Anschließend wurde er von Lampel, nach anderen Aussagen von Beulwitz, erschossen. Die vier Männer wurden später wegen gemeinschaftlicher vorsätzlicher Tötung angeklagt. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 28. November 1930 gemäß dem Gesetz über Straffreiheit vom 14. Juli 1928 in der ergänzten Fassung vom 24. Oktober 1930 eingestellt.[4]
  • 7. Juni 1922: Kurt Herrmann (1896/1897) Zigarrenkaufmann, Mitglied der Wachgesellschaft „Schlesien“, die die Bewachung des Eigentums von Grundbesitzern übernahm. Die Wachgesellschaft war von dem ehemaligen Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Roßbach Andreas Mayer gegründet worden, nachdem er sich mit Roßbach überworfen hatte. Hermann fungierte in der Wachgesellschaft als Geldgeber und stellte in seiner Wohnung die Räume für das Büro der Gesellschaft zur Verfügung. Herrmann wurde aus nicht ganz geklärten Gründen von Mitgliedern der Wachgesellschaft nachts im Bett überfallen, mit Chloroform betäubt und durch Aufdrücken eines Kissens in sein Gesicht erstickt, um einen Raubmord vorzutäuschen. In der Folge wurden Mayer und die Wachgesellschaft-Mitglieder Otto Gebauer, Hans Spöhrer und Robert Tippel verhaftet. Die genauen Motive der Tat konnten nicht geklärt werden, teils war davon die Rede, dass Herrmann, der in Waffengeschäfte verstrickt war, Gelder der Wachgesellschaft veruntreut habe, teils davon, dass Herrmann mit Polen in Verbindung stehe, teils davon, dass einer oder mehrere der Männer eine Affäre mit seiner Frau gehabt hätten. Die vier Männer wurden am 13. Oktober 1924 durch das Schwurgericht Breslau nicht wegen Mordes, sondern Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf- bis siebenjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
  • Juni 1922: Vier Selbstschutzleute bei Sibyllenort im Kreis Oels durch Kopfschüsse getötet.[4]
  • 1921: Alfons Hentschel: Leutnant, Zugführer in der Kompanie des Hauptmanns von Mauritz, hinter dem sich in Wirklichkeit der Freikorpsführer Franz Pfeffer von Salomon verbarg. Als unbequemer Mitwisser wurde Hentschel auf Befehl von Mauritz (also Pfeffer) von einem Oberleutnant Link während eines Patrouillengangs in einem Kornfeld hinterrücks erschossen.
  • 1921: Sigulla, ein Mann aus dem Kreis Oppeln. Sigulla fuhr mit einem Fahrrad nach Plinkenau in Oberschlesien, wo er in einem Gasthaus mit Angehörigen des Freikorps Roßbach zechte. Aus ungeklärten Gründen kam das Gerücht auf, dass er ein entlaufener Roßbacher und polnischer Spitzel sei. Daraufhin wurde ein bayerischer Freikorpsleutnant namens „Seppl“ verständigt, der in die Wirtschaft kam, Sigulla verhaftete und in einen nahen Wald führte. Dort schnitt er diesem die Kehle durch. „Seppl“ wurde verhaftet, jedoch nach dem Abzug der Ententetruppen aus Oberschlesien wieder aus der Haft entlassen.[4]
  • Unbekannter Mann: Von den Mitgliedern des Oberschlesischen Selbstschutzes Felix Kaczmaryk und Johann Hauke aus Myslowitz nach gemeinsam verübten Raubüberfällen und Einbrüchen als unbequemer Mitwisser ermordet.
  • 9. Juni 1921: Karl Gareis, bayerischer Landtagsabgeordneter (USPD). Gareis wurde vor seiner Haustür in München-Schwabing niedergeschossen. Als wahrscheinlicher Grund gilt, dass er sich für die Auflösung der Bayerischen Einwohnerwehr einsetzte.
  • 31. Oktober 1921: Wilhelm Hörnlein, in der Steiermark durch einen Kopfschuss getötet; angeblich weil er zu viele Geheimnisse rechtsextremer Kreise kannte.[3]
  • Februar 1923: Karl Baur (1901–1923), Student, von Angehörigen des rechtsradikalen Blücher-Bundes an der Isar in München erschossen, um ihn am Verrat von Putschplänen des Bundes zu hindern.[3]
  • 31. Mai 1923: Walter Kadow (* 1900), siehe Parchimer Fememord
  • 4. Juni 1923: Erich Pannier, Angehöriger der Schwarzen Reichswehr in Döberitz, wurde auf Befehl von Theodor Benn von den Schwarze-Reichswehr-Angehörigen Stein, Schirrmann und Aschenkampf umgebracht, nachdem er aus der Schwarzen Reichswehr „desertiert“ war.
  • Juli 1923: Walter Wilms, Feldwebel, von Offizieren, nachdem er in Verdacht geraten war, für die Kommunisten zu spitzeln, bei einem Gelage gezielt betrunken gemacht und anschließend im Auto außerhalb von Rathenow erschossen und mit Kabelschutzmuffen beschwert in die Havel geworfen.[6]

Einzelnachweise

  1. anonym (Carl Mertens): Die Fememorde. In: Die Weltbühne vom 17. November 1925 II, S. 750–756 (online).
  2. Daniel Furth: Statistiker Emil Gumbel – Rechnen gegen den Terror. einestages auf Spiegel Online, 27. April 2012.
  3. a b c Die bayerischen Fälle. In: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Artikel_44326. Historischen Lexikon Bayerns, abgerufen am 28. März 2022.
  4. a b c d e f Bernhard Sauer: „Verräter waren bei uns in Mengen erschossen worden.“ Die Fememorde in Oberschlesien 1921. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Band 54, Nr. 7/8, 2006, ISSN 0044-2828 (bernhard-sauer-historiker.de [PDF; abgerufen am 28. März 2022]).
  5. Hsi-Huey Liang: Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik (= Historische Kommission zu Berlin [Hrsg.]: Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin. Nr. 47). de Gruyter, Berlin/ New York 1977, ISBN 978-3-11-006520-6, S. 98–100.
  6. Wolfgang Schild: Berühmte Berliner Kriminalprozesse der Zwanziger Jahre. In: Friedrich Ebel und Albrecht Randelzhofer (Hrsg.): Rechtsentwicklungen in Berlin. Acht Vorträge, gehalten anläßlich der 750-Jahrfeier Berlins. De Gruyter, Berlin/ New York 1988, ISBN 978-3-11-011039-5, S. 140 ff.