Großes Schauspielhaus

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Das Große Schauspielhaus (Rückseite mit Bühneneingang), 1972

Das Große Schauspielhaus war ein Berliner Revue- und Lustspieltheater, das zwischen Schiffbauerdamm und Reinhardtstraße lag. Es entstand zwischen 1918 und 1919 im Auftrag der 1917 gegründeten Deutschen Nationaltheater AG durch den Umbau einer ehemaligen Markthalle nach dem Entwurf der Berliner Architekten Hans Poelzig und Marlene Moeschke-Poelzig in expressionistischer Formensprache. Zunächst als Großes Schauspielhaus, nach 1933 als Theater des Volkes bestand die Kultureinrichtung bis 1943. Im Jahr 1945 wurde das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Haus wieder aufgebaut und in Friedrichstadt-Palast umbenannt.

Geschichte

Das Gebäude wurde ursprünglich von 1865 bis 1867 im Auftrag der Berliner Immobilien-Aktiengesellschaft nach Plänen von Friedrich Hitzig als erste Berliner Markthalle errichtet. Wegen des schwierigen Baugrundes wurde der Bau auf mehrere hundert Eichenpfähle gegründet. Die Markthalle wurde nicht vom Publikum angenommen und deshalb nach wenigen Monaten wieder geschlossen. Nach einer vorübergehenden Nutzung als Lagerhalle wurde sie 1873 zum Markthallen-Circus (unter Direktor Salamonsky) umgenutzt. Von 1879 bis 1897 nutzte Ernst Renz das Gebäude an der Markthallenstraße (seit 1891: Am Zirkus 1) mit seinem Circus Renz, da er seinen bisherigen Standort wegen der Errichtung des Bahnhofs Friedrichstraße aufgeben musste. Er ließ den Zuschauerraum 1888 auf eine Kapazität von 5600 Zuschauern erweitern. Ab 1899 beherbergte der Bau Albert Schumanns Zirkus Schumann, der 1918 schloss. Im gleichen Jahr wurde die Immobilie an die 1917 gegründete Deutsche National-Theater AG verkauft, die sie 1918–1919 durch den Architekten Hans Poelzig als Revuetheater durchgreifend umbauen ließ. Nachdem die gusseiserne Hallenkonstruktion durch eine Stuckdecke mit tropfenförmig herabhängenden Zapfen verkleidet worden war, sprachen die Berliner von der „Tropfsteinhöhle“. Das Foyer stimmte mit weit auskragenden Lichtschirmen auf die neue Innenarchitektur ein. Am 28. November 1919 wurde das Große Schauspielhaus mit der Aufführung Die Orestie von Aischylos in der Bearbeitung und Übersetzung Karl Gustav Vollmoellers unter der Regie von Max Reinhardt feierlich neu eröffnet.

In der Folge wurden u. a. auch Operetten und Singspiele aufgeführt. 1930 erfolgte die Uraufführung des Singspiels Im weißen Rößl von Ralph Benatzky und anderen in der Inszenierung von Erik Charell.

Im Frühjahr 1928 wurden aus dem damals bestehenden Chor des Großen Schauspielhauses Sänger für die neugegründeten Comedian Harmonists rekrutiert.[1]

Während der Weltwirtschaftskrise gingen die Zuschauerzahlen stark zurück und die Deutsche National-Theater AG musste im Sommer 1930 neue Hypotheken in Höhe von 400.000 Reichsmark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 1,66 Millionen Euro) bei der Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten aufnehmen. Bis Anfang 1932 stiegen die Schulden auf 2,5 Millionen Mark, davon 1,9 Millionen bei der Arbeitsbank. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde der Deutschen National-Theater AG die Gemeinnützigkeit aberkannt und Steuern in Höhe von 550.000 Mark festgesetzt. Dies trieb die Deutsche National-Theater AG endgültig in die Überschuldung. Die inzwischen gleichgeschaltete Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten besetzte als Hauptgläubigerin den Aufsichtsrat neu. Dieser betrieb die Enteignung der bisherigen Eigentümer, indem er beschloss, die Alteigentümer müssten ihre Anteile persönlich einreichen; ansonsten würden sie verfallen. Max Reinhardt verkaufte daher seine Anteile über Mittelsmänner zu einem Zehntel ihres Wertes an die Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten.[2]

Die Nationalsozialisten benannten das Theater 1934 in Theater des Volkes um; 1938 rissen Arbeiter der Deutschen Arbeitsfront die Stalaktitenwand wieder heraus und installierten eine „Führerloge“. Architekt des Umbaus war Fritz Fuß.

