George Boleyn, 2. Viscount Rochford

Thys boke ys myne George Boleyn 1526 (dt. Dieses Buch gehört mir)
Unterschrift George Boleyns in einem Buch, das er später an den mit ihm hingerichteten Mark Smeaton und den Dichter Thomas Wyatt weiterreichte

George Boleyn, 2. Viscount Rochford, (* um 1504 in Blickling Hall, Aylsham; † 17. Mai 1536 auf Tower Hill, London) war ein englischer Diplomat und der Bruder von Königin Anne Boleyn. Während seine Schwester Königin war, genoss er die Gunst König Heinrichs VIII., so wurde er 1529 in den Ritterstand erhoben und erhielt den Höflichkeitstitel Viscount Rochford. George Boleyn war bekannt für seine Belesenheit und sein Interesse am gerade erst entstehenden Protestantismus und diente dem König auf mehreren diplomatischen Reisen nach Frankreich.

Im Frühjahr 1536 wurde er des Inzests mit seiner Schwester Anne angeklagt und zusammen mit ihr und einigen anderen angeblichen Liebhabern hingerichtet.

Herkunft und frühe Jahre

George Boleyn wurde um 1504 als einziger überlebender Sohn des Thomas Boleyn und der Elizabeth Boleyn geboren.[1] Sein Vater entstammte dem niederen Adel, seine Mutter dagegen gehörte als älteste Tochter des Thomas Howard, Earl of Surrey (später 2. Herzog von Norfolk) dem Hochadel an.[1] George war vermutlich das jüngste Kind der Familie nach den Schwestern Anne und Mary Boleyn.[2] Über George Boleyns Kindheit und Jugend ist nur wenig bekannt. Man weiß, dass er eine ausgezeichnete Bildung erhalten haben muss, die jedoch weit weniger gut dokumentiert ist als die seiner Schwester Anne. So soll er an der Universität Oxford studiert haben, wofür es allerdings keine dokumentarische Nachweise gibt. Es steht jedoch fest, dass er ein intelligenter, gebildeter Mann war, der Latein und Französisch beherrschte, sich als Dichter und Übersetzer betätigte und Freude an religiösen und politischen Debatten hatte.[3] Nach seiner Ausbildung wurde er an den Hof geschickt, wo er erstmals 1514 als Teilnehmer bei den Weihnachtsfeierlichkeiten erwähnt wird und 1516 königlicher Page Heinrichs VIII. wurde.[1]

Karriere und Leben bei Hofe

George Boleyn gehörte schon als junger Mann dem Hofstaat Heinrich VIII. an. Wenige Jahre vor der Hochzeit seiner Schwester Anne mit dem König wurde er im Dezember 1529 im diplomatischen Dienst nach Frankreich entsandt. Da er noch sehr jung für diese Aufgabe war, wurde gemunkelt, dass er nur durch Protektion seiner Schwester den Posten erhielt. 1534 war er Lord Warden of the Cinque Ports. 1533 erhielt er im Wege eines Writ of Acceleration noch vor dem Tod seines Vaters vorab dessen nachgeordneten erblichen Titel eines Viscount Rochford, womit auch ein Sitz im House of Lords verbunden war.

Verurteilung und Hinrichtung

Er heiratete Jane Parker, die Ehe verlief jedoch unglücklich. Daraus entstanden Gerüchte über eine angebliche Homosexualität George Boleyns. Es ist möglich, dass Jane aus Eifersucht und Enttäuschung über die lieblose Ehe diese Behauptung in die Welt setzte, denn bei Hof hatte Boleyn durchaus den Ruf eines Frauenhelden.

Als seine Schwester Anne bei König Heinrich VIII. in Ungnade fiel, hatte das auch für George Boleyn weitreichende Konsequenzen. Er wurde Anfang 1536 neben vier weiteren Beschuldigten des Ehebruchs angeklagt – er soll mit seiner Schwester eine inzestuöse Beziehung gehabt haben. Der Vater Thomas Boleyn beteiligte sich an den Anschuldigungen gegen seine eigenen Kinder, wohl um nicht selbst in Ungnade zu fallen. Auch Jane belastete die Geschwister und unterstellte ihnen eine sexuelle Beziehung. Aus heutiger Sicht scheint es erwiesen, dass der angebliche Inzest erfunden wurde, um eine sichere Verurteilung zu erreichen.

George Boleyn stand am 15. Mai 1536, nur wenige Stunden nach der Aburteilung seiner Schwester, vor Gericht. Sein Todesurteil wurde auf Tower Hill in London am 17. Mai durch Enthauptung vollstreckt. Seine Schwester Anne Boleyn starb zwei Tage nach ihm. Von George Boleyn sind keine Abbildungen erhalten, es wird vermutet, dass diese nach seiner Hinrichtung zerstört wurden. Sein Adelstitel fiel wieder an seinen Vater zurück.

Die Anschuldigungen gegen die Geschwister Boleyn wurden bereits von Zeitgenossen in Zweifel gezogen. Doch sie enthielten auch eine religiöse Komponente: Da George Boleyn bekennender Protestant war, wurde er von konservativen katholischen Kreisen noch lange Zeit als Verbrecher betrachtet.

Vorfahren

Literatur

  • Joseph S. Block: Boleyn, George, Viscount Rochford (ca. 1504–1536) In: Oxford Dictionary of National Biography. Band 6: Blackmore-Bowyer. Oxford University Press 2004
  • David Starkey: Six Wives: The Queens of Henry VIII, Harper Perennial, 2004, ISBN 0-06-000550-5
  • Eric Ives: The Life and Death of Anne Boleyn. Blackwell Publishing Professional, 2005, ISBN 1-4051-3463-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Joseph S. Block: Boleyn, George, Viscount Rochford (c.1504–1536) In: Oxford Dictionary of National Biography. Band 6: Blackmore-Bowyer. Oxford University Press 2004
  2. David Starkey: Six Wives: The Queens of Henry VIII, Harper Perennial, 2004, S. 110
  3. David Starkey: Six Wives: The Queens of Henry VIII, Harper Perennial, 2004, S. 258
VorgängerAmtNachfolger
Thomas BoleynViscount Rochford
1533–1536
Thomas Boleyn

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Copy of ‘Les Lamentations de Matheolus’ and ‘Le Livre de Leesce’ by Jean Lefevre, owned by George Boleyn. He wrote inside the book "Thys boke ys myne George Boleyn 1526"