Direktoren des Großen Schauspielhauses

Künstlerischer Leiter war Erik Charell.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ab November 1947 das Große Schauspielhaus zunächst als privates Revuetheater unter der Leitung von Marion Spadoni weiterbetrieben. Es erhielt den Namen Friedrichstadtpalast. 1949 wurden die Eigentümer enteignet, der Kulturbetrieb wurde unter staatlicher Leitung in der DDR fortgeführt.

Direktoren / Intendanten des Friedrichstadt-Palastes

Im Jahr 1980 entstanden nach der wegen des Neubaus des Charité-Bettenhochhauses erfolgten Grundwasserabsenkung durch Faulprozesse an der Luft irreparable Schäden an der Pfahlgründung des Friedrichstadtpalastes. Anlässlich einer bauaufsichtlichen Begehung wurde die sofortige Schließung des Theaters verfügt. Das Kinderensemble wurde dabei direkt aus den Proben heraus evakuiert. Die tatsächliche Ursache der Schließung wurde durch Partei und Regierung verschwiegen, da auch Gebiete in West-Berlin von der Trockenlegung betroffen waren. 1988 wurde das Haus abgerissen; der japanische Dokumentarfilmer Ryuji Miyamoto konnte den Abbruch mit der Kamera festhalten.[3] An der Stelle des alten Kulturtempels befand sich danach eine Freifläche und zur Spree hin die Grünfläche des Bertolt-Brecht-Platzes. Der Berliner Senat verkaufte das Gelände an die Deutsche Immobilien AG, die ab 2001 eine neue Bebauung plante.[4] Auf dem Grundstück wurde ein Mehrzweckgebäude mit 87 Wohnungen, einem Hotel mit 311 Zimmern und Gewerbeflächen errichtet, das im Sommer 2014 fertiggestellt wurde.[5][6]

In den 1970er Jahren war der im Gebäude etablierte Jazzclub „Kleine Melodie“, dessen Name sich aus dem Gegensatz zum Theaterrestaurant „Große Melodie“ herleitete, ein beliebter Treffpunkt junger Gäste.

Der neue „Friedrichstadtpalast“ wurde 1984 auf dem Grundstück Friedrichstraße 107 – unweit des alten Gebäudes – unter der baulichen Leitung von Erhardt Gißke (Architektenkollektiv) errichtet. Die Premiere des neuen Friedrichstadtpalastes fand 1984 mit der Revue Premiere Friedrichstraße 107 unter der Intendanz des langjährigen Direktors Wolfgang Struck statt. Einige der nach den Plänen von Poelzig hergestellten Ausstattungsstücke, wie die Kronleuchter im Foyer, wurden in den Neubau des Friedrichstadtpalastes übernommen.

Literatur

  • Das Große Schauspielhaus. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Nr. 1, 1920, S. 7–27 (zlb.de – Fotostrecke).
  • Hans Poelzig: Bau des Großen Berliner Schauspielhauses. (Festschrift zur Eröffnung.) Berlin 1919.
  • Paul Sydow: Technische Entwicklung vom Umbau des Großen Schauspielhauses. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Nr. 1, 1920, S. 3–6 (zlb.de – Vorwort von Fritz Stahl: Das Große Schauspielhaus in Berlin, S. 1–3).
  • Heike Hambrock: Marlene Moeschke, Mitarbeiterin? Das wiederentdeckte Werk der Bildhauerin und Architektin liefert neue Erkenntnisse über Hans Poelzigs Großes Schauspielhaus in Berlin. In: Kritische Berichte, 2001, S. 37–53. ISSN 0340-7403

Weblinks

Commons: ehem. Großes Schauspielhaus – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Comedian Harmonists. In: Das Orchester. 10/1999, S. 4.
  2. Rüdiger Hachtmann: Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933–1945. Wallstein, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8353-1037-7, S. 119–122.
  3. Nikolaus Bernau: Mehr als Rokoko-Expressionismus. In: Berliner Zeitung, 3. Januar 2008.
  4. Uwe Aulich: Ein Ozeandampfer an der Spree. In: Berliner Zeitung, 3. Dezember 2007.
  5. yoo berlin (Memento desOriginals vom 16. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.yooberlin.com.
  6. Streichholzschachteln Am Zirkus: Grundstein in Berlin. baunetz.de, 28. November 2011.

Koordinaten: 52° 31′ 22″ N, 13° 23′ 10″ O

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Poelzig Hans (1869-1936), Großes Schauspielhaus, Berlin: Haupteingang. Lichtdruck auf Papier, 15,5 x 19,4 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. F 1589.

Hans Poelzig (1869-1936) Großes Schauspielhaus (auch: Theater des Volkes, Friedrichstadtpalast), Berlin

Inhalt: Haupteingang

Projektzeit: 1919-1919

Gattung: Druck

Material/Technik: Lichtdruck auf Papier

Maße: 15,5 x 19,4 cm

Ort: Berlin

Straße: Am Zirkus

Inventarnummer: F 1589

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Poelzig Hans (1869-1936), Großes Schauspielhaus, Berlin: Deckenansicht und Stützen. Foto auf Papier, 18,5 x 24,2 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. F 1605.

Hans Poelzig (1869-1936) Großes Schauspielhaus (auch: Theater des Volkes, Friedrichstadtpalast), Berlin

Inhalt: Deckenansicht und Stützen

Projektzeit: 1919-1919

Gattung: Foto

Material/Technik: Foto auf Papier

Maße: 18,5 x 24,2 cm

Ort: Berlin

Straße: Am Zirkus

Inventarnummer: F 1605

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Hans Poelzig (1869-1936, als Architekt)

Großes Schauspielhaus (auch: Theater des Volkes, Friedrichstadtpalast), Berlin

Beteiligt: Fritz Fuß (1889-1945, als Architekt) unbek. Fotograf (als Fotograf/in)

Inhalt: Zuschauerraum

Projektzeit: 1919-1919

Datierung des Blattes / Objekts ca. 1941

Gattung: Foto

Material/Technik: Foto auf Papier

Maße: 18,9 x 24,5 cm

Ort: Berlin

Straße: Am Zirkus

Inventarnummer: TBS 042,19

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Poelzig Hans (1869-1936), Großes Schauspielhaus, Berlin: Innenräume im Bau. Foto auf Papier, 18 x 24 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. F 1600.

Hans Poelzig (1869-1936) Großes Schauspielhaus (auch: Theater des Volkes, Friedrichstadtpalast), Berlin

Inhalt: Innenräume im Bau

Projektzeit: 1919-1919

Gattung: Foto

Material/Technik: Foto auf Papier

Maße: 18 x 24 cm

Ort: Berlin

Straße: Am Zirkus

Inventarnummer: F 1600

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Hans Poelzig (1869-1936, als Architekt)

Großes Schauspielhaus (auch: Theater des Volkes, Friedrichstadtpalast), Berlin

Beteiligt: Fritz Fuß (1889-1945, als Architekt) unbek. Fotograf (als Fotograf/in)

Inhalt: Fassadenansicht

Projektzeit: 1919-1919

Datierung des Blattes / Objekts ca. 1941

Gattung: Foto

Material/Technik: Foto auf Papier

Maße: 24,7 x 19 cm

Ort: Berlin

Straße: Am Zirkus

Inventarnummer: TBS 042,16

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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Berlin, Friedrichstadtpalast ADN-ZB Deutsche Demokratische Republik 10.11.1972 Friedrichstadt-Palast in der DDR-Hauptstadt Berlin. Unmittelbar am Ufer der Spree gelegen präsentiert sich das größte Varieté-Theater der Deutschen Demoktratischen Republik, der Friedrichstadt-Palast (unser Foto). Die Vergangenheit dieses Gebäudes ist so kunterbunt wie das monatliche Programm des Hauses. Im Jahre 1869 wurde es als Markthalle errichtet, die dann später einem Zirkus als Etablissement diente. Das 1919 von Poelzig daraus erbaute Große Theater wurde im zweiten Weltkrieg schwer zerstört. In vereinfachter Form wiederaufgebaut dient es etwa 25 Jahre als Varieté, in dem etwa 3000 Besucher Platz finden. Foto: Kaufhold Copyright: ADN-Zentralbild
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Poelzig Hans (1869-1936), Großes Schauspielhaus, Berlin: Gesamtansicht. Foto auf Papier, 18,00 x 13,00 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. F 1585.

Hans Poelzig (1869-1936) Großes Schauspielhaus (auch: Theater des Volkes, Friedrichstadtpalast), Berlin

Beteiligt: Franz Stoedtner (1870-1946, als Fotograf)

Inhalt: Gesamtansicht

Projektzeit: 1919-1919

Gattung: Foto

Material/Technik: Foto auf Papier

Maße: 12,4 x 15,7 cm

Ort: Berlin

Straße: Am Zirkus

Inventarnummer: F 1585

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Großes Schauspielhaus von Hans Poelzig († 1936), Lichtsäulen im Foyer, Aufnahme um 1920